Berliner Senat folgt Klima-Bürgerrat

Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz Berlin

Von April bis Juli 2022 hatte ein Bürgerrat in Berlin 47 Handlungsempfehlungen für den Klimaschutz in der Hauptstadt entwickelt. Am 20. Dezember 2022 hat der Senat beschlossen, 42 dieser Vorschläge vollständig oder teilweise in das Energie- und Klimaschutzprogramm der Stadt zu zu übernehmen.

Übernommen werden so etwa Empfehlungen zur unbürokratischen Erleichterung des Ausbaus erneuerbarer Energien und zum schrittweisen Ersatz von Öl- und Gasheizungen durch klimaneutrale Alternativen. Der inneren S-Bahn-Ring wird eine Nullemissionszone. Nicht übernehmen will der Senat Vorschläge zur Einführung einer City-Maut und zur Umwandlung leerstehender Gebäude in Wohnraum.

Acht Wochen Beratungen

Nach rund acht Wochen intensiver Beratungen hat Berlins erster Klima-Bürgerrat am 30. Juni 2022 fast 50 Empfehlungen an die Politik vorgelegt. Zu den Wünschen, die das aus 100 Bürgerinnen und Bürgern bestehende Gremium jeweils mit Mehrheit beschlossen hatte, gehörten ein attraktiverer Personennahverkehr, eine Reduzierung des Autoverkehrs und der Erhalt bestehender Grünflächen.

Außerdem wollten die Teilnehmer unter anderem die energetische Sanierung von Gebäuden beschleunigen, die Kosten dafür sozial abfedern und nicht allein auf Mieter abwälzen. Sie forderten zudem einen schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien, etwa mit Hilfe einer "Solar- und Gründächerpflicht". Knapp zwei Drittel der Bürgerrat-Teilnehmer hielten die Prüfung einer City-Maut für nötig und empfahlen eine emissionsfreie Innenstadt ohne Verbrennerautos ab 2030.

"Gemeinsam am Ziel arbeiten"

„Wir waren uns alle einig, dass der Energie- und Ressourcenverbrauch in allen Bereichen - Staat, Wirtschaft und Gesellschaft - reduziert werden muss. Ganz wichtig ist dabei, dass die Berliner Bevölkerung gemeinsam an diesem Ziel arbeitet. Dafür braucht es sozial gerechte Maßnahmen, Aufklärung und Dialog zwischen Politik und Bevölkerung. Denn vielen Menschen ist immer noch nicht bewusst, was die Klimakrise für uns alle bedeutet. Es ist entscheidend, dass der Senat verantwortungsvoll mit unseren Empfehlungen umgeht", so das Bürgerrat-Mitglied Malte Hally (27).

„Der Klimabürger:innenrat war eine einzigartige Erfahrung. Bei so vielen verschiedenen Berlinerinnen und Berlinern gab es natürlich auch mal Streit. Aber am Ende waren wir uns einig: Es muss mehr getan werden für den Klimaschutz, und ein Zögern können wir uns nicht leisten. Denn ohne intakten Lebensraum haben wir alle keine Zukunft. Die Politik muss den Klimaschutz endlich an erste Stelle setzen", kommentierte die Bürgerrat-Teilnehmerin Beatrice Al-Mardini-Krukow (68) die Empfehlungen.

Beratungen von April bis Juni 2022

Vom 26. April bis zum 18. Juni 2022 hatten sich die 100 zufällig ausgeloste Berlinerinnen und Berliner mehrfach getroffen, um über Klimaschutz zu sprechen. Ihre Empfehlungen werden von der Landesregierung und vom Abgeordnetenhaus des Stadtstaates beraten.

In einem Anfang Februar 2022 gestarteten, aufwändigen Auswahlverfahren - zunächst per Los via Melderegister, dann nach repräsentativ quotierten Kriterien - waren 100 Berlinerinnen und Berliner gefunden worden, die in insgesamt neun Sitzungen über die klimaschutzpolitische Zukunft der Hauptstadt diskutiert haben.

Mitglieder zwischen 17 und 80 Jahren alt

Die Mitglieder des Klima-Bürgerrates kamen aus allen zwölf Stadtbezirken und waren zwischen 17 und 80 Jahren alt. Ein Viertel von ihnen hatte einen Migrationshintergrund, genau die Hälfte waren Frauen. Sie haben stellvertretend für alle Berlinerinnen und Berliner, begleitet von Expertinnen und Experten, über Klimaschutz für Berlin diskutiert.

Die per Zufallsverfahren zusammengestellte Losversammlung zum Klimaschutz war das Ergebnis einer Volksinitiative. Die Initiative "Klimaneustart Berlin" hatte am 2. Dezember 2020 32.011 Unterschriften für eine Volksinitiative zur Einberufung eines Klima-Bürgerrates an das Abgeordnetenhaus übergeben. Trotz der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie hatten Tausende Menschen die Forderung unterschrieben. Am 20. Januar 2021 hatte der Berliner Senat die Zulässigkeit der Volksinitiative "Klimaneustart Berlin" festgestellt. Von 31.902 geprüften Unterschriften waren 24.812 gültig. Wegen des Erreichens der notwendigen Mindestzahl von 20.000 Unterschriften wurden 2.039 weitere Unterschriften nicht mehr geprüft.

Am 29. April 2021 hatte der Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses der Volksinitiative für einen Klima-Bürgerrat entsprochen. Am 6. Mai 2021 hatte das Abgeordnetenhaus die Entscheidung des Umweltausschusses zur Einberufung eines Klima-Bürgerrat bestätigt.

Mini-Berlin

Der Bürgerrat sollte eine Art Mini-Berlin darstellen: Ihm gehörten 100 Menschen an, die in ihrer Zusammensetzung die Bevölkerung der Hauptstadt möglichst genau widergespiegelt haben. Ein Algorithmus hat daher nach der Rücksendung aus allen Interessierten 100 Personen ausgewählt, die nach den Kriterien Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss, Wohnbezirk und Migrationserfahrung die Bevölkerung Berlins am besten abgebildet haben. Mit dem Verfahren sollten gerade auch Menschen erreicht werden, die sich sonst kaum in Beteiligungsverfahren engagieren.

Der Bürgerrat hat insgesamt neun Mal getagt. Die erste Sitzung des Klima-Bürgerrates fand am 26. April 2022 statt. Themen waren insbesondere die Bereiche Mobilität, Gebäude und Energie. Nach der Übergabe der Ergebnisse hat die Politik Gelegenheit zu reagieren. „Der Klimabürger:innenrat hat klare und präzise Empfehlungen vorgelegt, mit denen die Politik sich nun gründlich beschäftigen wird - sowohl der Senat als auch das Abgeordnetenhaus", erklärte Klimaschutz-Senatorin Bettina Jarasch (Grüne). "Ganz offensichtlich wünschen sich die Bürgerinnen und Bürger noch mehr wirksame Maßnahmen zur Reduzierung des Autoverkehrs: Darüber werden wir reden müssen. Der Senat wird die Empfehlungen im neuen Klima-Ausschuss beraten, das Abgeordnetenhaus im parlamentarischen Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz“ , so Jarasch.

Durchgeführt wurde die Losversammlung vom in Sachen Losdemokratie erfahrenen Nexus-Institut. Wissenschaftlich beraten wurde das Projekt vom Potsdamer Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS).

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