"Alles kommuniziert, auch das Schweigen"

05. April 2022
Convenció ciutadana sobre la salut mental

Was nicht gesagt wird, existiert nicht, und was nicht kommuniziert wird, sagt mehr als Worte. "Alles kommuniziert, auch das Schweigen", lautet ein Leitsatz in den Empfehlungen des Bürgerrates zur psychischen Gesundheit in der autonomen spanischen Gemeinschaft Valencia. Damit wollten die Teilnehmer deutlich machen, dass über seelische Erkrankungen mehr geredet werden müsse. „Wie sollten psychische Gesundheit, Drogenabhängigkeit und Suchtverhalten in der Autonomen Gemeinschaft Valencia behandelt werden?“ So lautete die Frage, auf die der Bürgerrat vom 5. März bis zum 2. April 2022 in vier Sitzungen Antworten gesucht hat.

Die Bürgerrat-Teilnehmer zeigten sich besorgt darüber, dass die psychische Gesundheit in all ihren Aspekten eine unsichtbare Realität ist. Die ausgemachten Defizite reichen von der Erziehung bis hin zum Fehlen von Erstdiagnosen für psychische Erkrankungen sowie dem Personalmangel und dem Mangel an verfügbaren Mitteln im öffentlichen Gesundheitssystem. Die Corona-Pandemie hat nach Meinung der Bürgerrat-Teilnehmer gezeigt, dass die psychische Gesundheit ein Problem ist, über das nicht geredet worden sei.

Empfehlungen Grundlage für Aktionsplan

Die letzte Bürgerrat-Sitzung endete mit der Formulierung von sieben Leitlinien und etwa 20 Empfehlungen, die als Grundlage für einen Aktionsplan dienen sollen. Die 70 zufällig gelosten Teilnehmer des Bürgerrates hatten in ihren Sitzungen Expertinnen und Experten für psychische Gesundheit angehört und über deren Input diskutiert. Auf dieser Basis ist ein von einem breiten Konsens geprägtes Bürgergutachten entstanden. Alle Vorschläge erhielten mindestens 60 Prozent der Stimmen.

Der Bürgerrat schlägt so etwa vor, eine Studie über psychische Gesundheitsprobleme, Drogenabhängigkeit und Suchtverhalten zu erstellen und die für Vorbeugung und Pflege in jedem Gesundheitsbereich vorhandenen Mittel zu ermitteln. "Wir empfehlen dies, weil sich die Probleme der psychischen Gesundheit mit der Gesellschaft weiterentwickelt und verändert haben und weil es in den verschiedenen Gebieten Ungleichgewichte bei der Infrastruktur und den Ressourcen gibt", betonen die Teilnehmer.

Bewusstsein für psychische Erkrankungen schärfen

Der Bürgerrat empfiehlt auch, dass die Regierung das Bewusstsein für psychische Probleme, Suchtverhalten und Drogenabhängigkeit durch Informations- und Sensibilisierungskampagnen in den Massenmedien schärft. „Wir empfehlen dies, weil wir der Meinung sind, dass es ein Problem der Unwissenheit über psychische Probleme und eine daraus resultierende soziale Ablehnung gibt, und darüber, wohin man sich im Bedarfsfall wenden kann", heißt es im Bürgergutachten. Gefordert wird zudem eine gute Zugänglichkeit dieser Informationen. Über die Medien soll dem Thema Sichtbarkeit verschafft werden.

Die Bürgerrat-Teilnehmer wünschen sich auch einen Plan zur Aufstockung bzw. Umverteilung der vorhandenen Mittel und eine Überprüfung dieses Plans alle vier Jahre, um ihn an den Bedarf anzupassen. Bei den Empfehlungen zu materiellen und personellen Ressourcen legten die Teilnehmer besonderen Wert auf die Ausbildung des Personals, das bereits im Gesundheits- und Bildungswesen tätig ist, sowie auf eine Verteilung der Ressourcen, die nicht auf Quoten, sondern auf den tatsächlichen Bedürfnissen der Bevölkerungsgebiete beruhen sollen. Eine weitere Empfehlung betrifft die Vorbeugung am Arbeitsplatz u.a. durch betriebliche Risikopläne.

Empfehlungen werden geprüft

Die Bürgerrat-Empfehlungen wurden nach Themen sortiert und von Fachleuten, Menschen mit psychischen Erkrankungen und Gewerkschaften sowie von den zuständigen Ministerien fachlich bewertet. Ein Umsetzungsplan sollte noch vor dem Sommer 2022 vorliegen, damit die ersten Maßnahmen in den nächsten Haushaltsplan aufgenommen werden können, über den im September verhandelt wird. Der Redaktionsprozess wird von Vertretern der Bürgerrat-Teilnehmer überwacht.

Die Regierung der autonomen Gemeinschaft Valencia hat sich verpflichtet, einen Monat, sechs Monate und ein Jahr nach der Veröffentlichung der Bürgerrat-Empfehlungen schriftlich auf jede dieser Empfehlungen zu reagieren.

Zeichen für empathische Gesellschaft“

"Die Empfehlungen werden als Leitfaden dienen, um alle möglichen Zukünfte zu entwerfen", erklärte Ministerpräsident Ximo Puig in der letzten Sitzung des Bürgerrates. Er würdigte die Losversammlung als ein Zeichen für "eine empathische Gesellschaft, die nicht wegschaut, die nicht gleichgültig ist" gegenüber gesellschaftlichen Problemen.

Rafael Tabarés, Regierungsbeauftragter für psychische Gesundheit, ist "wirklich beeindruckt von diesem Verfahren. Es ist sehr beeindruckend zu sehen, wie Menschen mit einem sehr oberflächlichen und relativen Wissen über ein so komplexes Thema wie psychische Gesundheit eine so große Fähigkeit haben, zuzuhören, zu lernen, einen Dialog zu führen und zu beraten. Die eingeladenen Bürgerinnen und Bürger waren in der Lage, sehr kluge und fundierte Empfehlungen abzugeben."

"Ein Beispiel für demokratische Erneuerung"

Für den Gesundheitsbeauftragten ist der Bürgerrat „ein Beispiel für Gerechtigkeit und demokratische Erneuerung. Die Bürgerinnen und Bürger steigen mit dieser Art von Verfahren auf der Karriereleiter nach oben.“ Der deliberative Bürger sei die nächste Stufe, derjenige, der sich engagiere, der ein echtes und wirkliches Interesse habe. Der Bürger, der sich nach Demokratie sehne und unzufrieden damit sei, nur ein wählender Bürger zu sein, weil er oder sie der gegenwärtigen Demokratie angesichts der Korruption und Polarisierung misstraue.

Solche Menschen seien in Bürgerräten „in der Lage, sich einzubringen, weil sie respektvoll behandelt werden, weil sie informiert werden, weil sie Fragen stellen können und weil sie sich Gedanken machen können“. Deliberation sei von grundlegender Bedeutung: „Es geht nicht um Debatten, sondern um den Dialog und die Erarbeitung von Positionen, die auf das Gemeinwohl ausgerichtet sind“, erklärte Tabarés.

9.000 Menschen eingeladen

Für den Bürgerrat hatte das Gesundheitsministerium aus dem Einwohnermelderegister der autonomen Gemeinschaft eine Stichprobe von 9.000 Personen gezogen, bei der die Kriterien Einkommensniveau, Stadt/Land, Alter, Geschlecht, Provinz und Gesundheitsamt des Wohnsitzes berücksichtigt wurden. Aus den danach eingegangenen Bewerbungen Interessierter wurden 70 Vollmitglieder und 70 Ersatzmitglieder anonym ausgewählt, um ein Abbild der Bevölkerung der Gemeinschaft zu erhalten. Das Bürgerrat-Verfahren wurde von einem Expertengremium und einem Begleitausschuss überwacht.

Am 6. September 2022 hat Rafael Tabarés als Beauftragter für den valencianischen Aktionsplan für psychische Gesundheit, Drogenabhängigkeit und Suchtverhalten angekündigt, in Abstimmung mit dem regionalen Ministerium für Bildung, Kultur und Sport im Schuljahr 2023/24 für Lehrkräfte ein Ausbildungsprogramm zur sozial-emotionalen Erziehung an öffentlichen Schulen und Berufsbildungszentren in der autonomen Gemeinschaft Valencia aufzulegen.

Pläne der Regierung

Am 23. November 2022 hat die Regierung der autonomen Gemeinschaft Valencia ihre Vorschläge zur Verbesserung der Behandlung psychischer Erkrankungen vorgestellt. Sie richten sich auf die Förderung der psychischen Gesundheit der Gesamtbevölkerung und bestimmter Bevölkerungsgruppen, auf die Verhinderung von psychischer Erkrankungen und Selbsttötungen sowie auf die Beseitigung der Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Störungen.

Außerdem soll die Forschung auf diesem Gebiet und ihrer Anwendung in der klinischen Praxis gefördert werden. Weiterhin geht es um die Förderung psychologischer Behandlungen mit dem Ziel der Freiheit der Patienten von Medikamente und die Unterstützung der klinischen Psychologen. Die Zahl der sozialpsychologischen Fachkräfte soll in Bezug auf die Einwohnerzahl die vorgegebenen Quoten erfüllen.

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