Bürgerrat empfiehlt Bürgerräte

In Schottland soll es mehr Losdemokratie geben. Das empfiehlt der Bürgerrat zur Zukunft Schottlands in seinem am 13. Januar 2021 veröffentlichten Bürgergutachten. Die für die „Citizens Assembly of Scotland“ ausgelosten Menschen aus allen Teilen und Schichten Schottlands empfehlen darin u.a. die Durchführung weiterer Bürgerräte und die Einrichtung einer zufällig gelosten Parlamentskammer.

Mit zukünftigen Bürgerräten sollen danach Ansichten und Ideen der Menschen zu für das Land wichtigen Themen gesammelt werden. Ein unabhängiges Gremium soll die Entscheidungen darüber treffen, wann und zu welche Themen Losversammlungen stattfinden, wenn Politiker sich diesbzgl. nicht einigen können. Das Gremium soll außerdem sicherstellen, dass Parlament und Regierung Rechenschaft über die Umsetzung der Bürgerrat-Empfehlungen ablegen.

Bürgerräte sollen Gesetze prüfen

Bürgerräte sollen die bestehende Gesetzgebung in Schlüsselbereichen prüfen und Vereinfachungen oder Änderungen vorschlagen können. Regierung und Parlament sollen gemeinsam mit Bürgerräten Entscheidungen zu solchen Fragen treffen, die alle Einwohner betreffen, unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen eingeschlossen. Diese Bürgerräte sollen zu Beginn jeder Sitzungsperiode des Parlaments einberufen und zur Bearbeitung spezifischer Themen eingerichtet werden. Die Bürgerrat-Empfehlungen sollen im Parlament debattiert werden müssen, bevor die Bürgerräte wieder aufgelöst werden.

Der erste Bürgerrat des Landes fordert Regierung und Parlament auch auf, eine „Bürgerkammer“ einzurichten, die die Vorschläge der Regierung prüft und die zu parlamentarischen Gesetzesvorlagen ihre Zustimmung erteilt. Die Mitgliedschaft in dieser Kammer soll zeitlich begrenzt werden, die Mitglieder ein Abbild der Bevölkerung Schottlands sein. Ein Aufsichtsgremium soll dies sicherstellen.

Bürgerausschuss im Parlament

Auch soll im schottischen Parlament ein Bürgerausschuss eingerichtet werden. Dieses Gremium soll ebenfalls nach dem Zufallsprinzip besetzt werden. Die Mitglieder sollen Anregungen und Meinungen zu Vorschlägen der Regierung einbringen, die Arbeit des Parlaments überprüfen und die Regierung zur Rechenschaft ziehen.

Nicht zuletzt empfiehlt der Bürgerrat, auch auf lokaler Ebene Losversammlungen einzurichten. Sie sollen sich mit kommunalpolitischen Fragen befassen, Lücken ausmachen und Verbesserungsmaßnahmen empfehlen. Dabei wird auch der Einsatz von Digitaltechnik empfohlen, um die Menschen zusammenzubringen.

100 zufällig geloste Bürger

Die Citizens' Assembly of Scotland war eine Versammlung von 100 wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern ab 16 Jahren aus ganz Schottland. Der Bürgerrat wurde nach den Regeln des geschichteten Losverfahrens so zusammengesetzt, dass er in Bezug auf Alter, Geschlecht, sozioökonomischen Status/Bildungsabschluss, Ethnie, Wohnort und politischer Einstellung ein Abbild der Bevölkerung war. Die Versammlung hatte viermal in Präsenzveranstaltungen und aufgrund der Corona-Pandemie viermal online getagt, um über die zukünftige Entwicklung Schottlands zu beraten und dazu Empfehlungen abzugeben. Dazu hatten die Teilnehmenden eine Reihe von Expertinnen und Experten angehört und gemeinsam über die einzelnen Themen beraten.

Neben Bürgerräten geht es in den Empfehlungen auch um die Themen Welthandel, Wirtschaft, Demokratie, Einwanderung, Steuern, Bildung, Mindestlohn, Armut, Gesundheit, Energieversorgung, digitale Infrastruktur, junge Menschen und Umwelt.

Antwort der Regierung

Am 23. November 2021 hatte die schottische Regierung auf die Empfehlungen des Bürgerrates reagiert. In ihrer Antwort heißt es u.a.: „Die Regierung setzt sich für die Förderung von Bürgerräten (…) ein, um die Menschen zusammenzubringen und neue Ideen zu entwickeln, den politischen Entscheidungsprozess fairer, gleichberechtigter und glaubwürdiger zu gestalten und das Vertrauen zwischen der Regierung und den Menschen, denen sie dient, zu verbessern.“

Mit dem schottischen Klima-Bürgerrat habe inzwischen eine zweite Losversammlung stattgefunden, deren Bürgergutachten am 23. Juni 2021 dem schottischen Parlament vorgelegt worden sei. Die Regierung habe auch ihre Pläne für eine weitere Nutzung von Bürgerräten dargelegt, einschließlich einer Losversammlung für Kinder unter 16 Jahren. Es werde auch einen Bürgerrat zur Finanzierung der Kommunalverwaltung geben.

Verstärkter Einsatz für deliberative Beteiligung

„Das gemeinsame politische Programm der schottischen Regierung und der schottischen Grünen enthält auch eine Verpflichtung zum verstärkten Einsatz für deliberative Beteiligung, zur Entwicklung von Unterstützung effektiver Bürgerräte und zur deliberativen Beteiligung an der Finanzierung der Kommunalverwaltung, beginnend auf lokaler Ebene und gipfelnd im nationalen Bürgerrat“, schreibt die Regierung weiter.

Noch 2021 werde eine Expertengruppe den Ministern einen Bericht über die Institutionalisierung der integrativen partizipatorischen Demokratie in allen demokratischen Prozessen Schottlands vorlegen, einschließlich der künftigen Governance und der Festlegung von Fragen für Bürgerräte.

Nachdenken mit Interessengruppen

„Andere Empfehlungen des Bürgerrates zu einer Bürgerkammer und einem Bürgerausschuss betreffen den Kern der Funktionsweise der parlamentarischen Demokratie in Schottland. Sie berühren die Interessen aller politischen Parteien, des zivilgesellschaftlichen Schottlands und des schottischen Parlaments auf institutioneller Ebene. Daher müssen mit diesen wichtigen Interessengruppen Überlegungen darüber angestellt werden, wie die Empfehlungen umgesetzt werden können“, erklärt die Regierung.

Es sei eine Herausforderung, eine repräsentative Auswahl der Bevölkerung direkt in die bestehenden Regierungs- und Parlamentsinstitutionen einzubinden, die auf einer repräsentativen Demokratie beruhten und in regelmäßigen Abständen gewählt würden. „Die schottische Regierung beabsichtigt, mit dem schottischen Parlament zu erörtern, wie diese Empfehlungen am besten umgesetzt werden können.“

Verständigung mit dem Parlament

Ähnliche Überlegungen gälten für die Empfehlungen, die sich auf das Verhalten und die Integrität von Politikern und die Verantwortung der Abgeordneten gegenüber ihren Wählern bezögen, sowie für die Ernennung eines überparteilichen, unabhängigen Überprüfungsgremiums. Auch hier plane die Regierung, sich mit dem Parlament darüber zu verständigen, wie diese Empfehlungen am besten umgesetzt werden könnten.

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