14 Bürger-Ideen zur psychischen Gesundheit

19. Dezember 2022
Arantzazulab

In der baskischen Stadt Tolosa hat ein Bürgerrat am 17. Dezember 2022 dem Stadtrat 14 Empfehlungen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit der Bevölkerung überreicht.

Die Losversammlung mit 32 Mitgliedern schlägt so etwa eine inklusive Stadtgestaltung vor. Alle Menschen sollen die Möglichkeit haben, den öffentlichen Raum und seine Ausstattung durch Bänke, Tische etc. zu nutzen und zu genießen. Z.B. sollen Rollstuhlfahrer ihren Müll durch entsprechend gestaltete Abfallbehälter selbständig entsorgen können. Dies verbessere durch ein Gefühl zur Zugehörigkeit zur Stadt ihre seelische Gesundheit.

Studie zu psychischer Gesundheit

Die Stadt soll unter Beteiligung verschiedener Bevölkerungsgruppen eine Studie zur psychischen Gesundheit der Bevölkerung erstellen, aus der notwendige Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitssituation abgeleitet werden sollen. Unter dem Motto „Wir alle haben einen Freiwilligen in uns“ soll die Stadt das bürgerschaftliche Engagement ihrer Einwohner fördern. Vorteil: die freiwillig Engagierten fühlten sich dadurch ebenso besser wie die Empfänger der dadurch entstehenden Leistungen.

Die Bürgerrat-Teilnehmer beklagen, dass es in der Stadt keinen Raum und Gelegenheit für Diskussionen und einen Austausch von Wissen gebe. Deshalb soll die Stadt einen ständigen und für alle Bürger offenen Ort dieser Art schaffen. Außerdem soll die Stadt eine Informationsstelle schaffen, bei der Bürger sich über die städtischen Hilfestellungen und darüber informieren können, wie sie sich in Tolosa engagieren können. Über ein entsprechendes Büro sollen Vereine, Verbände und andere zivilgesellschaftliche Gruppen der Stadt miteinander vernetzt werden.

Günstiger Wohnraum für junge Menschen

Zur Verbesserung der psychischen Gesundheit junger Menschen schlägt der Bürgerrat die Schaffung von mehr günstigem Wohnraum vor. So soll die Vermietung leerstehender Wohnungen erleichtert und vorhandene Flächen mit neuen Wohnungen bebaut werden. Die Häuser sollen gemeinschaftsorientiert sein und nach ökologischen Standards gebaut werden.

Der Bürgerrat möchte auch die „digitale Spaltung“ überwinden und insbesondere ältere Menschen bei der Nutzung digitaler Medien in Bereichen wie Fahrkartenkauf, Verkehr, Bankgeschäfte und kommunale Dienstleistungen unterstützt sehen.

LGBT*IQ-Jugendliche schützen

Da die Selbsttötungsrate unter homosexuellen, bisexuellen, trans*, inter* und queeren Jugendlichen höher ist als unter gleichaltrigen heterosexuellen Menschen, schlägt der Bürgerrat vor, diese Jugendlichen durch Aufklärung von Eltern und Lehrern, aber auch durch die psychologische Betreuung der Betroffenen selbst zu unterstützen. Die LGBT*IQ-Gemeinschaft müsse in der Stadt sichtbar gemacht werden.

Damit auch Einwanderer sich in Tolosa wohlfühlen, wünschen die Bürgerrat-Teilnehmer sich eine Begleitung solcher Menschen in die Stadtgesellschaft und ihre Arbeitswelt. Dies soll u.a. durch eine vergütete Freiwilligenarbeit geschehen. Außerdem soll die Stadt hier mit verschiedenen Sozialverbänden, die sich um Migranten kümmern, zusammenarbeiten.

Öffentliche Räume für Jugendliche

Für Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren vermisst der Bürgerrat öffentliche Räume, in denen diese sich aufhalten und wo sie sich vor allem im Winter treffen können. Deshalb soll diesen jungen Menschen in der Stadt ein selbstverwalteter Raum angeboten werden. Um nicht nur Bars als Aufenthaltsorte zu haben, sollen auch Jugendliche zwischen 18 und 25 Jahren eigene Räume mit einem gastronomischen Angebot bekommen.

Nach Meinung des Bürgerrates erzeugt der Verlust des Kontakts von Menschen zur Natur Unbehagen. Der Kontakt mit der Natur begünstige eine andere Sicht auf das Leben. Dies führt zu eine andere Art von Werten wie z.B. Respekt, Fürsorge, Beschäftigung, Solidarität und Wissen. Deshalb soll die Stadt Gärtnern in der Stadt ebenso fördern wie Picknickplätze, Kontakte zwischen den Generationen in Parks und die Begegnung mit Tieren.

Um ihre Ziele zu erreichen, müsse jede intelligente Regierung die Beteiligung der Bevölkerung fördern und auf diese Weise das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen. Davon profitierten Politiker ebenso wie die Bürger.

Stadt will Empfehlungen umsetzen

Am 25. März 2023 hatte der Rat der Stadt Tolosa auf die Vorschläge des Bürgerrates reagiert. Bürgermeister Olatz Peon und die Ratsmitglieder Joseba Ormazabal, Andu Martinez de Rituerto und Jose Mari Villanueva haben zu jeder Empfehlungen erklärt, was davon bis wann umgesetzt werden soll und wo dafür im städtischen Haushalt Mittel bereitgestellt werden.

So will die Stadt eine Analyse zur psychischen Gesundheit in der Kommune durchführen. Freiwilligenarbeit in diesem Bereich soll unterstützt und das Informations- und Dienstleistungsangebot der Stadt ausgebaut werden. Die Kommune will außerdem Wohnprojekte für junge Menschen fördern. Die Verwaltung will Projekte initiieren, mit deren Hilfe die digitale Kluft in der Stadt verkleinert werden soll.

Suizide verringern

Mit Vorbeugungsmaßnahmen, Sensibilisierungskampagnen, Schulungen und einem Leitfaden soll die Zahl der Selbsttötungen unter LGBT*IQ Jugendlichen verringert werden. Die Stadt will auch Aktionen starten, die den Bewohnern einen besseren Kontakt zu Umwelt und Natur ermöglichen. Weiterhin soll es Projekte zum Schutz der lokalen Ökosysteme geben.

Die Stadt verpflichtet sich darauf, den Bürgerrat-Teilnehmern eine Überwachung der Umsetzung ihrer Empfehlungen zu ermöglichen und sie daran zu beteiligen. Im Oktober 2023 und 2024 wird die Stadtverwaltung über den Stand der Umsetzung der Vorschläge der Losversammlung berichten.

Zusammenarbeit und Einbeziehung der Bürger

„Wir glauben, dass wir auf die komplexen Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, durch Zusammenarbeit und eine Einbeziehung der Bürger in die Politik reagieren müssen“, hatte Bürgermeister Olatz Peon Ormazabal bei der Vorstellung des Bürgerrates im Rahmen einer Pressekonferenz erklärt. Ziel des Verfahrens sei es, die Bürger in die Diskussion über ein wichtiges Problem und eine wichtige Herausforderung einzubeziehen.

Im Stadtrat hatten alle Fraktionen den Bürgerrat unterstützt, der mit Unterstützung des Arantzulab Social Innovation Laboratory und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vorbereitet worden war. In Tolosa soll eine neue Beteiligungskultur verankert werden. „Die Herstellung eines Raums für gemeinsame Beratungen gibt den Bürgern nicht nur eine entscheidende Rolle bei einigen politischen Entscheidungen, die unsere Zukunft prägen werden, sondern trägt auch dazu bei, das Vertrauen der Bürger in die politischen Institutionen zu stärken“, sagte Naiara Goia, Geschäftsführerin von Arantzazulab.

2.400 zufällig geloste Einwohner der Stadt hatten eine Einladung zum Bürgerrat erhalten. Unter denjenigen, die sich für eine Teilnahme beworben hatten, wurde eine zweite Auslosung durchgeführt, um die endgültige Teilnehmergruppe zu bilden.

Handlungsempfehlungen für Behörden

Die Losversammlung hat über die psychische Gesundheit der Einwohner der Stadt debattiert und Handlungsempfehlungen für die städtischen Behörden entwickeln. Die Teilnehmer sollten dabei folgende Frage beantworten: Was kann die Stadt Tolosa im Hinblick auf die kommunale Zusammenarbeit tun, um ein Tolosa zu erreichen, das die Gesundheit und das emotionale Wohlbefinden aller verbessert?

Psychische Gesundheit umfasst dabei emotionales, psychologisches und soziales Wohlbefinden. Die Bürgerrat-Teilnehmer haben dazu Informationen von Expertinnen und Experten erhalten.

Der Bürgerrat hat sich fünfmal getroffen. Die Teilnehmer hatten sich verpflichtet, an allen Sitzungen teilzunehmen, die immer samstags stattfanden. Die Sitzungen fanden am 22. Oktober, 5. November, 19. November, 3. Dezember und 17. Dezember von 9 bis 18 Uhr statt. Für ihre Teilnahme haben die Bürgerrat-Mitglieder eine Aufwandsentschädigung von 444 Euro erhalten. Seit dem 15. Dezember 2022 wurde der Bürgerrat durch einen Kinderrat mit 40 zufällig gelosten Kindern ergänzt.

Zweiter Bürgerrat zu psychischer Gesundheit

Der Bürgerrat in Tolosa war der zweite zum Thema psychische Gesundheit in Spanien. In der autonomen Gemeinschaft Valencia hatte eine geloste Bürgerversammlung im März und April 2022 Empfehlungen dazu, aber auch zu den Themen Drogenabhängigkeit und Suchtverhalten entwickelt.

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