Geloster Bürgerbeirat diskutierte Gesundheitsfragen

18. Juli 2022

Hausärztliche Versorgung, Bewegung und Ernährung und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen - zu diesen drei Themen haben sich 28 zufällig geloste Bewohnerinnen und Bewohner des Landkreises Dachau von Oktober 2021 bis Juli 2022 Gedanken gemacht. Ihre Empfehlungen an die Politik haben Mitglieder des "Bürgerbeirats Gesundheit" am 14. Juli 2022 an den Bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek, Landrat Stefan Löwl und den Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath (alle CSU) übergeben.

Ein Kritikpunkt des Bürgerbeirates ist die aus seiner Sicht ungenügende hausärztliche Versorgung. Dazu empfehlen die Beiratsteilnehmer den Ausbau von Telemedizin oder den Einsatz von sogenannten E-Nurses, also Krankenschwestern, die im Landkreis unterwegs sind und in ihren Laptop eintragen, was der Arzt an Informationen über den Patienten benötigt. So könnten Menschen, die die teils weiten Wege in eine Praxis nicht mehr auf sich nehmen könnten, dennoch betreut werden. Zudem empfiehlt der Beirat den Ausbau der digitalen Infrastruktur, etwa um Befunde leichter austauschen oder vermehrt digitale Sprechstunden anbieten zu können.

Förderung von Gemeinschaftspraxen

Darüber hinaus sei die Förderung kooperativer Praxisformen notwendig, etwa von Gemeinschaftspraxen. Zudem brauche es eine Koordinationsstelle für Fahrdienste. Denn es müsse trotz digitaler Angebote Ziel sein, dass "der Patient zum Arzt kommt und nicht der Arzt zum Patienten". Damit sich in Zukunft überhaupt noch Ärzte im ländlichen Raum niederlassen, schlägt der Beirat vor, Anreize für Medizinstudentinnen- und -studenten zu schaffen.

Zwei Themenfelder, mit denen sich die Beiratsteilnehmer bei monatlichen Treffen beschäftigt haben, sind Bewegung, vor allem aber Ernährung: Um die Bewegungsfreude in allen Altersgruppen zu fördern, brauche es einen Radweg- und Fußwegausbau. Zudem seien "rechtlich verbindliche Vorgaben" für die altersgerechte Ernährung in Altenheimen nötig, sowie mehr Möglichkeiten für die Senioren, sich zu betätigen. Mit Nutzgärten an Schulen und regelmäßigen Ernährungsberatungen sollen auch Kinder und Jugendliche für gesünderes Essen begeistert werden.

"Kein einziger Kinder- und Jugendpsychiater"

Beim Thema psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen beklagte der Bürgerbeirat, dass es im gesamten Landkreis keinen einzigen Kinder- und Jugendpsychiater gebe. Um ein möglichst niederschwelliges Angebot zu ermöglichen, bedürfe es der verstärkten Vernetzung der verschiedenen Institutionen, ebenso wie Inklusion an Schulen, um gegen Mobbing vorzugehen und flächendeckend Schulpädagogen und -psychologen.

Der Bürgerbeauftragte der bayerischen Staatsregierung, Michael Hofmann versicherte, man werde sorgsam mit dem entgegengebrachten Vertrauen umgehen. Auch deshalb werde man erst die jetzigen Empfehlungen auswerten, dazu Rückmeldung und einen Leitfaden für weitere Projekte dieser Arbeit erarbeiten, bevor man den Bürgerbeirat wieder an die Arbeit schicke.

Projekt von Gesundheitsminister und Bürgerbeauftragtem

Das Projekt „Bürgerbeteiligung im Gesundheitsbereich“ hatten Gesundheitsminister Holetschek und der Bürgerbeauftragte Michael Hofmann, gemeinsam initiiert. Das Projekt wurde mit 310.000 Euro gefördert.

Die Mitglied des Bürgerbeirats wurden per Zufallsauswahl aus den Einwohnermelderegistern ausgelost. Dieses Verfahren hat dafür gesorgt, dass die Zusammensetzung des Bürgerbeirats so vielfältig und bunt ist, wie die Bevölkerung im Landkreis Dachau.

Nutzung von Praxiswissen

Durch die Zufallsauswahl wurde das Praxiswissen derjenigen, die zum Beispiel als Patientinnen und Patienten, als Angehörige oder als Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, direkt für Verbesserungen und innovative Ideen genutzt. Diese Perspektive ist im Gesundheitsbereich bislang noch sehr wenig vertreten. Die Mitglieder des Bürgerbeirats waren keine Gesundheitsfachleute. Ganz bewusst konnten Menschen Erfahrungen aus ihrem Alltag einbringen und können so die Expertensicht ergänzen.

Der Bürgerbeirat Gesundheit ist von Oktober 2021 bis Juni 2022 einmal monatlich zusammengetreten. Die insgesamt elf Sitzungen fanden abwechselnd digital und in Präsenz statt. Für jedes Einzelthema waren zwei bis drei Sitzungen vorgesehen.

Bürgerbeteiligung bei Themenfindung

Der Bürgerbeirat Gesundheit hat sich vor allem mit den Themenbereichen der ärztlichen Versorgung und der Pflege im Landkreis Dachau befasst. Welche Schwerpunkte dabei gesetzt wurden, haben in einem ersten Schritt die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Dachau entschieden. Dazu gab es verschiedene Beteiligungsmöglichkeiten: In einer Infoveranstaltung für Interessierte und Akteure des Landkreises konnten dazu erste Vorschläge gemacht werden. Auf dieser Grundlage fand im Sommer 2021 eine für alle Bürgerinnen und Bürger offene Online-Befragung statt. Unter Berücksichtigung der Befragungsergebnisse haben die Bürgerbeiräte die Entscheidung über die Themen gefällt.

Eine Ausnahme gab es nur zum Start: Damit der Bürgerbeirat auch gleich gut ins Arbeiten kommt, war das erste Thema schon festgelegt: Die Hausärztliche Versorgung. Sie wurde in allen Vorgesprächen als sehr relevant genannt.

Vorwissen nicht notwendig

Um am Bürgerbeirat Gesundheit teilnehmen zu können, brauchte man kein Vorwissen. Um Empfehlungen abgeben zu können, war aber eine gute Informationsgrundlage notwendig. Diese wurde in den Sitzungen des Bürgerbeirats Gesundheit vermittelt. Dies geschah etwa durch einen einführenden Vortrag einer Expertin oder eines Experten, oder über ein Video, das anschaulich erklärt, oder auch im Rahmen einer Begehung. Es wurde auf jeden Fall dafür gesorgt, dass die Informationen allgemeinverständlich und nicht einseitig sind.

Mehr Informationen: Bürgerbeirat Gesundheitsregion PLUS Dachau