Bürgerrat will Sofortprogramm zur Bildung
Unterricht ab 9 Uhr, ein Schulfach "Lebenskompetenz", eine verpflichtende Fortbildung für Lehrer und altersgerechte Mitbestimmung an jeder Schule. Das sind vier von acht Forderungen im vom Bürgerrat Bildung und Lernen erarbeiteten Sofortprogramm zur Bildungspolitik in Deutschland. Die Empfehlungen wurden am 14. Dezember 2021 der Öffentlichkeit vorgestellt.
Insgesamt hat der Bürgerrat acht große Empfehlungen in seinem Sofortprogramm aufgeschrieben. Weitere Forderungen darin sind u.a.:
- dass jede Klasse maximal 20 Schüler und zwei Lehrkräfte hat,
- dass jede Schule eine Ganztagsbetreuung anbietet,
- dass Lehrkräfte besser ausgewählt werden,
- dass Schülerinnen und Schüler digitale Endgeräte erhalten,
- dass Schülerinnen und Schüler einen Einblick in verschiedene Berufe bekommen und
- dass alle Schüler die gleichen Bildungschancen bekommen.
„So kann Politik auch funktionieren“
Erarbeitet wurden die Empfehlungen des Bürgerrates im Laufe eines Jahres von mehr als 500 ausgelosten Menschen aus ganz Deutschland. An dem mehrstufigen Meinungsbildungsprozess waren und sind vor allem auch jüngere Menschen beteiligt, die von der Bildungskrise direkt betroffen sind. Auch die 22-jährige Cynthia Seidel aus Halle war dabei. "Das große Ziel des Bürgerrats war es, die Bildung in Deutschland zu verbessern", sagt sie. Dazu hat sie sich mehrmals mit den anderen Teilnehmern getroffen und diskutiert - online und offline.
"Ich hatte von Politik immer ein sehr negatives Bild, weil ich das Gefühl hatte, dass jeder auf seiner Meinung beharrt", sagt sie. Im Bürgerrat habe sie erlebt, wie viele Menschen mit verschiedenen Meinungen respektvoll miteinander umgegangen sind. "Jede Meinung wurde berücksichtigt, es wurden super Kompromisse eingegangen. So kann Politik auch funktionieren", so Seidel.
„Cool, mitzubestimmen“
Auch Schülerinnen und Schüler waren an den Bürgerrat-Beratungen beteiligt. Luis, 12 Jahre, findet es „cool, mitzubestimmen, wie sich die Bildung verändert.“ Lena, 14 Jahre, ergänzt: „Wir sind die Altersgruppe, die am meisten mit dem Thema Bildung und Lernen zu tun hat. Es ist komisch, wenn Erwachsene sagen, das oder das könnte verbessert werden. Wir sind täglich an diesem Geschehen beteiligt und wir wissen ganz gut, was verbessert werden muss.“
Als Vertreter der Politik war Dr. Gerd Landsberg als Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes bei der Vorstellung des Sofortprogramms dabei. „Wir müssen Bildungspolitik nicht für die, sondern mit den Menschen machen“, erklärt er.
„Menschen sind nicht politikverdrossen“
„Wir sagen immer, die Menschen sind politikverdrossen - dieses Beispiel zeigt, das sind sie gerade nicht. Sie wollen mitmachen, sich einbringen. Es kann der Politik niemals schaden, auf das zu hören, was die Menschen vor Ort denken und fühlen.“
Organisiert hat den Bürgerrat die unabhängige und gemeinnützige Montag Stiftung Denkwerkstatt. Ziel war es, dass 400 zufällig und repräsentativ ausgewählte Menschen Wege aus der Bildungskrise finden. Wichtige gesellschaftliche Fragen sollen nicht nur in Parlamenten diskutiert werden.
Wie geht es weiter?
Die Empfehlungen des Bürgerrats sowie der Kinder und Jugendlichen mit vielen Ideen sind jetzt online. Ein wegen der Corona-Pandemie verschobener Bürgergipfel mit Vertreterinnen und Vertretern der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik wurde im ersten Quartal 2022 nachgeholt.
Derweil scheinen weder die Themen noch die Motivation der Teilnehmenden erschöpft: In einer Umfrage unter den Menschen, die an dem Prozess aktiv beteiligt waren, gaben 80 Prozent an, sich weiter im Bürgerrat engagieren zu wollen.