Saarland bekommt Klima-Bürgerrat

15. November 2023
Landtag des Saarlands

Ein zufällig geloster Bürgerrat soll im Saarland Vorschläge für die Erreichung der Klimaschutzziele machen. Der saarländische Landtag hat am 15. November 2023 die Einsetzung des Bürgerrates beschlossen. Dafür stimmten SPD und CDU, die AfD hat sich enthalten. Die Losversammlung soll neun Monate nach seiner Einsetzung Vorschläge unterbreiten, die dann vom Landesparlament beraten werden.

Landtagspräsidentin Heike Becker (SPD) hatte das Format in ihrer Antrittsrede im April 2022 angeregt, um die Demokratie für Bürgerinnen und Bürger "inklusiver" zu gestalten und der niedrigen Wahlbeteiligung entgegenzuwirken.

"Wir betreten mit dem Bürgerrat gewissermaßen Neuland. Wir starten ein Experiment", so die Landtagspräsidentin in der Debatte über den Klima-Bürgerrat. "Wir erproben mit dem Bürgerrat jenseits der Rituale und Möglichkeiten des parlamentarischen Alltags ein Instrument zu mehr Teilhabe und Partizipation." Eine knappe Mehrheit der Menschen sei "mit der Art und Weise, wie die Demokratie hierzulande funktioniert", unzufrieden, heißt es im Beschluss des Landtages.

Unterstützung von SPD, CDU und Grünen

Bei SPD und CDU im Landtag findet der Bürgerrat Anklang. "Wir stärken die aktive, themenorientierte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bei kritischen Themenstellungen", sagte Raphael Schäfer, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU. "Einen Versuch ist es wert." Für die SPD erklärte deren stellvertretende Fraktionsvorsitzende Kira Braun: „Ich glaube, dass der Bürgerrat auch uns neue Impulse liefern kann. Wir stoßen unser demokratisches Fenster etwas auf und lassen Frischluft herein. Wir werden diese Empfehlungen aufnehmen, werden davon wahrscheinlich auch vieles in das Klimaschutzkonzept einfließen lassen und in konkretes politisches Handeln umsetzen." Die AfD-Fraktion werde beobachten, wie der Bürgerrat zusammengesetzt wird und was er tut, kündigte Fraktionschef Josef Dörr an.

Die saarländischen Grünen begrüßen die Einsetzung des Bürgerrates. Der Landesvorsitzende Volker Morbe sagte, die breite Bevölkerung besser in die politische Entscheidungsfindung einzubinden, hätten die Grünen immer wieder gefordert. „Gerade im Hinblick auf den Klimaschutz und den Transformationsprozess im Saarland ist dies von äußerster Wichtigkeit.“ Darüber hinaus könnten dort sozialverträgliche Vorschläge ausgearbeitet werden, die die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen erhöhten.

Fragestellung

Die Fragestellung an den Bürgerrat „Klimaschutz im Saarland“ lautet: Wie kann das Saarland auf Grundlage des Pariser Abkommens die im saarländischen Klimaschutzgesetz festgelegten Klimaschutzziele unter Berücksichtigung der sozialen, ökonomischen und ökologischen Verträglichkeit erreichen?

Darum soll es im Bürgerrat gehen:

Handlungsfeld Energie

Neben dem Energiesparen und der Energieeffizienz wird gerade im Saarland als Industrieland die Erzeugung von bzw. die Versorgung mit erneuerbaren Energien ein wesentlicher Pfeiler der Klimaschutzmaßnahmen sein. Eine Frage wird auch sein, wie der klimafreundliche Umbau der Energieversorgung über den Ausbau der erneuerbaren Energien hinaus gelingen kann. Welche Maßnahmen im Bereich der Energie sind erwünscht und geeignet, um die Klimaschutzziele des Saarlandes zu realisieren?

Handlungsfeld Gebäude

Im Gebäudebestand liegen große Energieeinsparungspotenziale. Im Winter geben Gebäude viel Wärmeenergie an die Umwelt ab, im Sommer hingegen wird zunehmend Energie zur Abkühlung von Gebäuden benötigt. Im Gebäudebestand besteht großer Handlungsbedarf.

Welche Maßnahmen sind erforderlich und geeignet, um technologieoffen eine möglichst klimaneutrale Bewirtschaftung des Gebäudebestandes zu erreichen und somit klimafreundliches Wohnen und Arbeiten zu ermöglichen?

Handlungsfeld Mobilität

Nachhaltige Mobilität bedeutet umwelt- und klimafreundliche Fortbewegungsmöglichkeiten. Der Verkehrssektor macht einen großen Teil des Ausstoßes an klimaschädlichen Treibhausgasen aus. Gleichzeitig wollen die Menschen im Land mobil bleiben.

Es stellen sich die Fragen: Wie werden Verkehrsmittel klimafreundlicher und wie kann der Umstieg auf klimafreundliche und effiziente Antriebe gelingen? Welche Schritte soll das Saarland unternehmen, um eine nachhaltige Mobilität mit geringeren Emissionen und einem reduzierten Ressourcenverbrauch zu erreichen?

Handlungsfeld Klimaanpassungsmaßnahmen

Während die Bekämpfung des Klimawandels eine globale Herausforderung darstellt, bringen die Folgen des Klimawandels konkrete lokale Probleme mit sich, die in der Verantwortung des Landes liegen. Diese Folgen des globalen Klimawandels sind längst auch in den saarländischen Gemeinden angekommen: Überflutungen in Folge von Starkregen, hitzebedingten Belastungen oder die Dauer von Trockenzeiten nehmen spürbar zu. Es stellt die Frage, wie das Saarland die Herausforderungen der Folgen des Klimawandels bestehen kann und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen.

Dem Bürgerrat werden 51 Personen angehören, die nach dem Zufallsprinzip aus der Gesamtheit aller Saarländerinnen und Saarländer ab dem 14. Lebensjahr mit Erstwohnsitz im Saarland ausgewählt werden. Die Zufallsauswahl soll eine ausgewogene Beteiligung mit Blick auf Kriterien wie Alter, Geschlecht, regionale Verteilung, Gemeindegröße und Bildungshintergrund erreichen.

Wissensvermittlung durch Experten

Die Beratungen des Bürgerrates werden durch eine inhaltlich neutrale Moderation geleitet, die für eine ausgewogene Beteiligung der Teilnehmenden sorgt. Zur Vermittlung des erforderlichen Wissens und einer fachlich fundierten Begleitung wird der Bürgerrat durch Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis unterstützt. Ziel ist es, einen möglichst umfassenden und objektiven Überblick über Stand und Breite der Diskussion zur jeweiligen Fragestellung zu geben.

Der Verlauf der Beratungen des Bürgerrates wird der Öffentlichkeit „in geeigneter Form“ zugänglich gemacht. Die Beratungen und Abwägungen der Teilnehmer sollen in einem geschützten Raum erfolgen. Die Beratungen der in Bürgerräten üblichen Kleingruppen sind daher nicht öffentlich. Eine inhaltliche Berichterstattung aus nichtöffentlichen Teilen soll erst nach den Schlussabstimmungen über die Empfehlungen des Bürgerrates erfolgen.

Öffentlichkeit und Transparenz

Vertretern der Presse sollen Zugang zu den öffentlichen Sitzungen des Bürgerrates bekommen. Abgeordnete können als Zuhörer an den öffentlichen Sitzungen des Bürgerrates teilnehmen. Nach Möglichkeit sollen alle Interessierten durch Übertragungen im Internet die Sitzungen verfolgen können. Informationen, Dokumente, Vorträge, Stellungnahmen und weiteres Material werden der Öffentlichkeit ebenfalls online zur Verfügung gestellt.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bürgerrates erhalten eine Aufwandspauschale in Höhe von 100 Euro pro Sitzungstag in Präsenz und 50 Euro pro Sitzung in digitaler Form.

Projektstelle Bürgerrat

Der Bürgerrat wird durch eine „Projektstelle Bürgerrat“ der Landtagsverwaltung unterstützt, die den mit der Durchführung beauftragten externen Dienstleister begleitet. Die Teilnehmer sollen im Rahmen des Auftrags des Bürgerrates hinreichenden Einfluss auf die inhaltliche Schwerpunktsetzung nehmen können. Über das Konzept und über andere sich während der Durchführung stellenden Fragen grundsätzlicher Bedeutung einigt sich die Projektstelle mit der vom Landtagspräsidium eingesetzten Steuerungsgruppe.

Die Arbeit des Bürgerrates wird wissenschaftlich begleitet. Sie dient der Auswertung der Beratungen und Handlungsempfehlungen im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Beteiligungsinstrumentes Bürgerrat.

Der Weg in den Landtag

Nach Abschluss der Vorarbeiten setzt das Präsidium den Bürgerrat „Klimaschutz im Saarland“ ein. Der Bürgerrat legt binnen neun Monaten nach seiner Einsetzung seine Handlungsempfehlungen in Form eines Bürgergutachtens vor.

Zu diesem Bericht findet eine Aussprache im Plenum des Landtages statt. Es ist beabsichtigt, den Bericht dem Ausschuss für Umwelt, Klima, Mobilität, Agrar- und Verbraucherschutz zur federführenden Beratung zu überweisen. Zur Mitberatung können weitere Ausschüsse hinzugezogen werden. Die Ergebnisse der parlamentarischen Befassung mit den Handlungsempfehlungen des Bürgerrates werden diesem anschließend zur Verfügung gestellt.

Klima-Bürgerräte weltweit aktiv

Der Klima-Bürgerrat im Saarland ist der erste in einem deutschen Flächenland. Zuvor gab es bereits lokale Klima-Bürgerräte in der Region Freiburg, in Arnsberg, Bergisch Gladbach, Berlin, Bonn, Duisburg, Erlangen, Frankfurt/Main, Konstanz, Mannheim, Neumünster, Offenburg, Osterburg, Schorndorf und Stuttgart, Weltweit haben von der lokalen bis zur globalen Ebene mehr als 100 Klima-Bürgerräte stattgefunden.

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