Psychische Gesundheit Jugendlicher im Fokus

24. November 2023
Dimitri Brooks

Am 23. November 2023 hat der zufällig geloste Zukunftsrat U24 für die Schweiz 18 Empfehlungen für mehr Vorbeugung vor psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen vorgestellt.

Die 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Zukunftsrates zwischen 16 und 24 Jahren fordern Politik, Verwaltung und Gesellschaft dazu auf, mehr für die psychische Gesundheit der jungen Bevölkerung in den Bereichen Vorbeugung, Ausbildung, am Arbeitsplatz und bei der Online-Regulierung zu unternehmen.

37 Prozent der Schweizer Jugendlichen betroffen

Psychische Erkrankungen sind ein globales Phänomen, das jeden vierten Menschen im Laufe seines Lebens betrifft. In einer von UNICEF Schweiz und Liechtenstein durchgeführten Studie gaben 37 Prozent der befragten Schweizer Jugendlichen an, von psychischen Problemen betroffen zu sein. Einer von fünf jungen Menschen mit Anzeichen einer Angststörung und/oder Depression hat sogar bereits versucht, sich das Leben zu nehmen. Etwa ein Drittel der Befragten spricht mit niemandem über seine mentalen Belastungen.

Der Zukunftsrat U24 kritisiert, dass das nationale Gesundheitssystem nicht auf Prävention ausgerichtet sei. Knapp zwei Prozent der Gesundheitsausgaben würden in diesen Bereich fließen. Mit den Handlungsempfehlungen fordern die jungen Menschen dazu auf, ein nationales Präventionsgesetz zur Vorbeugung psychischer Erkrankungen als gesetzliche Grundlage zu bestimmen.

Regulierung von sozialen Medien

Ebenfalls wird eine nationale gesetzliche Verankerung für die Regulierung von Social-Media-Plattformen gefordert. So sollen unter anderem digitale Angebote in die Pflicht genommen werden, Alterskontrollen einzuhalten und jugendfreundliche Versionen von Angeboten anzubieten. Die fortschreitende Digitalisierung sei eine mögliche Ursache für psychische Probleme.

An Grund- und weiterführenden Schulen empfiehlt der Rat die Einführung des Faches „Psychologie und Persönlichkeitsentwicklung“. Damit solle die Psyche von Kindern und Jugendlichen anpassungsfähiger gemacht werden.

Diskriminierungsschutz in der Arbeitswelt

Die Handlungsempfehlungen sehen außerdem Veränderungen in der Arbeitswelt vor. Eine bessere Regelung von Verfügbarkeiten außerhalb der Arbeitszeiten und ein stärkerer Diskriminierungsschutz für betroffene psychischer Krankheiten sollen Stress reduzieren und die Gefahr einer seelischen Erkrankung minimieren. Diskutiert, aber verworfen worden sei die Einführung einer Vier-Tage-Woche.

Die Empfehlungen des Zukunftsrates U24 stützen sich auf drei zweitägige Sitzungen in den drei Sprachregionen der Schweiz. Am Verfahren waren mehr als 40 Expertinnen und Experten sowie Interessenvertreter aus Forschung, Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft beteiligt. Überwacht wurde der Zukunftsrat von unabhängigen Gremien.

Junge Menschen ernst nehmen“

„Wir müssen junge Menschen und ihre Bedürfnisse ernst nehmen, denn sie sind Expertinnen und Experten ihrer eigenen Lebenswelt. Der Zukunftsrat sendet den jungen Menschen das klare Signal, dass sie Teil der Lösung sind und von ihnen wichtige Impulse zur Stärkung der psychischen Gesundheit ausgehen“, so Bettina Junker, Geschäftsleiterin UNICEF Schweiz und Liechtenstein.

Der Zukunftsrat U24 beschäftigt sich mit einem von Jugendlichen und jungen Erwachsenen bestimmten Problem, was aus ihrer Sicht besonders dringlich und für ihre zukünftige Lebensrealität relevant erscheint. Zu diesem Problem- bzw. Themenfeld werden anhand einer konkreten Fragestellung konkrete Vorschläge erarbeitet, um die Zukunft so aktiv mitgestalten zu können. Die durch das Verfahren des Zukunftsrates erarbeiteten Empfehlungen werden dann Verwaltung und Politik mit konkreten Handlungsvorschlägen übergeben.

Die Projektträgerschaft besteht aus der schweizerischen UNESCO-Kommission und der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG). Für die Projekt-Umsetzung ist Pro Futuris zuständig, der Think + Do-Tank der SGG.

Abbild der jungen Bevölkerung

Die 80 Mitglieder des Zukunftsrates waren zwischen Juni und August 2023 anhand eines mehrstufigen Losverfahrens zufällig ausgewählt worden. Die Zusammensetzung bildet die junge Bevölkerung in der Schweiz annähernd ab in Bezug auf Alter, Geschlecht, Sprache, Großregion, Staatsbürgerschaft, Bildungsniveau, politische Einstellung, Stadt-Land-Verteilung und Behinderung.

"Wir erreichen mit dem Zukunftsrat junge Personen, die sonst nicht politisch aktiv sind", betont Co-Projektleiterin Lara Oliveira König. "Den Unterschied macht das Losverfahren, mit dem wir junge Menschen erreicht haben, die sich nicht von Jugendparlamenten oder -sessionen angesprochen fühlen."

Themenumfrage vor Zukunftsrat

Vor Beginn des Zukunftsrates zur psychischen Gesundheit hatte eine Umfrage unter 800 Personen eine Übersicht dazu geliefert, welche Themen jungen Menschen unter den Nägeln brennen. Dabei hatten sich fünf Themen herauskristallisiert: Bildung für Chancengerechtigkeit, sozial tragbare Nachhaltigkeit, psychische Gesundheit, Migration und Zusammenhalt sowie demokratische Mitgestaltung. Anschließend wurden 20.000 Jugendliche nach ihren Favoriten gefragt, knapp 5.000 hatten geantwortet. Resultat: Rund 40 Prozent erachteten die psychische Gesundheit als wichtigstes Thema.

Teilnehmerin Milena zeigte sich in einem Interview vom Zukunftsrat angetan: „Bei den Zukunftsrat-Anlässen sah ich, wie andere junge Menschen im Plenum das Wort ergriffen und für ihre Meinung einstanden. Das hat mich beeindruckt und mir Mut gemacht! Selbst hatte ich anfänglich ja noch Angst davor, öffentlich zu reden. Auch weil ich noch jung bin. Ich dachte: 'Mir hört ja eh niemand zu'.

Ich möchte mich auch künftig politisch engagieren“

Beim zweiten Zukunftsrat-Wochenende habe ich mich offen geäußert und mitdiskutiert. Ich merkte schnell, dass das voll mein Ding ist - mir liegt etwas an der Politik! Ich möchte das nun weiterführen, und mich auch künftig politisch engagieren. Denn ich will Dinge verändern können, auch als junge Person. Ich weiß noch nicht wie, aber ich werde einen Weg finden.“

Am 18. Januar 2024 wurden die Handlungsempfehlungen des Zukunftsrates zum Thema "Psychische Gesundheit" ausführlich der Öffentlichkeit vorgestellt und an Vertreter aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft übergeben.
 

Mehr Informationen: Zukunftsrat U24