Bürgerräte zur Dorfentwicklung
Wo steht das Südtiroler Dorf Schenna heute? Und wie will sich die Gemeinde in Zukunft weiterentwickeln? Diese und ähnliche Fragen haben die Schenner Bürgerinnen und Bürger in zufällig gelosten Bürgerräten diskutiert.
In Klausurtagungen hatten sich die Gemeinderäte bereits intensiv über die anstehenden Themen ausgetauscht. Bei den Treffen kamen viele Fragen auf den Tisch, die den Schennern unter den Nägeln brennen. Zum Beispiel: Wie wollen wir in Zukunft Raum und Landschaft gestalten? Welchen Blick auf unser Dorf haben junge Menschen und wie sehen sie das Schenna der Zukunft? Was braucht Schenna als Arbeits- und Wirtschaftsstandort? Was ist zu tun, damit gutes Zusammenleben gelingen kann?
„Schenna steht an einem Wendepunkt“
Gemeinderat Franz Daprá meint dazu: „Ich glaube, Schenna steht an einem Wendepunkt.“ Sei in Schenna in den vergangenen Jahren richtigerweise sehr viel in die Infrastruktur und die Bildungsstätten investiert worden, so gehe es nun darum, diese Infrastrukturen zu erhalten und auszubauen. „Außerdem ist es wichtig, ein großes Augenmerk auf das Zusammenleben aller Bevölkerungsschichten und Altersgruppen zu legen. Im Vordergrund stehen auch Themen wie Mobilität, Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz. Gleichzeitig muss ein gesundes Wachstum der Wirtschaft im Dorf zugelassen werden, um die Arbeitsplätze zu erhalten.“
Der Gemeinderat hatte sich für die Umsetzung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen ausgesprochen. Danach war es Aufgabe der Bürgerräte, konkrete Vorschläge für eine sozialverträgliche und umweltverträgliche Entwicklung der Gemeinde aufzuzeigen.
Vier Bürgerräte
Ziel des Gemeinderates war es, bis 2022 ein Dorfentwicklungskonzept ausgearbeitet zu haben. Dafür hat er Bewohnerinnen und Bewohner des Dorfes mit ins Boot geholt. In Bürgerräten haben sie im November 2021 über die für Schenna wichtigsten Zukunftsfragen und Themen diskutiert. Welche das sind, hatte der Gemeinderat festgelegt. Insgesamt gab es vier solcher Bürgerräte. Dazu kamen noch zwei Räte der Vereine und Verbände, die sich ebenfalls über die Themen, die der Gemeinderat vorgegeben hatten, ausgetauscht hatten. Insgesamt 71 Schenner waren dabei und haben sich anderthalb Tage die Zeit genommen, um sich über die für Schenna wichtigsten Themen auszutauschen und Lösungsvorschläge für verschiedene Probleme zu erarbeiten.
„Die Ergebnisse der Bürgerräte und der Räte der Vereine und Verbände waren Grundlage für die Weiterarbeit am Dorfkonzept durch den Gemeinderat. Die Bürgerinnen und Bürger beraten uns“, erklärt Bürgermeisterin Annelies Pichler bei der Ankündigung des Demokratie-Projekts. Besonderes Vorwissen mussten die Bürgerrat-Teilnehmenden nicht mitbringen. „Man ist dadurch kompetent, dass man in unserem Dorf lebt und es so Tag für Tag mitgestaltet“, so die Bürgermeisterin. Außerdem wurden bei Bedarf Fachleute hinzugezogen, die die Teilnehmenden beraten haben.
„Viele Ideen einholen“
„Auf diesem Weg lernen wir ein sehr breites Spektrum an Bedürfnissen, Wünschen, Anregungen und Ideen kennen und wenn man die Maßnahmen danach dementsprechend setzt, tragen sie viel mehr Menschen mit“, erklärte Vizebürgermeister Sepp Mair den Sinn der Bürgerräte. „Das ist langfristig erfolgreicher. Außerdem kommt sicher etwas Besseres heraus, wenn wir viele Ideen einholen, als wenn wir nur im Gemeinderat darüber sprechen“, so Mair weiter.
Für die Bürgerräte wurden aus dem Melderegister der Gemeinde insgesamt 48 Personen ausgelost, die in den vier Bürgerräten am Dorfkonzept mitarbeiten konnten. Berücksichtigt wurden dabei das Alter, das Geschlecht und nach Möglichkeit auch die Verteilung nach Gemeindeteilen, sodass die 48 Bürgerinnen und Bürger Schenna im Kleinen repräsentieren wurden. Wer ausgelost wurde, wurde direkt benachrichtigt.
Bürgerrat-Ergebnisse vorgestellt
Die Ergebnisse der Bürgerräte wurden am 28. März 2022 öffentlich vorgestellt. In Form einer Ausstellung präsentierten die Teilnehmer die Ergebnisse ihrer Arbeit und berichteten von ihren Erfahrungen. Dabei wurden noch einmal Anregungen und Ideen gesammelt. Einige Themen zogen sich durch alle Bürgerräte: Zusammenspiel von Tourismus und Bevölkerung, zu viel Ruhe im Winter, lokale Kreisläufe stärken, familiengerechte Arbeitsplätze im Tourismus mit den entsprechenden Rahmenbedingungen in der Gemeinde, Mobilität sowie Kultur und Tradition bewahren.
Bürgermeisterin Pichler zog eine positive Zwischenbilanz über das Dorfentwicklungskonzept, vor allem was das Engagement der Schennerinnen und Schenner angeht: „Wir als Gemeinderat waren erstaunt, auf wie viel Bereitschaft wir gestoßen sind, in den Bürgerräten mitzumachen und über die Themen, die den Bürgerinnen und Bürgern unter den Nägeln brennen in den Austausch zu gehen.“ Auch das Echo der Bürgerrat-Mitglieder war positiv: Der Austausch sei intensiv, aber respektvoll, und auch bereichernd gewesen.
"Intensiv diskutiert und offen gesprochen"
"Es war eine sehr intensive Diskussion. In unserer Gruppe haben alle viel mitgedacht, offen ihre Meinung gesagt, sich eingebracht - so habe ich es mir erhofft. Ich hoffe, dass dadurch etwas mehr darauf geschaut wird, dass es allen in Schenna gut geht und dass niemand auf der Strecke bleibt", erklärte so etwa ein Bürgerrat-Mitglied.
Ein anderes Mitglied der Losversammlung erklärte: "Ich war überrascht, dass wir so intensiv diskutiert und auch sehr offen gesprochen haben, zum Beispiel, was den Tourismus und die Infrastrukturen angeht. Ich hatte den Eindruck, dass die Teilnehmer auf einer Wellenlänge sind. Es war auch gut, dass der Fokus der Diskussion auf den Bedürfnissen der jungen Erwachsenen lag, nicht nur auf jenen der Kinder. Ganz wichtig war das Thema Mobilität, sprich Busverbindungen, und die Möglichkeit eines Treffpunktes oder eines Cafés für junge Menschen."
Konzept-Fertigstellung im März 2023
Der Gemeinderat hatte sich anschließend mit den Bürgerrat-Empfehlungen befasst und im März 2023 ein Konzept mit einem Maßnahmenplan verabschiedet. "Wir haben 32 Leitsätze für die Dorfentwicklung erarbeitet und dazu konkrete Maßnahmen für deren Umsetzungen definiert. Diese Maßnahmen haben sowohl einen konkreten Zeitplan als auch entsprechende Verantwortlichkeiten zugeteilt bekommen und sind somit überprüfbar", erklärte Bürgermeisterin Annelies Pichler dazu.
Schenna ist eine in Südtirol gelegene italienische Gemeinde mit ca. 2.900 Einwohnern. Sie liegt etwa drei Kilometer nordöstlich von Meran und etwa 25 Kilometer nordwestlich von Bozen.
Mehr Informationen: Dorfkonzept: Schenna weiter denken