Klimaschutz: Parlament übernimmt Bürgerrat-Vorschläge

31. Mai 2022

Am 24. Mai 2022 hat der Regionalrat des französischen Gemeindeverbandes Est Ensemble zahlreiche Empfehlungen eines Klima-Bürgerrates übernommen und beschlossen. Der Bürgerrat hatte vom 18. September 2021 bis zum 30. Januar 2022 getagt. 100 zufällig geloste Bürgerinnen und Bürger aus der Region hatten sich an fünf Wochenenden getroffen, um konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels vorzuschlagen. Dabei sollten sie Aspekte der sozialen und ökologischen Gerechtigkeit und der biologischen Vielfalt beachten.

Am 16. Februar 2022 hatten sie den Bürgermeistern und Vizepräsidenten des Gemeindeverbandes die von ihnen empfohlenen Maßnahmen vorgestellt. Die 200 Bürgerrat-Empfehlungen beziehen sich auf sieben Leitbilder für den Gemeindeverband

  • eine begrünte Region mit grünen und aufenthaltsfreundlichen Orten
  • eine solidarische Region, das sich für ein neues umweltbewusstes Wohnen einsetzt
  • eine Region, die Nutzung des Autos einschränkt und die aktive Mobilität ausbaut
  • eine robuste Region, die eine gesunde Ernährung fördert
  • eine Region, die keinen Abfall produziert, sachlich handelt und gegen Verschwendung kämpft
  • eine beispielhafte Region mit engagierten Akteuren und Bürgern
  • eine Region, die erneuerbare Energien voranbringt

Auf der Tagesordnung des Bürgerrates standen fünf Themen: Wohnen, Ernährung und Konsum, Verkehr, Arbeit und Produktion sowie Engagement für den Wandel. Die Bürgerinnen und Bürger haben in Untergruppen frei an diesen Themen gearbeitet und konnten, wenn sie mochten, Ideen für weitere Themen einreichen. Die Ausgelosten haben in Kleingruppen an den verschiedenen Themen gearbeitet und ihre Arbeit regelmäßig dem gesamten Bürgerrat vorgestellt.

Abgeordnete übernehmen Empfehlungen

Am 24. Mai 2022 haben die Abgeordneten des Gemeindeverbandes die meisten Empfehlungen des Bürgerrates aufgegriffen. So soll bei Neubauten der Grünflächenanteil pro Einwohner auf zehn Quadratmeter erhöht werden. Auch im Stadtentwicklungsplan soll die Erhöhung des Grün- und Freiflächenanteils Berücksichtigung finden. Dächer sollen begrünt und eine 50 Kilometer lange „Pflanzenpromenade durch die neun Städte des Gemeindeverbandes angelegt werden.

Im Bereich Wohnen soll eine "regionale Charta für inklusives und nachhaltiges Wohnen" formuliert werden, die "sich an die Realität der Stadtviertel anpasst, um erschwingliche Wohnungspreise zu definieren" und "die Mischung von Wohnungstypen und -größen bei jedem Bauprojekt sicherstellt". Ein neuer Bürgerrat soll sich mit Mobilitätsfragen auseinandersetzen, Tempo-30-Zonen sollen zum Standard werden.

Gesunde Ernährung fördern

Im Gemeindeverband soll ein solidarisches Netzwerk der Akteure im Bereich Ernährung gegründet werden. Landwirtschaftliche Berufe sollen gefördert und in Ausschreibungen einen Anteil von 15 Projekte reserviert werden, die eine gesunde, nachhaltige und für alle zugängliche Ernährung fördern.

Beschlossen wurde auch, dass auf allen Mülldeponien Recycling-Einrichtungen entstehen. Der Gemeindeverband will Versuche zur Rückgewinnung von Glas oder wiederverwertbaren Verpackungsabfällen starten. Auf Märkten sollen für die Einwohner Biotonnen bereitgestellt werden.

Klimastadt gründen

Der Gemeindeverband soll zudem eine "Klimastadt" gründen, in der ein Ressourcenzentrum oder eines Netzwerks von Einrichtungen des Gebietes angesiedelt werden könnte. Durch eine Schulung der Mitarbeiter des Gemeindeverbandes und der Städte soll eine gemeinsame Kultur“ geschaffen werden. Angestrebt wird auch die Ausbildung von "Klimabotschaftern" in Schulen, Freizeitzentren, Nachbarschaftszentren usw.

Innerhalb der Region sollen Geothermie und Solarenergie gefördert werden. In einer Charta für "nachhaltige Gebäude" sollen neue Umweltvorschriften für Neubauten und die Entwicklung erneuerbarer Energien integriert werden. Mindestens 20 Prozent der vier Millionen Euro, die für Großinstandhaltungs- und Reparaturmaßnahmen bereitgestellt werden, sollen für Energieeinsparungen oder die Erzeugung erneuerbarer Energien Verwendung finden.

Nur 12 der 220 vom Bürgerrat eingebrachten Vorschläge wurden vom Regionalrat nicht angenommen. Er begründet die Ablehnungen damit, dass diese Vorschläge bereits umgesetzt worden seien, sie nicht in den Zuständigkeitsbereich der interkommunalen Gemeinschaft fielen oder dass sie der Umweltpolitik von Est Ensemble widersprächen.

Fünf Arbeitssitzungen

Der Bürgerrat war in fünf zweitägigen Arbeitssitzungen in Romainville zusammengekommen, die von September 2021 bis Januar 2022 stattfanden. Am 26. März 2022 haben sich zwecks Austausch alle gewählten Vertreter der neun Mitgliedsstädte des Gemeindeverbandes mit den Bürgerrat-Mitgliedern getroffen. Am 10. Mai 2022 hat ein außerordentlicher Gebietsrat getagt, um sich zu den Bürgerrat-Empfehlungen zu positionieren und die Arbeit der Losversammlung zu bewerten. Patrice Bessac, Präsident des Gemeindeverbandes Est Ensemble, hatte sich verpflichtet, dem Gebietsrat alle vom Bürgerrat vorgeschlagenen Empfehlungen und Maßnahmen zur Abstimmung vorzulegen.

„Angesichts der demokratischen und ökologischen Krisen, mit denen wir konfrontiert sind, müssen wir handeln“, hatte Bessac die Einberufung des Bürgerrates erklärt. „Schnell handeln und gemeinsam handeln. Dies ist die doppelte Voraussetzung dafür, dass sich unsere Gesellschaften - solange es noch Zeit ist - auf ein grundlegendes Klima-Update einlässt, das niemanden auf der Strecke lässt“, so Bessac weiter. Außerdem gehe es um Verantwortung für die Bewohner eines Arbeiterviertels, das in doppelter Hinsicht von sozialer und ökologischer Ungleichheit geprägt sei. Eines Viertels, das nach Paris das am dichtesten besiedelte der Île-de-France sei, in dem 30 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebten und in dem es nur sechs Quadratmeter Grünfläche pro Einwohner gebe, im Vergleich zu 12 Quadratmetern im Großstädten.

Ein Abbild der Bevölkerung

Die Bürgerrat-Teilnehmenden waren im Sommer 2021 durch ein vom Meinungsforschungsinstitut IRS Quality durchgeführtes Losverfahren bestimmt worden. Die 100 Bürgerrat-Mitglieder waren in Bezug auf Geschlecht, Alter, Bildungsniveau und Wohnort ein Abbild der Vielfalt der Region Est Ensemble. Für ihre Teilnahme erhielten die Ausgelosten eine Aufwandsentschädigung.

Est Ensemble umfasst eine Region mit den neun Städten Bagnolet, Bobigny, Bondy, Les Lilas, Le Pré Saint-Gervais, Montreuil, Noisy-le-Sec, Pantin und Romainville im Departement Seine-Saint-Denis im Osten von Paris. Er wurde am 1. Januar 2016 gegründet. Der Gemeindeverband bezweckt vor allem die teilweise Dezentralisierung der Kommunalverwaltung in der riesigen Métropole du Grand Paris. Die Mitgliedsgemeinden gehören daher beiden Gemeindeverbänden an.

Mehr Informationen: