„Man kann nie genug für Integration machen“

22. Juni 2023

Was können die Politiker der Deutschsprachigen Gemeinschaft tun, damit die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Ostbelgien noch besser gelingt? Mit dieser Frage hat sich von April bis Juni 2023 eine Bürgerversammlung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft (DG) Ostbelgien befasst. Am 21. Juni 2023 wurden die Empfehlungen der zufällig gelosten Teilnehmer an das Parlament übergeben.

Die Bürgerversammlung hatte in ihren fünf Sitzungen verschiedene Aspekte rund um die Integration unter die Lupe genommen. Die Themen reichten von der Sprachförderung bis hin zum Arbeitsmarkt.

Schon viel zum Thema Integration gemacht“

"Die Rückmeldungen waren sehr unterschiedlich. Die Teilnehmergruppe hat festgestellt, dass in der DG schon sehr viel zum Thema Integration von Zuwanderern gemacht wurde", sagte Anna Stuers, die ständige Sekretärin des permanenten Bürgerdialogs in der DG. "Es gibt ein eigenes Dekret. Es hat schon Anpassungen gegeben. Es ist schon viel gegründet worden. Deshalb sagen die Empfehlungen auch eher Tipps aus, wie man das Bestehende noch verbessern könnte. Es geht hier eher um Detailempfehlungen."

„Dennoch bleiben die Herausforderungen der Integration vielfältig. Man kann nie genug machen, um für Integration zu sensibilisieren und laufende Prozesse zu erhalten und zu verbessern“, heißt es im Vorwort zu den Empfehlungen der Bürgerversammlung.

Mehr Sprachkurse

Die Losversammlung spricht sich so für die Erweiterung des Angebotes an Sprachkursen etwa durch Online-Angebote aus. Auch sollen Kursteilnehmer eine finanzielle Unterstützung erhalten. Das Angebot soll zudem auf Asylbewerber ausgedehnt werden.

Kindern mit Migrationshintergrund und allen „benachteiligten“ Kindern soll von der Primarschule bis zur Sekundarschule eine kostenfreie Hilfestellung bei den Hausaufgaben angeboten werden. Lehrer sollen während ihrer Ausbildung für die Gegebenheiten anderer Kulturen und deren Sprache sensibilisiert werden. Die DG wird aufgefordert, Feiertage für die wichtigen religiösen Feiertage anderer Kulturen zusätzlich einzuführen.

Integration von Jugendlichen

Familien sollen sensibilisiert werden, alleinstehende zugewanderte Jugendliche ab 18 Jahren als "Familienangehörige" aufzunehmen. Auch sollen den Jugendlichen persönliche Betreuer zur Seite gestellt werden. Diese sollen u.a. bei der Tagesstrukturierung, bei der Spracherlernung und bei der Aufarbeitung belastender Erlebnisse helfen. Angeregt wird zudem ein eigener „Integrationsparcours“, also einen praxisbezogenen Sprachkurs mit Kulturpräsentation und unbürokratischer „Schnuppermöglichkeit“ in die Arbeitswelt.

Um Zugewanderte besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren, regt die Bürgerversammlung an, vor allem mittelständische Betriebe besser über finanzielle Anreize für die Integration von Arbeitskräften aus Drittländern zu informieren. Die DG soll sich auf föderaler Ebene dafür einsetzen, dass kürzere Entscheidungswege für den Aufenthalt der Geflüchteten bei überprüfbaren Qualifikationen zur Unterstützung der Integration ermöglicht werden. Die Arbeitsbereitschaft und bereits erfolgte Integration von Zugewanderten soll Einfluss auf das Asylverfahren haben.

Helfer unterstützen

Helfende Menschen sind nach Meinung der Bürgerversammlung das Rückgrat der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Daher sei es wichtig, sie zu unterstützen und den Kontakt zwischen diesen helfenden Personen und denjenigen, die Hilfe benötigen, zu erleichtern. Dazu soll die DG die Koordination aller Organisationen, die mit der Integration in Verbindung stehen, verstärken und eine zentrale Internetseite für Helfende und Hilfesuchende bereitstellen.

Freiwillige sollen einen kleinen Zuschuss erhalten, um sie zur Mitwirkung am Integrationsprozess zu motivieren. Auch wird angeregt, dass die DG Weiterbildungen für professionelle und ehrenamtliche „Helfer“ zu den Themen „interkulturelles Wissen, interkulturelle Fähigkeiten, interkulturelle Kommunikation, Kulturschock und Konfliktmanagement“ organisiert.

Integration auf gegenseitiger Basis

Die Teilnehmer der Bürgerversammlung sind der Meinung, dass Integration nur auf gegenseitiger Basis funktionieren kann. Deshalb sollen Zugewanderte „von erster Stunde an“ auch auf das Sozialverhalten der hiesigen Bevölkerung hingewiesen werden. Migranten soll auch ehrenamtliches Engagement in der DG schmackhaft gemacht werden. Zur Beilegung von Konflikten soll die DG eine/n Integrationsombudsmann/frau für die DG benennen.

Im Bereich Information regen die Teilnehmer der Bürgerversammlung an, bei Info-Integration die Stelle eines „Community-Managers“ zu schaffen. Oberstes Ziel dieses Managers soll die Konsolidierung und das Zusammentragen der bestehenden Maßnahmen zur allgemeinen Förderung der Integration sein.

Teilnehmer zufällig ausgelost

Die Mitglieder der Bürgerversammlung waren nach dem Zufallsprinzip ausgelost worden. Im Lostopf waren alle Bürger, die zum Zeitpunkt der Auslosung ihren Wohnsitz in der Deutschsprachigen Gemeinschaft hatten und mindestens 16 Jahre alt waren. 1.000 zufällig ausgeloste Einwohner der DG waren zur Teilnahme eingeladen worden. Im Losverfahren wurden folgende Kriterien berücksichtigt: Alter, Geschlecht, Wohnort und sozio-ökonomischer Hintergrund. Die Bürgerversammlung wurde aus den Bewerbungen der Ausgelosten so zusammengestellt, dass sie nach diesen Kriterien ein möglichst gutes Abbild der Bevölkerung darstellte.

Die Bürgerversammlung hatte sich zu fünf Sitzungen getroffen, in denen die teilnehmenden Bürger sich zuerst über das Thema informierten haben. Anschließend haben die Ausgelosten ihre Meinungen dazu ausgetauscht, Ideen für Lösungsansätze gesammelt und schließlich Handlungsempfehlungen an die Politik ausgearbeitet.

Informationsblatt, Online-Plattform und Experten

Als Informationsgrundlage hatten die 28 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Bürgerversammlung ein von der Parlamentsverwaltung erstelltes Informationsblatt erhalten. Zudem haben alle Beteiligten die Online-Plattform „Padlet“ genutzt. Neben der Bereitstellung aller Sitzungsunterlagen und Protokolle, konnten die Teilnehmer selbst gefundene Unterlagen zum Thema auf dieser Plattform miteinander teilten.

Zusätzlich konnten die Teilnehmer Experten in den verschiedenen Treffen anhören, darunter auch Geflüchtete und Zugewanderte selbst. Wisal al Kurdi berichtete so etwa von ihrer Flucht aus Syrien und ihrer Integration in Ostbelgien. Auch unter den Mitgliedern der Bürgerversammlung befanden sich Menschen mit Migrationshintergrund.

Themenvorschlag aus der Bevölkerung

Zustande gekommen war das Thema der Bürgerversammlung durch einen im Mai 2022 veröffentlichten Aufruf des Bürgerrates zur Einreichung von Themenvorschlägen. Der Bürgerrat besteht aus ehemaligen Teilnehmern der Bürgerversammlung und wird aus diesen ausgelost. Die Themenfindung ist eine der Aufgaben dieses Gremiums. Am 21. Januar 2023 hatte sich der Bürgerrat auf Vorschlag aus der Bevölkerung für das Thema „Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Ostbelgien“ entschieden.

Dieses Thema war der Auffassung des Bürgerrats nach zu weit gefasst, als dass es in einigen Treffen von der zuständigen Bürgerversammlung bearbeitet werden könnte. Um qualitativ hochwertige Empfehlungen ausarbeiten zu können, sollte das Thema nach Meinung des Bürgerrats deshalb weiter eingegrenzt werden. Die Entscheidung dazu wurde aber bewusst der Bürgerversammlung überlassen.

Empfehlungen im Parlament

Das Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft hatte am 8. November 2023 seine Stellungnahme zu einer möglichen Umsetzung Empfehlungen der Bürgerversammlung veröffentlicht und dazu auch deren Teilnehmer eingeladen. Nun wird ein Umsetzungsbericht erstellt, der ebenfalls mit den Mitgliedern der Bürgerversammlung und im Parlament diskutiert wird.

Mehr Informationen: Bürgerversammlung „Integration von Menschen mit Migrationshintegrund in Ostbelgien“