Abgeordnete zu Bürgerräten

15. Mai 2020

Aktive der Bewegung „Extinction Rebellion“ haben auf der Online-Plattform abgeordnetenwatch.de vielen dort präsenten Abgeordneten Fragen zu zufällig gelosten Bürgerräten gestellt. Sie wollten wissen, ob die Volkvertreter angesichts der Klimakrise Bürgerräte für ein geeignetes Instrument zur Problemlösung halten. Die Antworten ergeben ein interessantes Bild.

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) will sich so etwa den französischen Klima-Bürgerrat „genau ansehen“, um daraus Rückschlüsse für eine eventuelle Nutzung in Deutschland zu ziehen. Für SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ist es „fraglich, aber diskussionsfähig“, ob ein Bürgerrat die Lösung für die mit dem Klimawandel einhergehenden Probleme ist. Fraktionskollegin Wiebke Esdar findet Bürgerräte hingegen „unterm Strich spannend und wäre auch offen, das auszuprobieren“.

Einen Versuch wert“

In der CDU/CSU-Fraktion ist die Tonlage sehr unterschiedlich. Für den CDU-Abgeordneten Thorsten Frei „wäre es einen Versuch wert, das in Deutschland bewährte Modell der repräsentativen Demokratie auf Bundesebene mit deliberativen Elementen anzureichern“. Frei war am 15. November 2019 als Vertreter seiner Fraktion bei der Übergabe des Bürgergutachtens des Bürgerrates Demokratie an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble in Berlin dabei. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak meint, "dass Bürgerräte die parlamentarische Demokratie ergänzen können. Am Ende des Tages müssen die Entscheidungen natürlich in den Parlamenten getroffen werden, weil nur diese durch die Bevölkerung legitimiert sind. Grundsätzlich halte ich ergänzende Gremien jedoch für sehr wichtig. Sie geben den Parlamentariern ein Stimmungsbild und sie binden Menschen in den politischen Prozess ein", so der Bundestagsabgeordnete aus Iserlohn.

Der Unionsabgeordnete Klaus-Peter Willsch kann Losverfahren in der Politik nichts abgewinnen. „Wir brauchen keine Räte, in denen selbsternannte Gutmenschen ihren Fantasien freien Lauf lassen“, schreibt er auf abgeordnetenwatch.de. Auch Antworten einiger anderer Unionsabgeordneter beinhalten Ablehnung. Beispiele: Bürgerräte brächten keinen Zuwachs an Legitimität. Bürgerinnen und Bürger hätten die Möglichkeit, sich an Wahlen zu beteiligen und sich in Parteien, Verbänden und Initiativen zu engagieren. Auf keinen Fall dürften selbst ernannte Gruppen oder Räte ohne demokratische Legitimation die gewählten Vertretungen ersetzen.

Konsultativgremien dauerhaft verankern“

„Die Idee des französischen Bürgerkonvents beobachten wir mit großem Interesse“, erklärt Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt für ihre Fraktion. „Ob und inwieweit dies ein Vorbild für Deutschland sein kann, wird man sehen. Es sollte aber aus unserer Sicht auch in Deutschland gelingen Konsultativgremien von der kommunalen bis zur nationalen Ebene dauerhaft zu verankern“, so die Abgeordnete weiter. „Ich spreche mich ganz klar für die Erprobung von Bürgerräten auf Bundesebene aus, insbesondere auch zum Thema Klimaschutz", meint Fraktionskollegin Anna Christmann, demokratiepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. "Geeignete andere Themenkomplexe für die Aufarbeitung in einem Bürgerrat könnten auch der gesellschaftliche Zusammenhalt bzw. zunehmende Fremdenfeindlichkeit oder die aktuelle Bewältigung der Corona-Krise sein. Es ist besonders wichtig, solche Themen im Diskurs mit den Bürgern zu klären und daraus Schlüsse für politisches Handeln zu ziehen. Ich halte das für eine Bereicherung in einer lebendigen Demokratie", so Christmann weiter.

Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner unterstützt die Idee eines Klima Bürgerrates prinzipiell. "Über eine Beteiligungsplattform in Sachen Klimapolitik analog zum Bürgerrat Demokratie kann man gerne diskutieren. Allerdings muss man differenzieren: Die Ziele der Klimapolitik müssen demokratisch festgelegt werden. Das kann durch breite Beteiligungsmöglichkeiten flankiert werden, die endgültige Entscheidung muss aber im Parlament getroffen werden", schreibt er. "Eine Beteiligungsplattform für den Klimaschutz in Form eines Bürgerrates ist eine Idee, die wir grundsätzlich unterstützen. Ein Bürgerrat kann helfen, die Ausprägung der klimapolitischen Ziele mitzugestalten", meint auch die stellvertretende FDP-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Katja Suding.

"Für Demokratisierung und Beteiligung"

„Die Linke setzt sich für Demokratisierung und die Ermöglichung demokratischer Beteiligung ein. Dies gilt auch für Klimapolitik und Fragen des sozialökologischen Umbaus“, antwortet die Parteivorsitzende Katja Kipping auf abgeordnetenwatch.de. Es müsse klar sein, was mit Erkenntnissen von Beteiligungsformaten geschehe und welche Reichweite diese hätten. „Einen Klima-Bürgerrat befürworten wir. Denn die Klimaveränderungen betreffen alle und alle unterschiedlich. Bürgerräte ersetzen nicht die gewählten Entscheidungsgremien aber bereichern sie durch ihre Stimme(n)“, so der Linken-Abgeordnete Lorenz Gösta Beutin.

Abgeordnete der AfD wurden von den Extinction Rebellion-Aktiven nicht befragt.

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