Abgeordnete und Geloste in einem Boot

03. Februar 2023
Ssolbergj / Wikimedia

Seit dem 2. Februar 2023 können im Parlament der Wallonischen Region in Belgien so genannte „Deliberativer Ausschüsse“ gebildet werden. Auf Initiative von Bürgern oder Parlament können 30 zufällig geloste Einwohner darin zusammen mit zehn gewählten Parlamentsabgeordneten Empfehlungen für Entscheidungen des Regionalparlaments entwickeln.

Angesichts der Vorwürfe, die gegenüber den politischen Institutionen erhoben werden, "müssen wir die Verbindung zu den Bürgern wiederherstellen. Diese gemeinsame Arbeit wird uns dabei helfen", sagte Parlamentspräsident André Frédéric bei der Vorstellung der Plattform für die Einrichtung der Ausschüsse und der Medienkampagne zu ihrer Bekanntmachung. "Das Ziel ist es, die Fenster zu öffnen, Sauerstoff einzubringen und Ideen umzusetzen“, ergänzte Olivier Maroy (Mouvement Réformateur).

Initiative auf Papier oder online

Eine Initiative zur Einrichtung eines Deliberativen Ausschusses kann in Papierform oder über die Internetseite des Parlaments eingebracht werden. Um zulässig zu sein, muss die Initiative

  • von mindestens 2.000 Personen unterzeichnet sein, die ihren Wohnsitz in der Wallonischen Region haben und mindestens 16 Jahre alt sind
  • einen Wortlaut oder ein Thema haben, das nicht offensichtlich grob oder beleidigend ist oder im Widerspruch zu den Menschenrechten und Grundfreiheiten steht, die durch Titel II der Verfassung und durch die von Belgien ratifizierten internationalen Verträge garantiert werden
  • unter die Zuständigkeit der Wallonischen Region oder eine von der Französischen Gemeinschaft übertragene Zuständigkeit fallen
  • die internationalen und supra-nationalen Verpflichtungen Belgiens einhalten
  • eher die Form eines oder mehrerer Vorschläge haben, die es ermöglichen, eine bestimmte Problematik von öffentlichem Interesse zu erörtern, als die Form einer oder mehrerer geschlossener Fragen.

Fristen

Für die Sammlung der Unterschriften haben die Initianten sechs Monate Zeit. Auf deren Antrag kann die Frist verkürzt werden. Das Parlament entscheidet binnen zwei Monaten nach Ablauf der Frist, ob es sich mit der Initiative befasst. Die begründete Entscheidung dazu wird den Initianten der Initiative mitgeteilt.

Auf der Internetseite des Parlaments findet sich eine Übersicht der Initiativen. Dort ist auch deren aktueller Status nachzulesen. wird ihr Status bis zur Entscheidung des Plenums erwähnt.

Ausschussbildung

Wird eine Initiative angenommen, bildet die Konferenz der Präsidenten den deliberativen Ausschuss, der sich mit der Initiative befasst. Innerhalb von neun Monaten vor Parlamentswahlen darf kein deliberativer Ausschuss gebildet werden.

Für die Bildung eines Deliberativen Ausschusses werden in einem ersten Schritt 3.000 Bürger per Los ausgewählt. Anschließend erfolgt eine zweite Ziehung unter den Bürgern, die ihr Interesse bekundet haben, da die Teilnahme an diesen Ausschüssen immer freiwillig ist. Letztendlich wird eine Gruppe von 30 Personen zusammengestellt, die ein möglichst ausgewogenes Verhältnis von Geschlecht, Alter, geografischer Verteilung und Bildungsniveau gewährleistet.

Aufwandsentschädigung

Die gelosten Ausschuss-Teilnehmer erhalten für jede Sitzung zusätzlich zur Erstattung der Reisekosten eine Aufwandsentschädigung von 217 Euro. Ein Begleitausschuss aus vier Beteiligungsexperten wird insbesondere die Auslosung organisieren und die Durchführung der Ausschuss-Debatten begleiten.

Nach Abschluss der Diskussionen wird von zwei Abgeordneten und zwei Bürgern ein Berichtsentwurf erstellt. Er wird eine Zusammenfassung der Diskussionen, Vorschläge für Empfehlungen und die Abstimmungsergebnisse enthalten. Dabei ist für jeden Vorschlag eine doppelte Abstimmung - geheim für die Bürger und öffentlich für die Abgeordneten – vorgesehen..

Umsetzung der Empfehlungen

Die auf die Empfehlungen folgenden Maßnahmen werden schließlich innerhalb von sechs Monaten nach Vorlage des Berichts im Parlamentsausschuss und anschließend im Plenum diskutiert.

Mit dem neuen Instrument der Deliberativen Ausschüsse folgt die Wallonische Region dem Vorbild der Region Brüssel-Hauptstadt, in der solche Ausschüsse bereits 2019 beschlossen wurden. Seitdem haben Deliberative Ausschüsse dort Vorschläge zu fünf Themen erarbeitet: Biologische Vielfalt, die Rolle der Brüsseler Bürger in Krisenzeiten, Einführung des Mobilfunkstandards 5G, Duale Ausbildung und Obdachlosigkeit.

„Ein unglaubliches Instrument“

Magali Plovie, Präsidentin des französischsprachigen Parlaments der Region Brüssel-Hauptstadt und Erfinderin dieses Demokratie-Instruments, nennt die Deliberativen Ausschüsse „ein unglaubliches Instrument“.

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