"Neue Beteiligungschancen"

Friedrich-Ebert-Stiftung

Für die Einführung von „Beteiligungsräten“ auf Bundesebene plädieren Brigitte Geißel und Stefan Jung in einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Ein Auszug aus der Studie:

"Zur Teilnahme werden neben volljährigen deutschen Staatsbürger_innen auch Jugendliche ab 14 Jahren sowie mindestens drei Monaten in Deutschland wohnhafte Ausländer_innen ausgewählt. (...) An einem Beteiligungsrat sind drei Gruppen beteiligt. Die erste Gruppe setzt sich aus zufällig ausgewählten und gezielt rekrutierten Bürger_innen zusammen. Die zweite Gruppe besteht aus Regierungsmitarbeiter_innen und/oder Mitgliedern der Bundestagsausschüsse zu den jeweils behandelten Politikthemen. Die letzte Gruppe bilden Expert_innen und Interessenvertreter_innen, die im Rahmen des Beteiligungsrats Stellungnahmen abgeben und angehört werden können. Die Bürger_innen stellen mindestens zwei Drittel der Teilnehmer_innen. 

Initiierung durch Regierung, Bundestag oder Bevölkerung

Beteiligungsräte können von Bundestag oder Bundesregierung oder aber aus der Bevölkerung heraus initiiert werden. Sie sind kein dauerhaftes Gremium, ihr Platz im institutionellen Gefüge sowie ihr Verhältnis zu den politischen Institutionen sind aber klar definiert. Beteiligungsräte sind über eine feste Koordinierungsstelle beim Bundestag angesiedelt und werden von einem Online-Portal ergänzt. In einer Kombination aus Online- und Offline-Beratungen erarbeiten sie Empfehlungen für politische Entscheidungsträger_innen, die verpflichtet sind, Rechenschaft über den weiteren Umgang mit den Ergebnissen abzugeben. Beteiligungsräte bieten die Chance, unsere repräsentative Demokratie zu stärken und zukunftsfest zu machen, indem sie die bewährten Prozesse der Willensbildung und der Politikformulierung transparenter und responsiver gestalten und durch eine Bürger_innensicht ergänzen. Es ist zu hoffen, dass dies nicht nur den politischen Prozess und seine Ergebnisse bereichert, sondern auch dazu beiträgt, dass die Menschen das Vertrauen in unsere Demokratie und ihre repräsentativen Akteure, aber auch in ihre eigene demokratische Wirksamkeit ein Stück weit zurückgewinnen.

Empfehlungen aus der Bürgerschaft erhalten

Beteiligungsräte ermöglichen Bundesregierung, Bundestag und Zivilgesellschaft, politische Probleme zu erkennen und zu definieren sowie Empfehlungen aus der Bürgerschaft für Gesetzesvorhaben zu erhalten. Ebenso werden im Rahmen von Beteiligungsräten bereits existierende Gesetzesentwürfe aus Sicht der Bürger_innen diskutiert. Beides geschieht durch zufällig ausgewählte Bürger_innen, die eine möglichst große Vielfalt an Interessen und Perspektiven in die sowohl online als auch vor Ort stattfindenden Beratungen einbringen.

Beteiligungsräte werden durch eine am Bundestag angesiedelte und paritätisch durch Zivilgesellschaft und Parteien beaufsichtigte Koordinationsstelle organisiert. Diese nutzt ein nationales Online-Beteiligungsportal, um die Beratungen und deren Ergebnisse allen Bürger_innen zugänglich zu machen. Die Beteiligungsräte bieten damit Repräsentant_innen neue Möglichkeiten, in Kontakt mit Bürger_innen zu treten und gemeinsam mit ihnen politische Probleme zu erörtern. Die Bürger_innen erhalten neue Beteiligungschancen, die Responsivität und Transparenz des politischen Prozesses erhöhen.

Beitrag zur politischen Willensbildung

Beteiligungsräte bringen Bürgerinnen und Bürger sowie Politiker und Politikerinnen zu einem informierten Austausch von Perspektiven und Argumenten zu einem bestimmten Thema zusammen und legen Wert auf eine qualitative Debatte. Garant für eine solche gute Deliberation sind eine neutrale, professionelle Moderation und ausgewogene, verständliche Informationen. In Zeiten von Polarisierung, Ausgrenzung politisch Andersdenkender und Politik via Twitter leisten Beteiligungsräte einen Beitrag zur politischen Willensbildung und zu einem fundierten demokratischen Diskurs. Anders als direktdemokratische Ja/Nein-Entscheidungen erlauben Beteiligungsräte eine differenzierte Auseinandersetzung mit den vielfältigen Interessen in der Bevölkerung und bieten einen Raum für gesamtgesellschaftliche Verständigung.

Zentral für die Zusammensetzung der Beteiligungsräte ist das Ziel der inklusiven Partizipation. Alle Menschen haben die gleiche Chance, an dem Verfahren mitzuwirken, die Zusammensetzung soll möglichst repräsentativ zur Bevölkerung sein, wobei bisher unterrepräsentierte Gruppen besonders berücksichtigt werden. Um dies zu garantieren, kombinieren Beteiligungsräte eine zweistufige Zufallsauswahl mit Quoten und einer besonderen Ansprache benachteiligter Menschen."

Studie: Beteiligungsräte - Neue Wege der politischen Beteiligung auf Bundesebene