Klima-Bürgerrat Stuttgart mit 24 Empfehlungen

22. Juni 2023
Stadt Stuttgart

Welche Rolle spielt die Stadt Stuttgart beim Klimaschutz und mit welchen Maßnahmen sollte Stuttgart dazu beitragen, das 1,5-Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen? Mit dieser Frage haben sich 61 zufällig geloste Bürgerinnen und Bürger von März bis Juni 2023 beschäftigt. Am 17. Juni 2023 haben sie dazu 24 Empfehlungen beschlossen.

Vorschläge zu Mobilität und Wärme

Im Bereich Mobilität geht es in den Empfehlungen unter anderem um die Förderung von öffentlichem Nahverkehr, Fuß‐ und Radverkehr. Auch die Kosten sowie die Verfügbarkeit von Parkraum bilden einen Schwerpunkt. Sehr hohe Zustimmungswerte gab es etwa für die Prüfung und Unterstützung des Lasten‐ und Warenverkehrs samt Umstellung auf batteriebetriebene Elektrofahrzeuge. Fast einstimmig beschloss der Bürgerrat Klima die Empfehlung, dass die Stadt Stuttgart an Knotenpunkten die Einrichtung von sogenannte „Mikrohubs“ für den Wechsel zwischen verschiedenen Mobilitätsformen prüft und umsetzt. Keine ausreichende Zustimmung fand die Prüfung der Einführung einer City‐Maut.

Im Bereich Wärme waren sich die Mitglieder des Bürgerrats weitgehend einig. Die Empfehlung, dass die Stadt frühzeitig nach Abschluss der Wärmeplanung Informationen über geplante Wärmenetze und Wärmezentralen veröffentlicht, erhielt besonders hohe Zustimmungswerte. Um einen niederschwelligen Zugang zu Sanierungsmaßnahmen zu schaffen, empfiehlt der Bürgerrat Klima außerdem die Einrichtung von Koordinationsstellen für Gebäudesanierungen, die pro Quartier analysieren, beraten und standardisiert Material beschaffen.

Klimaschutz geht nur gemeinsam mit der Stadtgesellschaft"

Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper sagte: „Wir müssen beim Klimaschutz mit vereinten Kräften voranschreiten, aber Klimaschutz muss auch im richtigen Leben funktionieren. Klimaschutz geht nicht gegen die Stadtgesellschaft, Klimaschutz geht nur gemeinsam mit der Stadtgesellschaft. Deshalb haben wir nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Bürgerinnen und Bürger zu Rate gezogen. Wir wollten erfahren, welche Maßnahmen sie für sinnvoll, notwendig und umsetzbar halten.“ Der OB nahm die Empfehlungen am Ende der letzten Sitzung stellvertretend für den Gemeinderat der Stadt Stuttgart entgegen.

Alle Empfehlungen prüft nun die Verwaltung fachlich und in Bezug auf ihren Ressourcenbedarf. Im Gemeinderat sollen die Empfehlungen pünktlich vor der Aussprache der Fraktionen zum Haushaltsplan im Herbst behandelt werden. Für die dann beschlossenen Maßnahmen können so schon für das Jahr 2024 die nötigen finanziellen und personellen Mittel für die Umsetzung bereitgestellt werden.

6.000 Stuttgarter eingeladen

Zum Bürgerrat waren 6.000 zufällig aus dem Einwohnermelderegister geloste Stuttgarterinnen und Stuttgarter ab 16 Jahren eingeladen worden. Knapp 900 Interessierte hatten geantwortet. Aus diesen Bewerbungen wurde eine Versammlung zusammengestellt, die nach Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund, Schulabschluss, Erwerbstätigkeit, wirtschaftlicher und finanzieller Lage, dauerhaften körperlichen oder gesundheitlichen Einschränkungen und Vorhandensein minderjähriger Kinder ein Abbild der Bevölkerung war.

Jugendliche waren im Bürgerrat stärker vertreten als in der Gesamtbevölkerung. Insgesamt waren zehn Personen im Alter von 16 oder 17 Jahren Teilnehmer der Losversammlung. Die Jugendlichen sollten alle Stuttgarter unter 18 repräsentieren - auch Kinder, die noch nicht mitdiskutieren konnten.

Sechs Sitzungen

Die 61 Bürgerrat-Teilnehmer haben sich zwischen März und Juni 2023 an sechs Tagen getroffen. In dieser Zeit haben sie alles Wichtige zum Thema Klima gelernt und über verschiedene Empfehlungen an die Politik diskutiert. Dabei haben Experten und andere Akteure ihr Wissen an die Teilnehmer weitergegeben.

Zu den Experten gehörten der Meeresforscher und Klima‐Kommunikator Dr. Udo Engelhardt und Prof. Dr. Jürgen Baumüller, Honorarprofessor für Klimatologie an der Universität Stuttgart. Außerdem haben Umweltverbände wie der BUND ihr Wissen ebenso eingebracht wie die Stadtwerke Stuttgart und die Innung Sanitär Heizung Klimatechnik Stuttgart.

Empfehlungen für Gemeinderat

Nach seinem letzten Treffen stellt der Bürgerrat seine Empfehlungen dem Stuttgarter Gemeinderat vor. Der Gemeinderat wird über jede Empfehlung des Bürgerrats diskutieren und begründen, welche Empfehlungen er umsetzt und welche nicht. Bei der Stadt Stuttgart gibt es eine Stelle, die sich nach dem Bürgerrat darum kümmert, dass die Ergebnisse in Verwaltung und Politik weiter behandelt werden.

Im Juli 2022 hatte der Gemeinderat beschlossen, dass Stuttgart bis zum Jahr 2035 klimaneutral werden soll. Deshalb hat sich der Bürgerrat auf zwei besonders schwierige Teilfragen konzentriert:

1. Welche Schritte soll Stuttgart unternehmen, um eine klimaneutrale Wärmeversorgung zu erreichen?

2. Welche Schritte soll Stuttgart unternehmen, um eine klimaneutrale Mobilität zu erreichen? Welche Auswirkungen hat die Mobilität auf den Straßenraum?

Begründung der Themen

Viele Menschen waren im Winter 2022/23 von hohen Heizkosten betroffen und haben sich gefragt, wie sie an dieser Situation etwas ändern können. Gleichzeitig entsteht beim Heizen von Gebäuden ein großer Teil der Treibhausgasemissionen, die Stuttgart in den kommenden Jahren schnell reduzieren muss, hieß es zur Begründung der Befassung mit dem Thema Wärmeversorgung.

Wenn eine klimaneutrale Wärmeversorgung aufgebaut werden solle, stellten sich Fragen etwa zu Flächen und Technik, zu den Auswirkungen des Umbaus und zu den davon Betroffenen und dazu, wie man die Kosten, aber auch den Nutzen des Umbaus gerecht verteilen könne.

Akzeptable Lösungen

Zum Thema Mobilität hieß es, dass für klimafreundliche Verkehrsmittel und für die Klimaanpassung Platz auf den Straßen gebraucht werde. Hier dränge sich unter anderem die Frage auf: Für welche Nutzung des Straßenraums soll es angesichts der Klima‐Thematik wie viel Platz geben? Und wenn der Platz nicht ausreichen sollte, wie gehen wir dann beispielsweise mit dem Parken am Straßenrand um?

Die Bürgerinnen und Bürger seien täglich im Straßenraum unterwegs und hätten deshalb ein hohes Interesse an dem Thema, das sich auch in starken Meinungen und emotionalen Reaktionen ausdrücke. Deshalb sei es eine Chance, die Thematik im Bürgerrat Klima ausführlicher zu behandeln, um Lösungen zu erhalten, die die Mehrheit der Menschen akzeptieren und begrüßen würde.

Verfahren in Grundsatz-Papier festgelegt

In den elfseitigen „Grundsätzen für den Bürgerrat Klima Stuttgart“ ist das Verfahren der Losversammlung detailliert festgelegt. So ist dort nachzulesen, dass die Termine des Bürgerrates für die meisten Menschen geeignet sein mussten. „Menschen mit Behinderung werden besonders unterstützt. Falls benötigt, gibt es auch Angebote für Pflege oder Kinderbetreuung für Angehörige der Teilnehmenden, die in dieser Zeit betreut werden müssen. Experten werden ermutigt und wenn möglich auch danach ausgewählt, dass sie in einer leicht verständlichen Sprache präsentieren. Es wird außerdem an alle Mitglieder der Versammlung eine Aufwandsentschädigung gezahlt“, heißt es dort weiter.

Geleitet wurde der Bürgerrat von einer unabhängigen Koordination, die für die Vorbereitung des Verfahrens, die Entwicklung der Tagesordnung, die Einladung von Experten und Moderatoren und mehr verantwortlich war. Moderiert wurde das Verfahren vom Stuttgarter Kommunikationsbüro Ulmer, durchgeführt vom Beteiligungsunternehmen Ifok. Das Fraunhofer-Institut evaluiert den Bürgerrat und schreibt einen abschließenden Bericht. Die Bürgerrat-Kosten von insgesamt 293.000 Euro trägt die Stadt Stuttgart.

Bürgerrat ist Bürgerinitiative zu verdanken

Die Durchführung des Bürgerrates ist einer Bürgerinitiative zu verdanken. 2021 hatte die „Initiative Bürger*innenrat Klima für Stuttgart“ mehr als 2.500 Unterschriften für einen Einwohnerantrag hierzu gesammelt. Im Dezember 2021 war der Gemeinderat der Stadt dem Antrag mit einem Beschluss zur Durchführung einer solchen Losversammlung gefolgt.

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