Grüne für Bürgerräte

Auf ihrem virtuellen Parteitag am 21./22. November 2020 haben die Delegierten der Grünen beschlossen, die Forderung nach zufällig gelosten Bürgerräten in ihr Grundsatzprogramm aufzunehmen. Dort heißt es nun:

„Direkte Beteiligungsmöglichkeiten bereichern die repräsentative Demokratie. Mit Bürger:innen-Räten soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei ausgewählten Themen die Alltagsexpertise von Bürger:innen noch direkter in die Gesetzgebung einfließen zu lassen. Zufällig ausgewählte Bürger:innen beraten in einem festgelegten Zeitraum über eine konkrete Fragestellung und erarbeiten Handlungsempfehlungen und Impulse für die öffentliche Auseinandersetzung und die parlamentarische Entscheidung.

Es gilt sicherzustellen, dass die Teilnehmenden sich frei, gleich und fair eine Meinung bilden können und dass ihnen ausreichend Raum für eine intensive Auseinandersetzung mit der Fragestellung gegeben wird. Bürger:innen-Räten kommt eine rein beratende Funktion für die öffentliche Debatte und Gesetzgebung zu. Regierung und Parlament müssen sich mit den Ergebnissen auseinandersetzen, ihnen aber nicht folgen. Bürger:innen- Räte können auf Initiative der Regierung, des Parlaments oder als Bürgerbegehren zu einer konkreten Fragestellung eingesetzt werden. Das soll auch auf Bundesebene möglich sein.“

Antwort auf Repräsentationsprobleme

In einem Interview mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe hatte der Parteivorsitzende Robert Habeck den Vorstoß zuvor erläutert. „Ein Problem ist, dass viele zu wenig Gehör finden - im Parlament sitzen zum Beispiel kaum Abgeordnete mit mittlerer Reife oder im Grunde niemand mit erstem Schulabschluss. Um darauf zu antworten, gibt es aber ein besseres Modell, die Bürgerräte“, sagte er.

Nicht mehr im Grundsatzprogramm der Grünen steht die Forderung nach der Einführung bundesweiter Volksentscheide. Der Parteitag folgte mit knapper Mehrheit dem Vorschlag des Bundesvorstandes der Grünen, diese Forderung nicht mehr länger aufrechtzuerhalten. "Volksentscheide werden polarisieren", mahnte Habeck auf dem Parteitag. "Sie werden nicht den Diskurs in der Gesellschaft befördern, sondern die Spaltung der Gesellschaft." Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin sagte mit Blick auf die Bedrängung von Bundestagsabgeordneten durch Gäste der AfD, es gehe mehr denn je darum, die parlamentarische Demokratie zu stärken.

Kombination von Volksentscheiden und Bürgerräten empfohlen

Die Einführung bundesweiter Volksentscheide in Verbindung mit Bürgerräten war eine von 22 Empfehlungen des Bürgerrates Demokratie. Im September 2019 hatten 155 von 160 zufällig aus dem gesamten Bundesgebiet gelosten Teilnehmenden des Bürgerrates für eine Ergänzung der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie durch eine Kombination von Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie votiert. 152 Stimmen gab es dabei für die gesetzliche Verankerung eines bundesweiten Bürgerrates.

Nach der FDP sind die Grünen die zweite Partei, die die Forderung nach Bürgerräten in ihr Grundsatzprogramm aufgenommen hat.