Rot-Grün in Niedersachsen will Bürgerräte

02. November 2022
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN LV Niedersachsen

In Niedersachsen soll es auf Landesebene in Zukunft zufällig geloste Bürgerräte geben. Das haben SPD und Grüne in ihrem am 2. November 2022 vorgestellten Koalitionsvertrag vereinbart. Wörtlich heißt es dort: „Zur Stärkung der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an politischen Prozessen schaffen wir die Möglichkeit, zu ausgewählten Themen Bürgerräte einzurichten."

Diese Ankündigung ist insofern bemerkenswert, dass weder SPD, noch Grüne dieses Thema in ihren Programmen zur Landtagswahl am 9. Oktober 2022 erwähnt hatten. Dass Bürgerräte nun trotzdem im Koalitionsvertrag auftauchen, ist wohl insbesondere den Bemühungen des Vereins „Mehr Demokratie“ zu verdanken.

Bürgerräte in fünf weiteren Koalitionsverträgen

Niedersachsen ist das sechste Bundesland, in dem Bürgerräte im Koalitionsvertrag einer aktuellen Landesregierung stehen. Erwähnung findet dieses Thema bereits in Koalitionsvereinbarungen in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen.

In Baden-Württemberg wollen Grüne und CDU die Landes- und Kommunalpolitik für eine breite Anwendung von Losverfahren öffnen. In ihrem 2021 vereinbarten Koalitionsvertrag haben beide Parteien entsprechende Reformen angekündigt.

Bürgerforen in Baden-Württemberg

Zu wichtigen Gesetzentwürfen soll es „Bürgerforen mit Zufallsbürgern“ geben. In der Landesverfassung sollen „Brücken geschlagen werden zwischen direkter Demokratie und dialogischer Bürgerbeteiligung - und damit zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und den Abgeordneten“. Grüne und CDU wollen so etwa den Volksantrag erweitern. Bisher kann durch einen solchen Antrag erreicht werden, dass sich das Parlament mit einem Thema befasst. Durch die Erweiterung soll zunächst ein Bürgerforum mit zufällig gelosten Bürgern beim Landtag möglich werden. Dieser soll die Vorschläge übernehmen, anpassen oder ablehnen können.

Auf Gemeindeebene soll die Beteiligung zufällig geloster Bürger an kommunalpolitischen Entscheidungen vor Bürgerentscheiden stehen. Dies könne Polarisierungen abmildern und das gegenseitige Zuhören fördern. Auch bei der Aufstellung von Bebauungsplänen sollen zufällig ausgeloste Bürgerinnen und Bürger mitreden können.

Bürgerräte in Rheinland-Pfalz

Fast zeitgleich hatte sich die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen in Rheinland-Pfalz auf die Erprobung von Bürgerräten bei Planungs- und Veränderungsprozessen geeinigt.

Auch in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein soll es bald Bürgerräte auf Landesebene geben. „Um unterschiedliche Perspektiven in politische Entscheidungsprozesse einbeziehen zu können, werden wir zu ausgewählten Themen zwei Bürgerräte, die die Gesellschaft repräsentativ abbilden, einsetzen und dieses Instrument auf Landesebene erproben“, heißt es so in der Vereinbarung von CDU und Grünen in NRW. Für die Organisation und Durchführung der Bürgerräte werde man die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen.

Bürgerbeteiligung mit Bürgerrat überprüfen

„Wir verankern Bürgerräte gesetzlich auf Gemeindeebene und auf Landesebene“, liest man kurz und knapp bei CDU und Grünen im nördlichsten Bundesland.

In Thüringen sind Linke, SPD und Grüne der Meinung, dass die bestehenden Instrumente der Bürgerbeteiligung überprüft werden müssen. Manche der bisherigen Instrumente erreichten nicht die angestrebten Ziele wirksamer Beteiligung und direkter Demokratie. Deshalb sollen bei der Überprüfung Bürgerinnen und Bürger per Bürgerrat direkt miteinbezogen werden.

Praxis in mehreren Bundesländern

Unabhängig von Koalitionsverträgen hatte es in den vergangenen Jahren in eingen Bundesländern bereits landesweite Bürgerräte gegeben. So gab es Losversammlungen zur Corona-Pandemie in Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen, zum Klimawandel in Berlin und wiederum in Baden-Württemberg zur Altersversorgung der Abgeordneten. Dort findet derzeit auch ein Bürgerforum zur "kristenfesten Gesellschaft" statt. In Baden-Württemberg ist zudem ein weiteres Bürgerforum zum Nationalpark Schwarzwald geplant.

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