Ampel-Koalition will Bürgerräte
Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP will mit zufällig gelosten Bürgerräten die politische Entscheidungsfindung auf Bundesebene verbessern. „Wir werden Bürgerräte zu konkreten Fragestellungen durch den Bundestag einsetzen und organisieren. Dabei werden wir auf gleichberechtigte Teilhabe achten. Eine Befassung des Bundestages mit den Ergebnissen wird sichergestellt“, heißt es in dem am 24. November 2021 vorgestellten Koalitionsvertrag.
Damit scheint sicher, dass der Bundestag einen bestimmten rechtlichen Rahmen für die Durchführung bundesweiter Bürgerräte schaffen wird. Nach mehreren zivilgesellschaftlich organisierten Bürgerräten geht die Organisation bundesweiter Losversammlungen damit auch an den Bundestag über. Zudem werden Bürgerräte damit in Zukunft auch öffentlich und nicht wie bisher durch Stiftungsmittel finanziert.
Zivilgesellschaftlich organisierte Bürgerräte seit 2019
Seit 2019 hatte es zivilgesellschaftlich organisierte Bürgerräte zu den Themen Demokratie, Deutschlands Rolle in der Welt, Klima sowie Bildung und Lernen gegeben. Derzeit führt das Bundesministerium für Bildung und Forschung einen Bürgerrat zur Bürgerbeteiligung in der Forschungspolitik durch. Und für Januar hat das Auswärtige Amt ein „Nationales Bürgerforum zur Zukunft Europas“ angekündigt. Schon vor einer Regelung per Gesetz oder in der Geschäftsordnung des Bundestages gehen von offizieller Stelle damit Bürgerräte aus.
Wichtig für den Durchbruch in Sachen Losdemokratie war insbesondere der Bürgerrat „Deutschlands Rolle in der Welt“. Mehr Demokratie und Es Geht LOS hatten diesen auf Bitten des Ältestenrates des Bundestages organisiert und im Januar und Februar 2021 online durchgeführt. Am 19. März hatte der seinerzeitige Bundestagspräsident Wolfgang Schäube die 32 Empfehlungen des Bürgerrates stellvertretend für das ganze Parlament entgegengenommen.
Bürgerrat als Versuchsballon
Neben der inhaltlichen Befassung mit dem Thema diente der Bürgerrat auch dazu, „zu erforschen, ob ein solches neues Instrumentarium zur Unterstützung der parlamentarischen Arbeit taugt, und ein für die Bedingungen Deutschlands auf Bundesebene geeignetes Format zu entwickeln“, so Schäuble nach der Entscheidung des Ältestenrates.
Die Bundestagsverwaltung hatte den Bürgerrat zur deutschen Außenpolitik hautnah begleitet. Mitarbeiter der Verwaltung waren in allen zehn Online-Sitzungen als stille Beobachter dabei. In einem auf dieser Grundlage formulierten Evaluationsbericht hatte die Parlamentsverwaltung festgestellt, dass sich aus ihrer Sicht mit dem Instrument des Bürgerrates auch Fragen von bundespolitischer Bedeutung in einem diskursiven Format mit Bürgerinnen und Bürgern erörtern und Lösungsvorschläge erarbeiten lassen.
Bürgerräte schaffen einen gemeinsamen Raum für Menschen
In seiner letzten Rede als Bundestagspräsident hatte Wolfgang Schäuble den Bundestag zum Handeln in Sachen Bürgerrat aufgefordert. „Dieser Bundestag wäre gut beraten, sich noch einmal intensiv mit den Vorteilen, aber auch den Grenzen dieser Art von Bürgerbeteiligung zu befassen - zumal Bürgerräte einen Raum schaffen, in dem unterschiedliche Menschen zusammenkommen, einander kennenlernen und sich austauschen müssen. Miteinander. Vereinzelungsorte haben wir genug“, so Schäuble.
Amtsnachfolgerin Bärbel Bas hatte in ihrer Antrittsrede Bezug darauf genommen: „Wer mit Gewinn zuhört, wer versteht, worum es hier in diesem Haus geht, wird auch das Gespräch suchen. Den Austausch mit uns, den gewählten Abgeordneten. Wer merkt, dass wir diesen Austausch ernsthaft wollen, wird sich auf uns einlassen. Wird mitdenken, über politische Entscheidungen mit uns streiten wollen. Und nicht gleich losschreien, dagegenhalten, andere niedermachen.
Bürgerräte ermöglichen Teilhabe
Das brauchen wir: Die Einladung an möglichst viele Menschen, mitzumachen. Wir haben dafür neue Beteiligungsformen: die Bürgerräte sind ein Format, das Teilhabe ermöglicht. So wünsche ich mir die kommende Legislaturperiode im Deutschen Bundestag: offen und lebendig.“
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