Mehr Lernmobilität für EU-Bürger

01. Mai 2023
European Commission

21 Empfehlungen für mehr Mobilität in Sachen Bildung sind das Ergebnis eines zufällig gelosten EU-Bürgerforums. Die 150 Teilnehmerinnen und Teilnahmer aus allen Mitgliedsstaaten der Europäischen haben am 30. April 2023 ihre Vorschläge dazu beschlossen.

Lernmobilität bezeichnet eine länderübergreifende, regionale oder Online-Mobilität. Schüler, Lehrer, Auszubildende oder Ausbilder nutzen einen bestimmten Zeitraum zum Bildungsaustausch online oder an anderen Orten. Lernmobilität dient etwa dazu, neues Wissen, neue Fähigkeiten oder neue Einstellungen oder Werte zu erwerben oder zu vermitteln.

Zu wenige Bürger profitieren

Allein im Rahmen von "Erasmus+" haben seit der Einrichtung des Programms 1987 fast 13 Millionen Menschen im Ausland studiert, eine Ausbildung gemacht, gearbeitet oder Freiwilligenarbeit geleistet. 95 Prozent der Teilnehmenden äußerten sich zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrer Mobilität; 99 Prozent empfahlen sie weiter. 78 Prozent verbesserten ihre Fremdsprachenkenntnisse, 75 Prozent erhöhten ihre Karrierechancen und 76 Prozent hatten danach eine genauere Vorstellung von ihrer beruflichen Zukunft.

Obwohl sich transnationale Bildung als äußerst wertvolle Erfahrung für die Menschen erwiesen hat, profitieren aufgrund zahlreicher Hindernisse zu wenige Bürger tatsächlich davon, heißt es dazu auf der Internetseite der EU-Kommission.

Europäischer Bildungsraum bis 2025

Die Kommission und die Mitgliedstaaten wollen bis 2025 gemeinsam einen europäischen Bildungsraum auf die Beine stellen, um die Qualität der allgemeinen und beruflichen Bildung zu erhöhen, Inklusion und Gleichstellung der Geschlechter zu fördern, den grünen und digitalen Wandel voranzutreiben, Lehrkräften unter die Arme zu greifen, den Hochschulsektor zu stärken und die EU als Bildungspartner für Länder und Regionen in der ganzen Welt zu empfehlen.

Die Empfehlungen der Forumsteilnehmer sollen die EU-Kommission dabei unterstützen, Hindernisse zu erkennen und Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen zu entwickeln, um die Hürden zu überwinden.

Englisch als erste Fremdsprache

Einer der am meisten unterstützten Vorschläge des Bürgerforums war der Vorschlag, in Schulen Englisch als erste Fremdsprache zu unterrichten. Englisch sei als "Verkehrssprache" in der EU etabliert und "leicht zu erlernen". Englisch sei bereits weit verbreitet. Das Erlernen dieser Sprache stehe nicht im Widerspruch zu einem mehrsprachigen Europa.

Außerdem soll die EU Arbeitnehmern das Lernen im Ausland erleichtern. Das würde u.a. eine Freistellung von der Arbeit zum Erlernen bestimmter Fähigkeiten in anderen EU-Ländern bedeuten. Arbeitgeber sollen verpflichtet werden, ihren Angestellten die Möglichkeit zu geben, maximal sechs Monate lang Sprachen oder berufsbezogene Fähigkeiten zu erlernen.

Lernmobilität für alle

Das Bürgerforum empfiehlt auch, dass die EU für die Lernmobilität einen Rahmen schafft, der Menschen aller Altersgruppen einbezieht. Dabei sollen auch Arbeitssuchende und Menschen mit geringer Bildung und geringem Einkommen miteinbezogen werden. Zudem sollen bestehende Programme auf Menschen aller Altersgruppen ausgeweitet und über eine Plattform gefördert werden. Arbeitnehmer sollen einen Teil ihrer Ausbildung online und den anderen Teil im Ausland absolvieren können.

Die EU wird aufgefordert, ein Pilotprojekt zu starten, mit dessen Hilfe mehrere Familienmitglieder sich gemeinsam im Ausland fortbilden können. Auch Kinder sollen dabei berücksichtigt werden. Digitale Technologie und künstliche Intelligenz sollen insbesondere das Erlernen von Sprachen erleichtern. Außerdem sollen bereits existierende Angebote der EU zum Erlernen von Sprachen besser beworben werden.

Aufstockung der EU-Mittel

Die Teilnehmer des Bürgerforums halten auch eine Aufstockung der EU-Mittel zur Lernmobilität für sinnvoll, um mehr Studenten, Auszubildenden, Angestellten und Arbeitern, aber auch Unternehmen und kleineren Betriebe eine finanzielle Unterstützung zu ermöglichen. Unternehmen und Fortbildungswillige sollen sich über eine Online-Plattform miteinander vernetzen können. Tutoren sollen die Integration im Gastland erleichtern. Für die Anreise und die Mobilität vor Ort wird ein günstiges Angebot zur Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel angeregt.

Die EU soll Mittel zur Verfügung stellen und Maßnahmen ergreifen, um Schulen und Arbeitsstätten für Jugendliche und Berufstätige hinsichtlich Alter, Geschlecht, Gesundheit, sexueller Orientierung, Religion etc. zu diskriminierungsfreien Räume zu machen. Im Rahmen des Programms Erasmus+ soll die Suche des Gastortes erleichtert werden. Dies auch insofern, dass Menschen ermutigt werden, in Orte zu reisen, die sie sonst nicht als Bildungs- oder Arbeitsort erwägen würden. Die EU soll außerdem Hindernisse bei der Nutzung von Angeboten zur Lernmobilität feststellen und diese beseitigen. Innerhalb von drei Jahren sollen alle EU-Bürger das Programm Erasmus+ kennen.

Umfassendes Anhörungsverfahren

Das Bürgerforum war Teil eines umfassenderen Anhörungsverfahrens, das darauf abzielt, die Meinungen und Vorschläge aller interessierten Gruppen zu erfassen. Im Bürgerforum ging es vor allem um folgende Fragen:

  • Wie können wir die verschiedener Gruppen von Schülern, Lehrern, Auszubildenden und Ausbildern und insbesondere Menschen mit besonderen Bedürfnissen (aufgrund von Behinderungen, Gesundheitsproblemen, wirtschaftlichen, sozialen, geografischen und anderen Hindernissen) und weniger mobile Gruppen (z. B. Schüler und Lehrer, Auszubildende und Praktikanten, erwachsene Lernende und Ausbilder) einbeziehen?
  • Wie können wir die Mobilität so umweltfreundlich wie möglich gestalten und nachhaltiges Verhalten fördern, um einen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel zu leisten?
  • Wie können wir die Chancen und Herausforderungen die die Digitalisierung bieten könnte (z. B. bessere Nutzung digitaler Lern-Plattformen, Verbindung von Lernen in Präsenz und Online-Lernen) besser nutzen?
  • Wie können wir das Potenzial der Bildungsmobilität für den interkulturellen Dialog, Bürgerengagement und die Förderung gemeinsamer Werte nutzen?

Während der drei Sitzungen des Bürgerrforums haben die Teilnehmer zu den einzelnen Punkten Informationen erhalten, die es ihnen ermöglicht haben, das Thema zu verstehen, Hindernisse und Kompromisse zu erkennen und Lösungen zu diskutieren und zu bewerten.

Die Teilnehmer des Bürgerforums zum Thema Lernmobilität waren von einem unabhängigen Meinungsforschungsunternehmen nach dem Zufallsprinzip ausgewählt worden. Um die Verschiedenheit der Menschen in der EU widerzuspiegeln, wurden die Mitglieder des Bürgerforums nach den Kriterien geografische Herkunft (Staatsangehörigkeit und Stadt/Land), Geschlecht, Alter, sozioökonomischer Hintergrund und Bildungsstand so gemischt, dass sie ein Abbild der EU-Bevölkerung dargestellt haben.

Junge Europäer überrepräsentiert

Ergänzt wurden diese Kriterien um eine Frage zur Einstellung der Ausgelosten zur EU, damit EU-Kritiker im Bürgerforum entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil ebenso angemessen vertreten waren wie EU-Befürworter. Junge Leute zwischen 16 und 25 Jahren waren überrepräsentiert. Sie haben ein Drittel der Teilnehmer gestellt. Es wurde außerdem ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis gewahrt.

Das Bürgerforum hatte sich zu drei Sitzungen getroffen. Diese fanden vom 3. - 5. März 2023 in Brüssel, vom 24.- 26. März 2023 online und vom 28. - 30. April 2023 erneut in Brüssel statt. Die hier entstandenen Empfehlungen sollen die Arbeit der Kommission im Bereich der Bildungsmobilität unterstützen.

Vorschlag der EU-Kommission zu Lernmobilität

Die Empfehlungen der Bürgerinnen und Bürger wurden bei der Ausarbeitung des Vorschlags der EU-Kommission für eine Empfehlung des Europäischen Rates "Europa in Bewegung - Lernmobilität-Möglichkeiten für alle" berücksichtigt. Der Bericht des Bürgerforums mit den vollständigen Empfehlungen wurde zusammen mit dem Vorschlag veröffentlicht.

Die Ergebnisse des Bürgerforums werden weiterhin in die Arbeit der Kommission, der Mitgliedstaaten und der Interessengruppen im Bereich der Lernmobilität einfließen. Sie werden als Leitfaden dienen, um die Mitgliedstaaten bei der Erreichung der im Vorschlag für eine Empfehlung des Rates festgelegten Ziele zu unterstützen.

"Eine unglaublich wertvolle Erfahrung"

Bei der Abschlusssitzung des Bürgerforums am 30. April 2023 waren auch einige deutsche Teilnehmer dabei. Darunter auch der 18-jährige Abiturient Fritz Kamm aus Lübeck. Als ihn der Anruf aus Brüssel erreichte dachte er zunächst, es handle sich um einen schlechten Scherz. Obwohl er im Internet nicht viele Informationen zum Projekt der EU-Kommission gefunden hat, willigte er zur Teilnahme an dem Projekt ein. Bei den drei Sitzungen hat er versucht, sich mit seiner Meinung so gut wie es geht einzubringen: „Ich bin ein Fan von solchen Projekten und finde es schön, wenn Schüler so eine Möglichkeit bekommen. Das ist meiner Meinung nach eine unglaublich wertvolle Erfahrung .“

Die 18-jährige Schülerin Cilin Waked aus Duisburg hat durch die Teilnahme am Bürgerforum gelernt, was es heißt, demokratische Entscheidungen in der Europäischen Union mitzugestalten: „Ich nehme mit, dass es ganz sinnvoll sein kann, sich mit so vielen verschiedenen Menschen aus unterschiedlichen Ländern zu treffen. Aber ich habe auch gesehen, dass es durchaus schwer sein kann, wenn man aus so unterschiedlichen Hintergründen kommt, sich auf eine Sache zu einigen. Es braucht sehr viel Arbeit, um Lösungen zu finden, die wirklich jeden befriedigen.“

Organisiert und moderiert wurde das Bürgerforum von Experten von The Danish Board of Technology (DBT), deliberativa, ifok und Missions Publiques. Diese vier Beteiligungsunternehmen haben ihre langjährige Erfahrung in der Organisation von Losversammlungen in das Forum eingebracht.

Bürgerforum folgt Bürgerempfehlungen

Das Bürgerforum ist unmittelbare Folge der Konferenz zur Zukunft Europas. Im Rahmen dieser Konferenz hatten 800 zufällig geloste Bürgerinnen und Bürger aus der gesamten EU auch über die Weiterentwicklung der Demokratie in der Europäischen Union beraten. Eine dabei entstandene Empfehlung war der Wunsch, zufällig geloste Bürgerforen regelmäßig in der EU einzusetzen. Die EU-Institutionen sind diesem Wunsch gefolgt.

Vor dem Bürgerforum zur Lernmobilität fand bereits von Dezember 2022 bis Februar 2023 ein Forum zum Thema Lebensmittelverschwendung statt. Vom 24. Februar bis zum 23. April 2023 lief außerdem ein Bürgerforum zum Thema „Virtuelle Welten“

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