20 Empfehlungen zur Verkehrswende

22. Februar 2024
Marco Verch / Flickr (CC BY 2.0 Deed)

Der Bürgerrat „Gemeinsame Verkehrswende in Stadt und Land“ hat am 11. Februar 2024 seine Empfehlungen zu den kommunalen Verkehrsthemen Fahrdienst auf Bestellung im ländlichen Raum, zu attraktiven Innenstädten und zu Formen der Beteiligung bei Verkehrswendemaßnahmen verabschiedet. Die 20 Vorschläge wurden am 27. Mai 2024 an das Bundesministerium für Bildung und Forschung überreicht.

Für die Erarbeitung der Empfehlungen hatten 50 Bürgerinnen und Bürger aus ganz Deutschland an zwei Wochenenden und drei Abendterminen Informationen bekommen, nachgefragt, diskutiert, ihre Ansichten ausgetauscht und für sie wichtige Aspekte und Maßnahmen zusammengetragen. Daraus haben sie gemeinsam insgesamt 20 Empfehlungen formuliert und darüber abgestimmt.

Attraktive Fahrdienste auf Bestellung

Der Bürgerrat empfiehlt so u.a., dass der On Demand-Verkehr die nicht an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossenen Gebiete insbesondere im ländlichen Raum flächendeckend erschließt. Als On-Demand-Verkehr werden Mobilitätsangebote auf Bestellung bezeichnet. Beim On-Demand-Verkehr kommt der Fahrdienst nur auf Bestellung und wird in der Regel mit Pkw oder Kleinbussen betrieben. Die Abholung kann dabei fahrplan- oder haltestellengebunden oder über eine Tür-zu-Tür-Bedienung erfolgen.

Die Tarifgestaltung müsse preislich attraktiv und sozial verträglich sein. Gefordert wird ein einheitliches Bezahl- und Buchungssystem. Eine bundesweite digitale Plattform soll den On-Demand-Verkehr mit anderen öffentlichen Verkehrsmitteln verknüpfen. Im ländlichen Raum sei parallel eine flächendeckende, sichere Fahrradinfrastruktur notwendig.

Mobilitätsabgabe vorgeschlagen

Zur Finanzierung der Verkehrswende schlägt der Bürgerrat die Einführung einer sozial gerechten, einkommensgestaffelten, zweckgebundenen Mobilitätsabgabe vor. Sollte diese Abgabe nicht ausreichen, wird außerdem die Einführung einer Autobahnmaut für PKW angeregt. Mit einer Informationskampagne soll für bedarfsgerechte und nachhaltige Mobilität geworben werden.

Zur Erhöhung der städtischen Lebensqualität empfehlen die Bürgerrat-Teilnehmer die Schaffung von Grünflächen durch Umwidmung und Entsiegelung bestehender Flächen wie Parkplätzen und Autospuren. Der öffentliche Nahverkehr soll bedarfsgerecht ausgebaut werden. Außerhalb der Innenstädte soll ausreichende und preislich attraktive Park-and-Ride-Möglichkeiten sowie überdachte und sichere Fahrradparkplätze geschaffen werden.

Städtischen Raum neu ordnen

Der städtische Raum soll zugunsten von Radfahrenden, Fußgängern und öffentlichem Nahverkehr und zulasten von Autos neugeordnet werden. Autospuren und Parkplätze müssten zugunsten von Fahrrad- und Fußwegen umgewidmet werden. Die Verkehrswende brauche mehr Planungskompetenzen auf kommunaler Ebene. Pilotprojekte und Experimente wie Tempo 30 innerorts dürften nicht an Regeln und Gesetzgebung auf Bundes- und Landesebene scheitern. Für die Nutzung von Bus, Bahn und Fahrrad soll es finanzielle Anreize geben.

Mit Blick auf die Bürgerbeteiligung bei der Umsetzung der Verkehrswendemaßnahmen schlägt der Bürgerrat vor, dass alle Bürgerinnen und Bürger umfassend über die Verkehrswende informiert werden. Dies soll frühzeitig, transparent und fortlaufend über alle verfügbaren Kanäle wie Briefpost, Zeitung, Radio, Internet, QR-Code, soziale Medien und bürgernahe Kontakte und Zusammenkünfte geschehen. Die mit Bürgerinnen und Bürgern beschlossenen Maßnahmen müssten verbindlich umgesetzt werden.

Bürger aktiv einbeziehen

Um sicherzustellen, dass Bürgerinnen und Bürger aktiv in Entscheidungsprozesse einbezogen werden, müssten Plattformen geschaffen werden, über die sie eigene Vorschläge und Anregungen zum jeweiligen Projekt einbringen können. Dies könnten etwa eine öffentliche Pinnwand, ein Ideen-Briefkasten oder ein Bürger-Workshop sein. Dafür fordert der Bürgerrat eine „durchdachte Kombination von digitalen und Vor-Ort-Formaten. Auch müsse es möglich sein, Beteiligungsmethoden im Laufe des Verfahrens zu verändern, damit neue Erkenntnisse einfließen können.

„Die Verkehrswende kann nur als ein gemeinsamer gesellschaftlicher Kraftakt mit breiter Akzeptanz geschafft werden“, heißt es auf der Internetseite zur Begleitforschung Nachhaltige Mobilität. Die für den Bürgerrat ausgelosten Teilnehmer haben darüber diskutiert, wie und in welcher Form die Bürgerinnen und Bürger bei der Umsetzung von Verkehrswendemaßnahmen einbezogen werden sollen, wollen und können und welche Rahmenbedingungen es dafür braucht.

Ein vielfältiges Bild der Bevölkerung

Der Bürgerrat „Gemeinsame Verkehrswende in Stadt und Land“ bestand aus 50 zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern aus ganz Deutschland. Dabei saßen Menschen aus Castrop-Rauxel, Berlin oder Dresden neben Menschen aus Zurow, Kleinfischlingen oder Ingenried. Die Teilnehmer kamen aus 25 zufällig ausgewählten Orten mit unterschiedlicher Größe. Altersgruppen, Geschlechter und Bildungsabschlüsse waren so verteilt, dass sie ein vielfältiges Bild der Bevölkerung abbildeten, das sich nach der tatsächlichen Verteilung in Deutschland richtete.

Der Bürgerrat fand im Januar und Februar 2024 an insgesamt zwei Präsenzwochenenden und drei dazwischen liegenden digitalen Sitzungen statt. Der Bürgerrat gliederte sich in verschiedene Arbeitseinheiten. In den inhaltlichen Arbeitseinheiten wurde eine der oben aufgelisteten Fragestellungen bzw. ein bestimmter Aspekt der Fragestellungen thematisiert. Zu Beginn jeder Arbeitseinheit wurden durch verschiedene Expertinnen und Experten Informationen oder Praxisbeispiele zur Fragestellung bzw. Maßnahme vorgestellt.

20 Empfehlungen erarbeitet

Der erste Teil einer Arbeitseinheit befasste sich demnach mit der Informationsvermittlung und der Möglichkeit der Teilnehmenden Fragen zu stellen. Im zweiten Teil diskutierten die Teilnehmenden in Kleingruppen anhand von Fragestellungen, wie aus ihrer Sicht mit dieser Frage umgegangen werden soll und welche Aspekte oder Lösungen sie für wichtig oder richtig erachten.

Auf Basis ihrer Ergebnisse erarbeiteten die Teilnehmenden für die drei Themen nach und nach Empfehlungsentwürfe, gaben ihnen am letzten Wochenende des Bürgerrates den letzten Schliff und stimmten über sie ab. Am Ende des Bürgerrats standen auf diese Weise 20 Empfehlungen der Bürgerrat-Teilnehmer.

„Es hat Spaß gemacht"

Teilnehmerin Andrea Wahle ist mit der Verkehrssituation vor ihrer Haustür eigentlich ganz zufrieden. Zur Mitarbeit am Bürgerrat hat sie das damit verbundene bürgerschaftliche Engagement motiviert. „Man kann nur was verbessern, wenn man selber aktiv wird“, sagt die 66-jährige Rentnerin aus Berlin. „Es hat Spaß gemacht. Jeder hat seine Erfahrungen miteingebracht, vom niedrigen Bildungsgrad bis zum Lehrer“, erklärt sie. Wahle wünscht sich mehr Bürgerräte zu vielen Themen: „Weil nur wenn alle mitmachen können, kann was vorwärts gehen“.

Hauptadressat des Bürgerrates „Gemeinsame Verkehrswende in Stadt und Land“ ist das Bundesforschungsministerium als Fördermittelgeber, das aus den Ergebnissen Erkenntnisse für die zukünftige Gestaltung von Fördermaßnahmen ableiten möchte, sowie zum anderen die Kommunen der Begleitforschung und Kommunen im Allgemeinen, die Verkehrswendemaßnahmen gemeinsam mit der Bevölkerung umsetzen möchten.

Empfehlungen für Bildungsministerium und Kommunen

Die Ergebnisse des Bürgerrates werden in einem Bürgergutachten dargestellt. Das Bürgergutachten wurde am 27. Mai 2024 an das Bundesministerium für Bildung und Forschung übergeben sowie mit Vertreterinnen und Vertretern von Kommunen diskutiert.

Der Bürgerrat wurde im Rahmen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Begleitforschung Nachhaltige Mobilität vom nexus Institut durchgeführt.

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