Zehn Empfehlungen für die Zukunft Europas

Europaparlament / Brigitte Hase

Das Auswärtige Amt hat am 15. und 16. Januar 2022 ein zufällig gelostes "Nationales Bürgerforum" veranstaltet. Dort konnten Bürgerinnen und Bürger ihre eigenen Ideen zur Zukunft Europas aktiv einbringen: Wie kann die EU ihre gemeinsamen demokratischen Werte schützen und Rechtsstaatlichkeit stärken? Wie kann der Übergang zu einer nachhaltigen und digitalisierten Wirtschaft und Gesellschaft gelingen? Welche Rolle sollte die EU in der Welt spielen?

Ziel dieses Bürgerforums war es, gemeinsam Handlungsempfehlungen zu erarbeitet und damit einen konkreten Beitrag zur fortlaufenden "Konferenz zur Zukunft Europas" zu leisten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Forums haben zehn Empfehlungen beschlossen. Darunter der Vorschlag, dass die EU ein Investitionspaket zu klimafreundlichen Technologien und Innovationen mit Förderprogramm initiiert. Das Paket soll durch Klimaeinfuhrzölle finanziert werden, die zweckgebunden und als monetärer Gegenwert des Klimaschadens gegenfinanziert und weitergereicht werden. Dazu soll ein Nachhaltigkeitspunktesystem für bestimmte Produkte eingeführt werden.

Kampagne für nachhaltigen Konsum

Das Bürgerforum empfiehlt außerdem eine EU-Kampagne für nachhaltigen Konsum und Lebensstil. Die Kampagne soll ein europäisches Gremium mit Zweigstellen in den EU-Ländern führen, dass dazu mit eigenen Mitteln ausgestattet wird. Alle Menschen in der EU sollen dadurch eine gemeinsame Identität und ein Bewusstsein für einen nachhaltigen Konsum und Lebensstil bekommen.

Für Unternehmen, die ihren Produktionsstandort in die EU verlegen und/oder dort aufbauen, sollen die Genehmigungsverfahren beschleunigt und zu vereinheitlicht, der bürokratische Aufwand gesenkt und Subventionen angeboten werden, um die Produktion von Grundversorgungsgütern in der EU zu ermöglichen. Die EU sollte erneuerbare Energien massiv fördern, damit die Energiekosten reduziert werden. Damit soll erreicht werden, dass Lieferketten verkürzt und klimafreundlicher werden, die EU gestärkt wird und Arbeitsplätze geschaffen werden, an denen die Menschenrechte geachtet werden.

Das Bürgerforum schlägt weiterhin vor, dass der EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte dem Europäischen Parlament einen Vorschlag für die Einführung eines berufsgruppenspezifischen Grundlohns in allen Mitgliedstaaten vorlegt. Dieser Grundlohn sollte sich aus einem existenzsichernden Mindestlohn sowie einem berufsgruppenspezifischen Aufschlag zusammensetzen.

Punktesystem für Digitalisierung

Für eine starke digitale Gesamtwirtschaft empfiehlt das Bürgerforum eines öffentlich einsehbaren Punktesystems, genannt Digi-Score. Mit diesem Bewertungssystem soll der aktuelle Grad der Digitalisierung von Unternehmen angezeigt und vergleichbar gemacht werden. Durch die Veröffentlichung sollen mehr Anreize für Digitalisierung geschaffen werden. Unternehmen mit einem niedrigen Digi-Score sollen gezielt Förderungen zur Verfügung gestellt werden, damit sie zu anderen Unternehmen aufschließen können.

Europäische Werte sollen stärker erlebbar sein und emotional kommuniziert werden. Dazu empfiehlt das Bürgerforum ein „onboarding“ Paket, Medien, interaktive Elemente und mehr Einbindung der Bürgerinnen und Bürger. Die EU soll ein eigenes Bildungs- und Informationsfernsehprogramm einrichtet, um das Bewusstsein aller EU-Bürgerinnen und -Bürger für unsere gemeinsamen Werte zu schärfen. Jeder in der EU lebende Mensch soll um die gemeinsamen Werte wissen und sich damit identifizieren können.

Zum Austausch von Schülerinnen und Schülern in der EU wünscht sich das Bürgerforum zusätzlich zum bereits bestehenden ERASMUS Programm, eine Verordnung zu einem Austauschprogramm für Schüler von 14 - 25 Jahren, unabhängig von Herkunft, Geschlecht und Bildungsgrad. Damit sollen unabhängig von Bildungsgrad und Finanzierung durch die Eltern alle Schüler die Möglichkeit erhalten, sich in ganz Europa auszutauschen.

Konferenz zur Zukunft Europas

Die ‚Konferenz zur Zukunft Europas‘ war eine Initiative der Europäischen Union. Diese verfolgte das Ziel, in einen intensiven Dialog mit den europäischen Bürgerinnen und Bürgern über die künftige Entwicklung der EU zu treten. Alle Ideen, die bei den zahlreichen nationalen und europäischen Dialogformaten entstanden oder auch individuell formuliert wurden, wurden auf einer zentralen digitalen Plattform zusammengeführt.

Auch die konkreten Empfehlungen aus den "Nationalen Bürgerforen" (neben Deutschland u.a. in Frankreich und Belgien) sowie aus "Europäischen Bürgerforen" wurden dort eingestellt. Alle Vorschläge wurden anschließend in einer Plenarversammlung mit Vertretern von Zivilgesellschaft, nationalen Parlamenten, Mitgliedstaaten und EU-Institutionen sowie mit Bürgerinnen und Bürgern und diskutiert. Die Bundesregierung war vertreten durch den Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, und die Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium Claudia Dörr-Voß.

100 zufällig geloste Bürger

Insgesamt 100 per Zufallsverfahren ausgewählte Bürgerinnen und Bürger waren eingeladen, an dem "Nationalen Bürgerforum" teilzunehmen. Hierzu fanden am 8. Januar 2022 zunächst vier digitale Diskussionsrunden mit jeweils 25 Teilnehmenden statt. Am 15. und 16. Januar 2022 folgte dann pandemiebedingt eine zweitägige Online-Konferenz mit allen 100 Teilnehmenden.

Die Empfehlungen des Bürgerforums wurden am 16. Januar 2022 in einem virtuellen Abschlussplenum in Anwesenheit von Außenministerin Annalena Baerbock und Staatsministerin für Europa und Klima, Anna Lührmann, übergeben. Die Ergebnisse des Bürgerforums wurden am 21./22. Januar 2022 durch Stephanie Hartung von ‚Pulse of Europe‘, nationale Bürgervertreterin bei der EU-Zukunftskonferenz, im großen Plenum präsentiert und mit den insgesamt 433 Vertreterinnen und Vertretern aus allen 27 EU-Mitgliedstaaten diskutiert.

Was ist mit den Ergebnissen passiert?

Vom 7. bis 9. April 2022 fand die sechste Plenarsitzung der Konferenz zur Zukunft Europas im Europäischen Parlament in Straßburg statt, um die Berichte der neun thematischen Arbeitsgruppen zu erörtern, die diese am 8. und 9. April dem Plenum vorgestellt haben. Die Berichte der einzelnen Arbeitsgruppen berücksichtigen die meisten der 178 Empfehlungen, die von den europäischen Bürgerforen, einige der nationalen Bürgerpanels und einige über die digitale Plattform abgegeben wurden.

Jeder Bericht umfasst etwa fünf Seiten und bis zu sieben Ziele (oder Vorschläge) und zwischen 16 ("Migration") und 61 ("Beschäftigung, soziale Gerechtigkeit und Arbeitsplätze") Maßnahmen, insgesamt etwa 350 Maßnahmen. Gemäß den Artikeln 17 und 18 der Gemeinsamen Erklärung der Konferenz wurde ein Entwurf des Abschlussberichts am 29. und 30. April 2022 auf der letzten Plenarsitzung zur Diskussion gestellt. Er erhielt die Zustimmung des Konferenzplenums.

Abschlussbericht

Im Lichte dieser Debatte hat der Exekutivausschuss seinen Abschlussbericht für die Präsidenten des Europäischen Parlaments, des Rates der EU und der Europäischen Kommission erstellt, die sich am 9. Mai 2022 in Straßburg mit den 800 Mitgliedern der Europäischen Bürgerforen und den Mitgliedern des Plenums getroffen haben.

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