EU-Kommissionspräsidentin will europäische Bürgerräte

10. Mai 2022

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union künftig stärker in wichtige politische Entscheidungen miteinbeziehen. Deshalb will sie vor der Vorlage wichtiger Gesetzesinitiative die Meinung von Bürgerräten einholen. Das kündigte von der Leyen bei der Abschlussveranstaltung der Konferenz zur Zukunft Europas am 9. Mai 2022 in Straßburg an.

Die Kommissionspräsidentin greift damit einen Vorschlag eines zufällig gelosten EU-Bürgerforums auf. Das Konferenzplenum hatte sich diesem Vorschlag am 30. April 2022 angeschlossen. Danach sollen Bürgerräte in der EU einen rechtsverbindlichen Rahmen bekommen. Die Teilnehmer sollen nach dem Zufallsprinzip ausgelost werden. Die Bürgerräte sollen so zusammengesetzt werden, dass sie nach Kriterien wie Alter, Geschlecht, Bildung und Herkunft ein Abbild der EU-Bevölkerung sind. Durch Expertinnen und Experten sollen die Bürgerrat-Teilnehmer die für ihre Beratungen notwendigen Informationen erhalten. Wenn die daraus entstehenden Empfehlungen von den EU-Institutionen nicht übernommen, ist dies zu begründen.

Demokratie muss sich erneuern“

„Die Demokratie ist nicht aus der Mode gekommen, aber sie muss sich erneuern, um das Leben der Menschen weiter zu verbessern", zitierte von der Leyen den im Januar 2022 verstorbenen ehemaligen Präsidenten des Europaparlaments David Sassoli. Er hatte die EU-Zukunftskonferenz im Mai 2021 eröffnet.

„Ich bin stolz darauf, dass Bürgerinnen und Bürger aus allen Teilen Europas seine Vision von einer lebendigen und modernen europäischen Demokratie mit Leben erfüllt haben. Wir haben es in den (...) Bürgerräten gesehen, wie sie in ganz Frankreich durchgeführt wurden. Und wir haben es in den europäischen Bürgerforen gesehen“, so von der Leyen weiter. „Sie brachte Männer und Frauen zusammen, die sich noch nie mit Europa beschäftigt haben. Unterschiedliche Geschichten, unterschiedliche Sprachen, unterschiedliche Identitäten, aber eine gemeinsame Zukunft, auf die wir aufbauen können.“

Diese Form der Demokratie funktioniert“

„Sie haben bewiesen, dass diese Form der Demokratie funktioniert“, lobte die Kommissionspräsidentin die insgesamt 800 zufällig gelosten Teilnehmerinnen und Teilnehmer der EU-Bürgerforen. „Ich möchte mich an jeden einzelnen von Ihnen wenden, der an dieser Konferenz teilgenommen hat: Ihre Botschaft ist angekommen. Und nun ist es an der Zeit, sie umzusetzen.“

Von der Leyen will der deliberativen Demokratie deshalb „mehr Raum geben, sie sollte Teil der Art und Weise werden, wie wir Politik machen. Deshalb werde ich vorschlagen, dass wir in Zukunft den Bürgergremien die Zeit und die Mittel geben, Empfehlungen abzugeben, bevor wir wichtige Gesetzesvorschläge vorlegen. Denn ich bin überzeugt, dass die Demokratie nicht mit Wahlen, Konferenzen oder Kongressen endet. Sie muss jeden Tag weiterentwickelt, gepflegt und verbessert werden“, erklärte von der Leyen.

Vier Bürgerforen

Im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas hatten nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Bürgerinnen und Bürger mit EU-Organen und anderen Akteuren die Frage erörtert, wie sich die EU weiterentwickeln sollte, um den künftigen Herausforderungen zu begegnen. In vier Bürgerforen wurden Ideen aus Veranstaltungen in der ganzen EU sowie Vorschläge, die über die Internetseite der Konferenz eingereicht wurden, debattiert.

Den vier europäischen Bürgerforen gehörten jeweils 200 Bürgerinnen und Bürger an. Die teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger wurden von einem unabhängigen Meinungsforschungsunternehmen nach dem Zufallsprinzip nach fünf Kriterien ausgewählt, um die Vielfalt der EU widerzuspiegeln: geografische Herkunft (Staatsangehörigkeit und Stadt/Land), Geschlecht, Alter, sozioökonomischer Hintergrund und Bildungsstand. Junge Leute zwischen 16 und 25 Jahren hatten in jedem Forum ein Drittel der Teilnehmer gestellt. Es wurde außerdem ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis gewahrt.

Weitere Schritte angekündigt

Am 17. Juni 2022 hatte die Europäische Kommission angekündigt, Bürgerforen zu organisieren, die sich mit einer ausgewählten Anzahl von Schlüsselthemen befassen und dazu beitragen sollen, besonders wichtige Initiativen vorzubereiten und Feedback von Bürgern zu erhalten, bevor ein Gesetzgebungsverfahren eingeleitet wird. Darüber hinaus möchte die Kommission kleinere, gezielte deliberative oder Mitgestaltungsprozesse organisieren, die in kleinerem Rahmen durchgeführt werden, um spezifische politische Fragen kosteneffizienter und schneller zu behandeln.

Am 14. September 2022 hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die ersten Maßnahmen angekündigt, die auf die Empfehlungen der Bürgerforen folgen. "Die Bürgerforen, die im Mittelpunkt der Konferenz (zur Zukunft Europas) standen, werden nun zu einem festen Bestandteil unseres demokratischen Lebens werden", erklärte sie in ihrer Rede zur Lage der Union.

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