Mit Bürgerräten die Demokratie demokratisieren
Bürgerräte können eine konstruktive Antwort auf jene Herausforderungen liefern, die gegenwärtige repräsentative Demokratien plagen, wie Vertrauensverlust, selektive partizipative Enthaltung sowie gesellschaftliche Polarisierung. Das ist der Tenor einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Auf 36 Seiten befassen sich die Politikwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Merkel, Dr. Filip Milačić und Dr. Andreas Schäfer mit den Hintergründen und einer Problemanalyse der aktuellen Demokratie-Entwicklung, führen eine demokratietheoretische Diskussion und berichten über politische Erfahrungen und wissenschaftliche Ergebnisse bei der Untersuchung von Bürgerräten. Außerdem befassen sie sich ausführlich mit den Verfahren von Losversammlungen.
Voraussetzungen für gute Bürgerräte
In ihrer Betrachtung kommen sie zu dem Schluss, dass Bürgerräte ihr Potenzial immer dann entfalten können, wenn sie den Kriterien der Einbeziehung aller Bevölkerungsschichten entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil, der Verfahrensqualität beratender Verfahren sowie der systemischen Effektivität gerecht werden. Eckpunkte:
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das Losverfahren muss so gestaltet werden, dass Menschen aus allen betroffenen Gesellschaftsschichten teilnehmen
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der interne Kommunikationsprozess muss so organisiert und moderiert werden, dass sich alle Teilnehmenden unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund und Habitus gleichberechtigt einbringen können
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der Prozess selbst muss ergebnisoffen sein
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Bürgerräte müssen als eigenständiger und einflussreicher Faktor in das demokratische politische System eingebettet werden
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Bürgerräte müssen einem sorgfältigen Design folgen, das zudem jeweils von einer verbindlichen und transparenten Zielvorgabe geprägt ist
„So haben Bürgerräte eine gute Chance, ihren normativen Erwartungen gerecht zu werden und die Perspektive „durchschnittlicher Bürgerinnen und Bürger“ effektiv in den politischen Prozess einzuspeisen“, schreiben die Autoren der Studie.
Kluft zwischen Bürgern und Entscheidungsträgern verringern
Bürgerräte könnten auf diese Weise dazu beitragen, die Kluft zwischen Bürgerinnen und Bürgern auf der einen und politischen Entscheidungsträgern auf der anderen Seite zu verringern. Sie führten eine neue Logik in die durch Wahl-Wettbewerb geprägten repräsentativen Systeme ein. „Dadurch könnten die Fokussierung auf Eliten, die klassenspezifische politische Enthaltung, die unangemessene Bedeutung des politischen Marketings auf Kosten von Inhalten oder die Gegenwartsorientierung demokratischer Politik auf Kosten von Zukunftsfragen vermieden werden“, denken die Politikwissenschaftler.
Wenn Bürger und die breite Öffentlichkeit wahrnähmen, dass Bürgerräte halten, was sie versprechen, werde das Vertrauen in demokratische Institutionen wachsen. Die öffentliche Willensbildung werde gefördert und die Teilhabe an politischen Prozessen sowohl ausgeweitet als auch vertieft.