Museen demokratisieren sich per Los

29. November 2023
Kartlyn / Flickr (PDM 1.0 Deed)

Wie können Museen demokratischer werden? Zur Beantwortung dieser Frage haben die Bundeskunsthalle in Bonn und die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) im November 2023 jeweils ein gelostes Gesellschafts-Forum durchgeführt. Ihr Ziel ist es, die Bedeutung von Kultureinrichtungen im Hinblick auf ihre Rolle in der Gesellschaft neu zu bewerten. Damit nutzen weltweit das erste Mal Kultureinrichtungen das Instrument der gelosten Bürgerbeteiligung.

Die Frage, die den Bürgerinnen und Bürgern in beiden Städten gestellt wurde, lautete: "Wie sollte sich die Institution (Bundeskunsthalle / Dresdner Kunstgewerbemuseum / SKD) weiterentwickeln, um ein wichtiger, einladender, inklusiver und vielfältiger öffentlicher Raum zu bleiben, der einen sozialen Dialog über die drängendsten Fragen dieser sich schnell verändernden Zeit ermöglicht?"

Museum als Raum für Gespräche und Mitgestaltung

Seit ihrer Gründung verfolgt die Bundeskunsthalle in Bonn das Ziel, nicht nur Kunst und Kultur zu vermitteln, sondern auch als Ort der Begegnung, Reflexion und gesellschaftlichen Aktivität zu fungieren. Wie jedoch kann die Bundeskunsthalle zu einem Ort werden, den alle Menschen unabhängig von ihrer sozialen oder Bildungsschicht als Raum für Gespräche und Mitgestaltung wahrnehmen und nutzen können? Welche Möglichkeiten gibt es überhaupt für demokratische Mitbestimmung im Museum? Diese Fragen wurden im Bonner Gesellschafts-Forum diskutiert.

Das Kunstgewerbemuseum im Schloss Pillnitz ist Teil der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Das Museum strebt an, den laufenden Prozess der Neupositionierung als Ort der Begegnung und Mitgestaltung aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger zu betrachten. Dafür wurde ein Gesellschafts-Forum mit zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern aus Dresden, Pirna, Oschatz und Radeberg eingesetzt.

Umfassende Empfehlungen

Jedes Forum bestand aus 35 Personen. In ihrer Zusammensetzung waren diese ein Abbild der jeweiligen Stadtbevölkerung. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren für zwei Wochenenden zu ihren Beratungen zusammengekommen. Dabei haben Expertinnen und Experten ihnen das notwendige Wissen vermittelt. Neben dem Alter, Geschlecht, Wohnort und sozioökonomischem Hintergrund der Teilnehmer war bei der Zusammensetzung der Gesellschafts-Foren auch wichtig, Menschen zu gewinnen, die nur selten Museen besuchen. Diese haben wertvolle Perspektiven eingebracht, die sonst nur schwer zu erfassen gewesen wären.

Die Gesellschafts-Foren haben eine umfassende Liste von Empfehlungen erarbeitet: von speziellen Ausstellungen für Kinder, Schulungen für Museumsmitarbeiter zum Thema Inklusion, mehr Sitzgelegenheiten in den Ausstellungssälen, einer einfacheren Sprache zur Beschreibung von Ausstellungen, interaktiven Ausstellungen, die den Geist und den Körper der Besucher ansprechen, Ko-Kreation-Verfahren, bei denen Kunstwerke gemeinsam mit anderen Besuchern und Museumsmitarbeitern geschaffen werden, bis hin zu der Möglichkeit, darüber abzustimmen, welche Art von Ausstellungen die Menschen in Dresden sehen möchten, und einem ständigen Bürgerrat, der die Bundeskunsthalle bei strategischen Entscheidungen systematischer beraten soll, und vieles mehr.

Die Empfehlungen wurden von den Museumsdirektoren begrüßt. Am 1. Februar 2024 wurde in einem feierlichen Rahmen das Gutachten des Gesellschafts-Forums Bundeskunsthalle mit 26 Handlungsempfehlungen an die Verantwortlichen der Bundeskunsthalle überreicht. Gleiches geschieht im Mai 2024 in der Staatlichen Kunstsammlung Dresden. Die Berichte sollen von den Leitungen der Museen bei zukünftigen Planungen und Entscheidungen berücksichtigt werden.

"Gesellschaftlichen Dialog über relevante Themen ermöglichen"

Eva Kraus, Intendantin der Bundeskunsthalle, erläuterte, warum sie ein Gesellschafts-Forum zur Demokratisierung des Museums wollte: "Wir möchten, dass die Bundeskunsthalle ein einladender, inklusiver und vielfältiger Ort wird, und wir möchten einen gesellschaftlichen Dialog über relevante Themen ermöglichen, insbesondere in diesen sich verändernden Zeiten. Wir haben die Bonner Bürgerinnen und Bürger - unsere Nachbarn - eingeladen und gemeinsam einen sehr fruchtbaren Prozess in Gang gesetzt. Es war für uns alle eine großartige Erfahrung und wir sind sehr dankbar, dass wir voneinander lernen konnten."

Thomas A. Geisler, Direktor des Kunstgewerbemuseums, sagte nach seiner Beobachtung des Gesellschafts-Forums in Dresden: "In letzter Zeit wurde in der Theorie viel über die Demokratisierung des Systems Museum debattiert. Einen Bürgerrat in Echtzeit zu erleben, eröffnet der Institution, aber auch den Teilnehmern, die das Museum als einen Ort der Selbstermächtigung erleben, neue Wege."

Demokratie-Ausstellung

Anschließend wird in den beiden Museen in Bonn und Dresden unter dem Titel „Macht mit - Demokratie gestalten“ eine Ausstellung über die Geschichte und Zukunft der Demokratie gezeigt. Die Ausstellung sollen im Frühjahr 2024 in der Bundeskunsthalle in Bonn und 2025 im Dresdner Kunstgewerbemuseum / SKD eröffnet werden. Sie zeigt historische Gegenstände wie Wahlzettel, Plakate und parlamentarische Architektur. Neue Ideen für mehr Demokratie werden dort behandelt und traditionelle Formen der Mitbestimmung untersucht. Die Verfahren und Ergebnisse der Gesellschafts-Foren werden in der Ausstellung vorgestellt.

"Indem sie durch Bürgerräte erfahren, was die Menschen wirklich über Kultur und Kunst denken, haben Kultureinrichtungen wie die Bundeskunsthalle in Bonn und die SKD in Dresden die Möglichkeit, sich für das 21. Jahrhundert als wirklich demokratische und inklusive Räume neu zu erfinden", sagte Alice Rawsthorn, preisgekrönte Designkritikerin, DemocracyNext-Vorstandsmitglied und Autorin von "Design as an Attitude".

Bürgerbeteiligung kann sich in Kultureinrichtungen einfügen

In einem Newsletter von Democracy Next heißt es: Diese Gesellschafts-Foren konnten zeigen, dass sich Bürgerbeteiligung nahtlos in Kultureinrichtungen einfügen kann, und sie stellen einen aufregenden neuen Weg für Museen, Theater, Bibliotheken und Konzerthäuser dar, die Öffentlichkeit, der sie dienen, direkt und konstruktiv in Entscheidungen einzubeziehen, die die Zukunft dieser Einrichtungen gestalten.

Beide Gesellschafts-Foren wurden vom Aktions-Institut "Democracy Next" angestoßen. Die Organisation lag in den Händen des Nexus-Instituts. Dies beinhaltete die Ausarbeitung der Konzepte, die Leitung der Sitzungen sowie die Moderation der Diskussionen und Ergebnisse. Gleichzeitig wurde ein fortlaufender Austausch zwischen den beiden Verfahren sichergestellt.

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