EU-Bürgerforum empfiehlt europäische Bürgerräte

Die Europäische Union (EU) soll regelmäßig zufällig geloste Bürgerräte einberufen, um ihre Einwohnerinnen und Einwohner besser in die politischen Entscheidungen einzubinden. So lautet ein Vorschlag eines zufällig gelosten Bürgerforums, dessen letzte Sitzung am 10. - 12. Dezember 2021 im Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas stattfand.

Bürgerräte sollen dabei per Gesetz oder Verordnung einen rechtsverbindlichen Rahmen bekommen. Die Losversammlungen sollen nach Meinung der Mitglieder des Bürgerforums alle 12 - 18 Monate stattfinden. Die Teilnehmer sollen nach dem Zufallsprinzip und unter Berücksichtigung von Repräsentativitätskriterien ausgewählt werden. Sie sollen weder eine Organisation vertreten noch aufgrund ihrer beruflichen Funktion als Bürgerrat-Mitglieder zur Teilnahme eingeladen werden dürfen. Erforderlichenfalls sollen Experten hinzugezogen werden, damit die Bürgerrat-Mitglieder für ihre Beratungen über ausreichende Informationen verfügen.

Die EU soll dabei sicherstellen, dass sich die Politiker den Empfehlungen der Bürgerrat-Teilnehmer verpflichten. Falls Vorschläge von Bürgerräten ignoriert oder ausdrücklich abgelehnt werden, sollen die EU-Institutionen darüber Rechenschaft ablegen und begründen müssen, warum  diese Entscheidung getroffen wurde.

Fünf Themenfelder

Das Bürgerforum mit 200 zufällig gelosten Teilnehmerinnen und Teilnehmern hatte sich in insgesamt drei Sitzungen mit der europäischen Demokratie, Werten und Rechten, Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit befasst. Aufgrund der Corona-Pandemie konnten die Mitglieder des Forums nur online an der letzten Sitzung teilnehmen.

Ihre Empfehlungen befassten sich mit fünf Themenfeldern:

  • Gewährleistung von Rechten und Nicht-Diskriminierung
  • Schutz von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
  • Reform der EU
  • Aufbau einer europäischen Identität
  • Stärkung der Bürgerbeteiligung

Die Teilnehmer haben über insgesamt 42 Empfehlungen abgestimmt, die in den drei seit September abgehaltenen Sitzungen formuliert worden waren. Jeder Vorschlag musste von mindestens 70 Prozent der Teilnehmer unterstützt werden, um angenommen zu werden. Nur drei Vorschläge konnten diese Hürde nicht überspringen.

"Wir hatten drei sehr arbeitsreiche Tage, aber es war sehr interessant. Viele Leute haben sehr unterschiedliche Meinungen, aber wir haben es trotzdem geschafft, gemeinsam etwas wirklich Tolles zu erarbeiten", sagte Forumsmitglied Gabriele Elisabeth aus Deutschland.

Gewährleistung von Rechten und Nichtdiskriminierung

Um Diskriminierung in der EU zu bekämpfen, schlugen die Forumsteilnehmer vor, Quoten für gefährdete Gruppen wie Minderheiten, Frauen, junge Menschen oder ältere Menschen am Arbeitsplatz einzuführen. Unternehmen, die diese Quoten erfüllen, sollten Zugang zu Subventionen oder Steuervergünstigungen erhalten.

Zu den Empfehlungen gehörten auch Sanktionen für Unternehmen, die gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen, und die Festlegung von Mindeststandards für die Unabhängigkeit der Medien.

Schutz von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

Besonders wichtig ist den Teilnehmern des Bürgerforums der Schutz der europäischen Werte.. Sie empfahlen, das Verfahren zu ändern, der den Erhalt von EU-Mitteln durch Länder von der Achtung der Rechtsstaatlichkeit abhängig macht. Die Diskussionsteilnehmer wünschen sich, dass alle Verstöße gegen die rechtsstaatlichen Prinzipien der EU bestraft werden und nicht nur die, die den EU-Haushalt betreffen.

Die EU sollte auch Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass es eine vielfältige Medienlandschaft gibt und dass Politiker keine Medien besitzen oder beeinflussen.

Reform der EU

Das Bürgerforum empfiehlt auch, durch die Änderung der Namen der EU-Institutionen die Rolle der einzelnen Institutionen verständlichern zu machen. Die Teilnehmer sind zudem der Meinung, dass es möglich sein sollte, Parteien auf EU-Ebene zu wählen, und dass die Menschen in äußerst wichtigen Angelegenheiten durch EU-weite, vom Europäischen Parlament ausgelöste Volksabstimmungen verbindlich befragt werden sollten.

Darüber hinaus forderten die Forumsteilnehmer EU-Investitionen in hochwertige Arbeitsplätze und Lebensqualität (Bildung, Gesundheit, Wohnen, Pflege für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen) und schlugen vor, die Mittel für diese Investitionen aus Steuern auf Großunternehmen zu finanzieren.

Aufbau einer europäischen Identität

Mit dem Kampf gegen Populismus und Desinformation, der Verbesserung der Kommunikation über EU-Angelegenheiten in den Medien und das Angebot von Kursen zu Demokratie Werten der EU für Migranten soll die europäische Identität gestärkt werden.

"Ich möchte, dass die Menschen gemeinsame Werte teilen, und ich möchte, dass die europäischen Bürger sehen, dass wir alle gleich sind. Wir haben gemeinsame Ziele und gemeinsame Herausforderungen, und wir sollten uns wirklich zusammensetzen, um daran zu arbeiten", sagte Daniel van Lomwel aus den Niederlanden.

Stärkere Bürgerbeteiligung

Neben der Einrichtung von Bürgerräten schlugen die Teilnehmer des Bürgerforums zur Stärkung der Bürgerbeteiligung auch eine stärkere Zusammenarbeit der EU mit nationalen und regionalen Behörden und für Schulen die Entwicklung von Lehrplänen zur Bürgerbeteiligung vor. Sie empfahlen auch, die Diskussion über die Verfassung der EU wieder aufzunehmen.

"Wenn die Menschen das Gefühl haben, dass sie an der Entscheidungsfindung beteiligt sind, verstehen sie in der Regel auch besser, dass die Dinge für sie getan werden. Daher beteiligen sie sich auch stärker und haben mehr Vertrauen in die Organisation selbst, weil sie selbst an dem Prozess beteiligt sind", sagte Jarno Hilvenius aus Finnland.

Wie geht es weiter?

Vertreter des Bürgerforums haben die Empfehlungen auf der Plenarsitzung der Konferenz zur Zukunft Europas am 21. und 22. Januar 2022 vorgestellt und diskutiert. Dem Plenum gehören Vertreter der EU-Institutionen, der nationalen Parlamente, der Zivilgesellschaft und der Bürger an. Die Plenarversammlung der Konferenz war am 25. und 26. März sowie am 8. und 9. April 2022 zusammengetreten, um auf der Grundlage der auf der Plattform der Konferenz eingereichten Ideen und der Empfehlungen der Bürgerforen Vorschläge für EU-Maßnahmen auszuarbeiten.

Das Endergebnis der Konferenz wurde am 9. Mai 2022 in einem Bericht an die Präsidenten des Parlaments, des Rates und der Europäischen Kommission vorgelegt, die sich verpflichtet haben, diese Empfehlungen weiterzuverfolgen.

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