Virtuelle Welten für alle
Das Metaverse ist eine Vision des Internets der Zukunft. Es soll die reale und virtuelle Welt in einer einzigen Umgebung vereinen. Nutzer können dort als Avatare arbeiten, spielen, sich treffen oder einkaufen. In einem EU-Bürgerforum haben zufällig geloste Bürgerinnen und Bürger aus der der gesamten Europäischen Union Visionen, Grundsätze und Maßnahmen für die Entwicklung virtueller Welten entwickelt.
Auf Einladung der EU-Kommission hatten sich 150 per Zufallsverfahren ermittelte Bürgerinnen und Bürger vom 24. Februar bis zum 23. April 2023 dreimal getroffen, um sich Gedanken darüber zu machen, wie virtuelle Welten in der EU zum Vorteil der Menschen gestaltet werden können.
„Verkörperung des Internets“
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg spricht über das Metaverse als eine „Verkörperung des Internets“. Nutzer schauen nicht auf einen Bildschirm, sondern bewegen sich mit Hilfe entsprechender Virtual Reality-Brillen im Metaverse. Alles, was wir heute am Bildschirm machen, ist virtuell in dreidimensionaler Ausprägung möglich.
Metaverse-Nutzer könnten im Internet der Zukunft Freunde treffen, an Sitzungen teilnehmen, spielen oder einkaufen. Die Nutzer erscheinen als Avatare in der virtuellen Welt und interagieren miteinander. Oder Freunde tauchen als Hologramme im eigenen Wohnzimmer auf.
„Potenzial dieses Wandels nutzen“
Der Begriff "Metaverse" stammt aus dem Science-Fiction-Roman "Snow Crash" aus dem Jahr 1992. Autor Neal Stephenson erzählt darin von einer Parallelwelt, in der Menschen als Avatare leben.
Die Europäische Union will frühzeitig auf diese neue technische Entwicklung reagieren. „Die EU und ihre Mitgliedstaaten sind entschlossen, das Potenzial dieses Wandels zu nutzen, seine Chancen, aber auch die damit verbundenen Risiken und Herausforderungen zu verstehen und dabei die Rechte der europäischen Bürger zu wahren“, heißt es auf der Internetseite der EU-Kommission.
Acht Grundprinzipien
Den am 23. April 2023 beschlossenen Empfehlungen des Bürgerforums sind acht Grundprinzipien vorangestellt. So soll die Nutzung virtueller Welten eine freie Entscheidung des Einzelnen sein - ohne Nachteile für diejenigen, die dieses Angebot nicht nutzen. Die Forumsteilnehmer legen Wert auf die Umweltfreundlichkeit bei Aufbau und Nutzung der virtuellen Welten.Bei der technologischen Entwicklung und Regulierung der virtuellen Welten sollen die Bedürfnisse, Rechte und Erwartungen der Nutzer respektiert werden.
Die körperliche und geistige Gesundheit des Menschen soll Grundpfeiler der Entwicklung und Nutzung der wirtuellen Welten sein. Bildung, Bewusstseinsbildung und Fähigkeiten zur Nutzung virtueller Welten sollen in den Mittelpunkt der Entwicklung dieser Technologie stehen. Die Europäische Union soll den Schutz von Nutzerdaten sichern und deren Manipulation und Diebstahl verhindern.
Transparenz soll die Nutzer, ihre persönlichen Daten und ihre psychische und physische Gesundheit schützen. Auch die Nutzung der in den virtuellen Welten durch Dritte gewonnene Daten soll transparent dargestellt werden. Nicht zuletzt fordert das Bürgerforum die gleiche Zugänglichkeit der Technologie für alle Bürger - unabhängig von Alter, Einkommen, technischen Fähigkeiten, Land usw.
23 Empfehlungen
Für die einzelnen Themenbereiche folgen 23 Empfehlungen. So soll ausgehend von der bestehenden Arbeitsmarktgesetzgebung der Mitgliedstaaten die Gesetzgebung für die Virtuellen Welten geprüft und, wo nötig, angepasst und zu harmonisiert werden. Zur Erreichung des Ziels der Gleichheit und Integration aller Europäer wird ein Angebot der Aus- und Weiterbildung empfohlen, das europäisch finanziert und in der gesamten Europäischen Union harmonisiert werden soll.
Die EU soll ihre bestehenden Leitlinien für Ethik- und Technologie-Standards regelmäßig überprüfen und aktualisieren und deren Anwendung an die virtuellen Welten anpassen. Empfohlen wird auch eine europäische Kofinanzierung für die Entwicklung eines nachhaltigen und nutzerorientierten Aufbaus und Ausbaus der virtuellen Welten.
Zusammenarbeit von Unternehmen, Wissenschaft und EU
Unternehmen, Wissenschaft und die EU sollen eng zusammenarbeiten, um die Entwicklung der virtuellen Welten im Einklang mit den Werten der EU voranzutreiben und zu regulieren. Dabei soll eine EU-Institution oder ein EU-Gremium auf der Grundlage der EU-Werte Zertifikate für virtuelle Welten und Personen ausstellen und prüfen.
Das Bürgerforum wünscht sich ein standardisiertes und benutzerfreundliches Verfahren, das für Daten-Transparenz sorgt (wer erhebt die Daten, wofür werden sie verwendet, wie werden sie gespeichert und mit wem werden sie geteilt), wobei eine Nutzungserlaubnis ausdrücklich erteilt werden muss.
Einrichtung einer Polizeieinheit
Zur Überwachung soll eine internationale Polizeieinheit mit spezialisierten und geschulten Beamten eingerichtet werden, die mit anderen Einheiten wie etwa Europol und nationalen Stellen zusammenarbeitet. Bei der Kontrolle und Verbrechensbekämpfung soll auch künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen.
Lehrer sollen in der praktischen Nutzung digitaler Werkzeuge geschult, über Risiken, Sicherheit und Ethik in den virtuellen Welten aufgeklärt und über neue Unterrichtsmöglichkeiten durch virtuelle Welten aufgeklärt werden. Alle EU-Bürger sollen einen freien und einfachen Zugang zu wichtigen Informationen über digitale Werkzeuge und virtuelle Welten erhalten.
Umweltschutz
Bzgl. der Auswirkungen auf die Umwelt empfehlen die Teilnehmer des Bürgerforums, Maßnahmen zur Sensibilisierung für die Umweltauswirkungen der virtuellen Welten zu entwickeln und sicherzustellen, dass die technische Ausrüstung wiederverwertbar ist. Per Gesetz sollen Unternehmen dazu verpflichten werden, wiederverwertbare/reparierbare Geräte zu produzieren und Probleme mit der technischen Veralterung zu begrenzen. Ein Anreiz- und Bestrafungssystem für Ausrüstungshersteller soll die Gesetzgebung wirksam begleiten.
Mit Blick auf die Gesundheit empfiehlt das Bürgerforum der Europäische Union ein Forschungsprogramm zu den Auswirkungen von Virtuellen Welten auf die menschliche Gesundheit. Angeregt wird dabei auch die Einführung eines Messsystems für die sozialen, ökologischen, physischen und psychischen Auswirkungen der Nutzung virtueller Welten.
Leitfaden für gutes Verhalten
Mit einem Leitfaden soll die EU gute Regeln für das Verhalten in virtuellen Welten formulieren. Unternehmen sollen "Geschäftsbedingungen" vorgeschlagen werden, mit denen sie die Sicherheit personenbezogener Daten und Transparenz für die Bürger gewährleisten können.
Ein gleichberechtigten Zugang aller EU-Bürger zu digitalen Technologien soll durch einen Infrastrukturplan gewährleistet werden. Dieser Plan soll sich auf eine erschwingliche, finanzierbare und für alle zugängliche Entwicklung konzentrieren. Alle EU-Bürger sollen in der Lage sein, auf die Möglichkeiten des Metaverse zuzugreifen und diese entsprechend ihren Bedürfnissen, Wünschen und Interessen zu nutzen.
EU als starker Akteur und Vorreiter
Für die EU-Ebene wird eine Regelung dafür vorgeschlagen, wann man bei der Nutzung virtueller Welten seine Identität angeben muss und wann man in der digitalen Welt anonym bleiben kann. Klare rechtliche Rahmenbedingungen sollen sich auf eine fortlaufende Forschung zur sicheren und positiven Nutzung des Metaverse stützen.
Die letzte Empfehlung lautet, dass die EU-Mitgliedstaaten sich zusammenzuschließen sollen, um ein starker gemeinsamer Akteur und Vorreiter bei der Kontrolle, Überwachung und Regulierung der Virtuelle Welten zu werden, um die demokratischen Werte der EU zu erhalten und sie an andere Länder weiterzugeben.
EU-Kommission hat Initiative entwickelt
Am 11. Juli 2023 hat die Europäische Kommission die EU-Initiative zu Web 4.0 und virtuellen Welten angenommen, die sich weitgehend an den 23 Empfehlungen des Bürgerforums orientiert. Diesem politischen Vorschlag ist eine neue Art von Dokument beigefügt: der Bürgerbericht, der konkreter Ausdruck der "Einbettung" des Bürgerforum-Formats in den politischen Entscheidungsprozess ist. Er enthält die Liste der Empfehlungen des Forums und eine erste Analyse. Er ist dem Vorschlag beigefügt und wird daher auch im "legislativen" Paket an die beiden anderen EU-Institutionen übermittelt.
Die Teilnehmer des Bürgerforums zum Thema "Virtuelle Welten" wurden von einem unabhängigen Meinungsforschungsunternehmen nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Um die Verschiedenheit der Menschen in der EU widerzuspiegeln, wurden die Mitglieder des Bürgerforums nach den Kriterien geografische Herkunft (Staatsangehörigkeit und Stadt/Land), Geschlecht, Alter, sozioökonomischer Hintergrund und Bildungsstand so gemischt, dass sie ein Abbild der EU-Bevölkerung dargestellt haben.
Junge Europäer überrepräsentiert
Ergänzt wurden diese Kriterien um eine Frage zur Einstellung der Ausgelosten zur EU, damit EU-Kritiker im Bürgerforum entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil ebenso angemessen vertreten waren wie EU-Befürworter. Junge Leute zwischen 16 und 25 Jahren waren überrepräsentiert. Sie haben ein Drittel der Teilnehmer gestellt. Es wurde außerdem ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis gewahrt.
Das Bürgerforum hat sich zu drei Sitzungen getroffen. Diese fanden vom 24. - 26. Februar in Brüssel, vom 10. - 12. März 2023 online und vom 21. - 23. April 2023 erneut in Brüssel statt. Die hier entstandenen Empfehlungen sollen die Arbeit der Kommission im Bereich der virtuellen Welten unterstützen.
Organisiert und moderiert wurde das Bürgerforum von Experten von The Danish Board of Technology (DBT), deliberativa, ifok und Missions Publiques. Diese vier Beteiligungsunternehmen haben ihre langjährige Erfahrung in der Organisation von Losversammlungen in das Forum eingebracht.
Bürgerforum folgt Bürgerempfehlungen
Das Bürgerforum ist unmittelbare Folge der Konferenz zur Zukunft Europas. Im Rahmen dieser Konferenz hatten 800 zufällig geloste Bürgerinnen und Bürger aus der gesamten EU auch über die Weiterentwicklung der Demokratie in der Europäischen Union beraten. Eine dabei entstandene Empfehlung war der Wunsch, zufällig geloste Bürgerforen regelmäßig in der EU einzusetzen. Die EU-Institutionen sind diesem Wunsch gefolgt.
Vor dem Bürgerforum zu virtuellen Welten fand bereits von Dezember 2022 bis Februar 2023 ein Forum zum Thema Lebensmittelverschwendung statt. Im März und April 2023 lief ein weiteres Bürgerforum zur Lernmobilität in der EU.
Mehr Informationen:
- EU-Bürgerforum "Virtuelle Welten"
- EU-Bürgerräte
- EU-Kommissionspräsidentin will europäische Bürgerräte
- "Auf die Stimmen der Bürger hören"
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