Malchiner Bürgerrat will runter vom Gas
Als erste deutsche Kommune lässt sich die Stadt Malchin von ihren Einwohnern bei der Planung der künftigen Wärmeversorgung beraten. Am 16. April 2024 hat ein Bürgerrat seine Empfehlungen dazu an die Stadtvertretung übergeben. Fossiles Gas soll danach in der Stadt bald keine Rolle mehr spielen.
Wärmeplanung, Nutzung regenerativer Energien, Gebäudeenergiegesetz - auch die Stadt Malchin muss sich aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen mit den Chancen, Risiken und Möglichkeiten ihrer künftigen Wärme- und Energieversorgung befassen. „Als Vertreter der Stadt ist es uns wichtig zu erfahren, welche Ideen, Gedanken und Empfehlungen die Bürger zu diesen Themen haben“, schreibt Bürgermeister Axel Müller (CDU) es auf der Internetseite der gut 7.000 Einwohner zählenden Kommune in Mecklenburg-Vorpommern zum Bürgerrat.
Biomasse nutzen
In seinen Empfehlungen ist sich der Bürgerrat einig, dass wie bisher schon Biomasse für die Wärmeversorgung eingesetzt werden soll. Noch stärker sollte Malchin dabei auf sogenannte Paludi-Kulturen setzen. Das sind Pflanzen aus nassen Niedermoorgebieten wie Seggen, Binsen, Rohrglanzgras und Schilf. "Es soll geprüft werden, ob Grünabfälle kostenlos eingesammelt oder abgeliefert werden können, um diese für die Biogasanlage oder das Kraftwerk zu nutzen", lautete eine weitere Empfehlung.
Bei der Nutzung von Solaranlagen spricht sich der Bürgerrat klar für einen weiteren Ausbau aus. Dabei sollen aber auch innovative Ansätze wie zum Beispiel überdachte Wege oder schwimmende Solaranlagen auf Torfstichen und Wasserflächen geprüft werden. Auch gegenüber der Nutzung von Erdwärme ist der Bürgerrat aufgeschlossen.
Kritik an Windenergie
Kritisch sieht die Losversammlung allerdings den Ausbau der Windenergie. Kritikpunkte sind eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes, bereits vorhandene Windparks in Mecklenburg-Vorpommern und der Verkauf des Stroms nach außerhalb der Stadt, so dass Energieproduktion und -nutzung an unterschiedlichen Orten stattfinden. Im Sinne der Bezahlbarkeit einer erneuerbaren Wärmeversorgung sind Windkraftanlagen nach Meinung der Mehrheit des Bürgerrates unter bestimmten Umständen akzeptabel.
Empfehlungen gibt der Bürgerrat auch zu einem Betreibermodell ab. Es sollte die Preise der Wärmeversorgung sozialverträglich gestalten und die Stadt sollte ein umfangreiches Mitspracherecht bei unternehmerischen Entscheidungen haben. Die Bürger sollten Anteilseigner werden. Großen Wert legt der Bürgerrat auf eine größtmögliche Öffentlichkeit bei der Wärmeplanung.
Stadtvertreter wollen Empfehlungen berücksichtigen
Mehrere Stadtvertreter sicherten bei der Übergabeveranstaltung zu, die Empfehlungen des Bürgerrates berücksichtigen zu wollen.
Für den Bürgerrat waren dem Einwohnermelderegister der Stadt 65 Einwohnerinnen und Einwohner nach dem Zufallsprinzip ausgelost worden. Bei der Zufallsauswahl für den Bürgerrat wurde angestrebt,
- dass der Bürgerrat je zur Hälfte aus Männern und Frauen besteht.
- dass eine Hälfte aus Bürgern im Alter zwischen 16 und 40 Jahren und zur anderen Hälfte aus Bürgern im Alter zwischen 41 und 80 Jahren besteht.
- dass ein Fünftel der Plätze entsprechend ihrem Anteil an den Einwohnern der Stadt mit Bürgern aus den Ortsteilen besetzt wird.
Unterstützung durch Experten und Moderation
Die ausgelosten Bürger berieten zwischen Anfang Februar und Anfang März in insgesamt vier Abendterminen über die künftige Wärmeversorgung Malchins. Sie hörten zunächst Vorträge von verschiedenen Expertinnen und Experten zum Thema und konnten Fragen stellen. Danach unterstützten Moderatoren sie dabei, sich in kleinen Gruppen über unterschiedliche Meinungen und Interessen auszutauschen. Die jeweiligen Ergebnisse wurden unter allen Mitgliedern des Bürgerrats abgestimmt und am Ende Handlungsempfehlungen für Malchin beschlossen.
Dabei ging es um Fragen wie:
- Welche regenerativen Energieträger können und sollen Teil der künftigen Wärme- und Energieversorgung der Stadt sein?
- Soll die Stadt auf Erdwärme/Geothermie setzen?
- Wie viel zusätzlicher Strom muss gegebenenfalls mit Photovoltaikanlagen für den Betrieb von Wärmepumpen erzeugt werden?
- Welche Flächen können dafür genutzt werden?
- Soll die Stadt selbst wirtschaftlich aktiv werden?
„Mitmachen ist besser als meckern“
Teilnehmer zeigten sich mit dem Bürgerrat zufrieden. „Mitmachen ist immer besser als meckern“, kommentierte so Meinhardt Stange das Verfahren. Deshalb habe er bei der Frage nach seiner Teilnahme sofort „Ja“ gesagt.
Bürgermeister Axel Müller erklärte seine Unterstützung für den Bürgerrat u.a. mit den Folgen eines Anschluss- und Benutzungszwangs für eine Versorgung mit Fernwärme: „Da war die Überlegung, ist es vielleicht doch gut, wenn wir das auf eine breitere Basis stellen, dass die Leute informiert werden, dass die Bürgerrat-Mitglieder das dann auch weiter tragen und wir so mehr Akzeptanz bekommen.“
Bürgerrat 2023 beschlossen
Die Stadtvertretung hatte die Durchführung des Bürgerrats am 3. Mai 2023 beschlossen. Im Anschluss daran wurde eine Steuerungsgruppe aus Vertretern der Stadtvertretung und Bürgern aus Malchin gebildet, die verschiedenste Perspektiven mitgebracht haben. Gemeinsam hatten sie die konkrete Ausgestaltung des Bürgerrats erarbeitet: Welche Fragen sollen diskutiert werden? Worauf soll bei der Zufallsauswahl geachtet werden?
Die Mitglieder der Steuerungsgruppe waren selbst nicht Teil des Bürgerrates und haben auch keinerlei Einfluss auf die Auswahl der Mitglieder des Bürgerrates oder auf dessen Ergebnisse genommen.
Der Bürgerrat wurde vom Bürgerrat-Team der Initiative Zukunftshandeln MV organisiert und gefördert aus Mitteln der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt.