Bürgervorschläge zur Rolle der EU in der Welt

15. Februar 2022
Europäisches Parlament

Im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas hat ein zufällig gelostes Europäisches Bürgerforum 40 Empfehlungen zum Umgang mit Migration und zur Stärkung der EU auf internationaler Ebene vorgelegt.

Die Empfehlungen konzentrieren sich auf fünf Bereiche:

• Eigenständigkeit und Stabilität
• Die EU als internationaler Partner
• Eine starke EU in einer friedlichen Welt
• Migration vom menschlichen Standpunkt aus gesehen
• Verantwortung und Solidarität in der EU

Das letzte von drei Forumstreffen, das vom 11. bis 13. Februar 2022 in Maastricht stattfand, brachte rund 200 Personen aus allen EU-Mitgliedstaaten zusammen. Aufgrund der Corona-Situation konnten die Forumsteilnehmer auch aus der Ferne teilnehmen.

Enrico Giannotti, ein Teilnehmer aus Italien, bezeichnete die Empfehlungen als „sehr umfassend“ und fügte hinzu: „Ich hoffe, dass sie von den europäischen Institutionen aufgegriffen werden.“

Die Forumsteilnehmer sprachen sich nachdrücklich für deliberative Verfahren wie die Konferenz aus und empfehlen, diese weiterhin jährlich zu veranstalten.

Ursachen von Migration bekämpfen

Nach einem Meinungsaustausch über alle Aspekte der Migration empfahlen die Teilnehmer des Forums Maßnahmen, um die Ursachen der Migration zu bekämpfen. Zudem sollte man bei der Bewältigung der Migration einen humanitären Ansatz verfolgen, Flüchtlinge sollten besser integrieren und die Verantwortung auf alle EU-Mitgliedstaaten verteilen werden.

Die Teilnehmer stellten fest, dass Migration nicht unbedingt ein Problem darstellt. Sie schlugen vor, Asylbewerbern mit entsprechenden Qualifikationen Zugang zum europäischen Arbeitsmarkt zu gewähren und die Bedingungen für Arbeitnehmer, die innerhalb der EU migrieren, zu verbessern.

Grenzschutzagentur Frontex stärken

Ungleichheiten entlang der EU-Außengrenzen wurden ebenfalls hervorgehoben. Um diese zu beheben, empfahlen die Teilnehmer, die europäische Grenzschutzagentur Frontex zu stärken und transparenter zu machen.

„Nördliche Länder, die nicht viele Außengrenzen haben, sollten mehr zu einer zentralen Einrichtung wie Frontex beitragen, um südlichen Ländern zu helfen, die einem größeren (Migrations-)Druck ausgesetzt sind“, sagte Péter Csákai-Szöke aus Ungarn.

Die EU in der Welt

Die Abhängigkeit der EU von der Einfuhr strategischer Güter wie Medikamente, Halbleiter, Energie und Lebensmittel wurde als großes Problem identifiziert. Das Bürgerforum empfahl eine weitreichende Förderung der lokalen Produktion und eine Steigerung der Produktion erneuerbarer Energien, um die Abhängigkeit „so weit wie möglich“ zu verringern.

Außerdem schlug das Forum vor, die meisten außenpolitischen Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit statt einstimmig zu fassen, um schneller auf Krisen reagieren zu können und die Präsenz der EU in der Welt durch ein geschlossenes Auftreten zu stärken.

Wir konnten uns auf halbem Weg treffen“

Die EU sollte auch Einfuhrbeschränkungen für Länder erlassen, die ethische oder ökologische Kriterien nicht einhalten, und zudem Werte wie Menschenrechte und Demokratie im Ausland fördern, empfahlen die Forumsteilnehmer.

„Wir waren uns nicht in allen Punkten einig, aber wir konnten uns bei diesen Themen auf halbem Wege treffen, und das ist wunderbar“, sagte Ewa Buchta aus Polen.

Einseitige Einflussnahme“

Das Netzwerk „Citizens Take Over Europe“ (CTOE) hatte Anfang Februar 2022 die aus seiner Sicht „einseitigen Einflussnahme von Experten“ auf das Bürgerforum kritisiert. CTOE sieht „eine äußerst problematische einseitige Expertenbeeinflussung in Bezug auf das Thema Grenzen". Zu diesem Thema sei Fabrice Leggeri, Exekutivdirektor der EU-Grenzschutzagentur Frontex eingeladen worden.

Seine Einladung sei problematisch, da er ein unmittelbares Interesse daran habe, Frontex in einem positiven Licht darzustellen. Zudem sei es völlig inakzeptabel, ihn einzuladen, ohne auch Experten von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International einzuladen, die eine unabhängige alternative Perspektive auf Frontex und das gesamte Thema des EU-Grenzmanagements darstellen könnten.

Höchst problematische Auswahl“

CTOE zitiert einen am 23. Juni 2021 veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch: "Eine Analyse der Maßnahmen der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, bekannt als Frontex, zeigt ein Muster des Versagens bei der glaubwürdigen Untersuchung oder bei der Ergreifung von Maßnahmen zur Eindämmung von Übergriffen gegen Migranten an den EU-Außengrenzen, selbst angesichts eindeutiger Beweise für Rechtsverletzungen.“

Die „höchst problematische Auswahl“ von Experten scheine einen starken Einfluss auf die Meinungsbildung der der Forumsteilnehmer gehabt zu haben. Eine Reihe von "Leitlinien" fordere eine Ausweitung der Befugnisse von Frontex. Das Bürgerforum empfiehlt jedoch auch eine Überwachung von Frontex, um Transparenz herzustellen und alle Arten von Missbrauch zu vermeiden.

Wie geht es weiter?

Die Vertreter des Bürgerforums haben die Empfehlungen im Rahmen der Plenarversammlung der Konferenz am 11. und 12. März 2022 in Straßburg vorgestellt und debattiert. An der Plenarsitzung nahmen Vertreter der EU-Organe, der nationalen Parlamente, der Zivilgesellschaft und der Bürger teil. Die Plenarversammlung der Konferenz ist am 25. und 26. März sowie am 8. und 9. April 2022 zusammengetreten, um auf der Grundlage der auf der Plattform der Konferenz eingereichten Ideen und der Empfehlungen der Bürgerforen Vorschläge für EU-Maßnahmen auszuarbeiten.

Das Endergebnis der Konferenz wird in einem Bericht zusammengefasst, der den Präsidenten des Parlaments, des Rates und der Europäischen Kommission vorgelegt wird. Diese haben sich verpflichtet, die Empfehlungen weiterzuverfolgen.

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