Wie weiter mit Bürgerräten?

Der Journalist und Losdemokratie-Vorkämpfer Hugh Pope war im September 2024 bei der jährlichen Konferenz des Bürgerrat-Netzwerks „Democracy R&D“ im kanadischen Vancouver dabei. Hier sein Bericht mit einer Verknüpfung zu Ideen für die Zukunft von Bürgerräten.
Inspirierend und magisch
„Inspirierend“. ‚Magisch‘. ‚Konsens erzielen‘. Mit solchen Worten wird selten ein politisches Entscheidungsverfahren beschrieben. Doch während einer kürzlich in British Columbia durchlebten Woche mit Schulungen, Workshops und Veranstaltungen zum Fortschritt der deliberativen (beratenden) Demokratie waren alle des Lobes für Bürgerräte voll. Im September wurde in der kanadischen Provinz der 20. Jahrestag des ersten zufällig gelosten Bürgerrates der modernen Welt gefeiert, der 2004 in Vancouver stattfand.
Seit diesem wenig beachteten Ereignis fanden inzwischen weltweit vermutlich 1.000 Bürgerräte statt. Die meisten wurden in den letzten Jahren einberufen und die Zahl wächst schnell, insbesondere auf kommunaler Ebene. Democracy R&D, ein Netzwerk für deliberative Demokratie, das 2018 mit einer Konferenz von 30 Personen in Madrid gestartet war, versammelte in diesem Jahr bei einer Konferenz in Vancouver 200 Bürgerrat-Durchführer und Experten.
Als Symbol für die Begeisterung zeigte Leonora Camner, Geschäftsführerin von Democracy Beyond Elections, ein neues Tattoo in Form eines Kleroterions, eines Apparates, die im antiken Athen zur Zuweisung von Bürgern zu politischen Entscheidungsgremien verwendet wurde.
Bürgerräte erarbeiten Lösungen
Heute sind Bürgerräte ein sich weiterentwickelndes Verfahren, um schwierige Entscheidungen im Sinne des Gemeinwohls zu treffen. Sie bringen zwischen 30 und 200 Teilnehmer zusammen, die per Los aus der jeweiligen Gemeinde oder dem jeweiligen Land ausgewählt werden. In der Regel treffen sich die Bürger mehrere Tage. Über mehrere Wochen hinweg lernen sie sich zunächst kennen, lassen sich von Experten über die anstehende Herausforderung informieren, beraten sich untereinander und schlagen dann Lösungen vor.
Sie sind daher viel vielfältiger zusammengesetzt als beispielsweise gewählte Parlamente, die von charismatischen, relativ wohlhabenden Menschen wie Parteipolitikern oder Juristen dominiert werden. Bürgerräte beschließen konsensbasierte Vorschläge regelmäßig mit einer Zustimmung von i.d.R. mehr als 80 Prozent.
„Die Demokratie heilen“
„Menschen, die vorgeben zu helfen, tun das nicht. [Dieses Wahlsystem] ist ein europäisches Konstrukt und es fällt auseinander“, sagte Shane Pointe, ein kanadischer indigener Anführer, der gekommen war, um die Eröffnung der Democracy R&D-Konferenz im Namen seiner Vorfahren zu segnen. “Wir müssen handeln, meine Freunde aus aller Welt! Wir müssen die Botschaft verbreiten, dass wir uns beteiligen müssen. Wir sind die heilige Medizin, die uns helfen wird, die Demokratie zu heilen.“
Die Empfehlungen des ersten Bürgerrates in British Columbia zu einer Wahlrechtsreform im Jahr 2004 wurden in einem provinzweiten Referendum mit einer Zustimmung von 57 Prozent der Abstimmenden angenommen - ein bemerkenswerter Erfolg, auch wenn die für eine Gesetzesänderung erforderliche 60-Prozent-Mehrheit an diesem Tag verfehlt wurde.
„Die Welt verändert“
„Es war eine Weltneuheit“, sagte Peter MacLeod, der Doyen der kanadischen Aktivisten für eine deliberative Demokratie, bei einem Jubiläumstreffen der Teilnehmer. „Es mag [in British Columbia] nicht erfolgreich gewesen sein, aber es hat dennoch die Welt verändert.“
MacLeod erinnerte sich daran, wie der irische Politikwissenschaftler David Farrell 2004 am Bürgerrat teilgenommen hatte, um die Teilnehmer über das irische Wahlsystem zu informieren, aber mit der Überzeugung nach Hause gegangen war, dass die Zufallsauswahl tatsächlich die Zukunft sein könnte. Dies führte direkt zu den irischen Bürgerräten, die in den 2010er Jahren die politischen Blockaden des Landes in Bezug auf gleichgeschlechtliche Ehen und Abtreibungen auflösten.
Mittel gegen Politikverdrossenheit
Die Woche der Demokratie-Veranstaltungen in British Columbia lieferte weitere Belege für das Potenzial der deliberativen Demokratie, als Gegenmittel gegen Politikverdrossenheit zu wirken: Entfremdung von Parteipolitikern, herrschenden Parteien, schlechte Entscheidungsfindung und Wut über die schlechte Leistung von Wahlverfahren die Bildung einer wirksamen Regierung betreffend.
„Die Polarisierung fiel als erstes“, erinnerte sich Shoni Field in ihrer Ansprache an ehemalige Teilnehmer dieses ersten Bürgerrates in Vancouver. Die Rede wurde im selben Gebäude in der Innenstadt gehalten, in dem sich die Bürgerrat-Teilnehmer 2004 getroffen hatten. Sie erinnerte sich daran, dass sie und andere Mitglieder anfangs nicht geglaubt hatten, eine Einigung erreichen zu könnten. Aber “es war viel einfacher als erwartet, Gemeinsamkeiten zu finden. Wir haben Vertrauen und Verbundenheit gespürt ... es war wie Magie.“
„Entwerfen Sie etwas Neues!“
Politiker haben solchen Bürgerräten noch keine Entscheidungsbefugnisse übertragen, aber sie sind eher bereit, sich auf eine ernsthafte Diskussion ihrer Empfehlungen einzulassen. In Kanada haben seit 2004 etwa 50 Bürgerräte stattgefunden, viele davon auf lokaler Ebene, wie der, der im September auf Vancouver Island in British Columbia begonnen hatte. Die Bürgermeister der beiden größten Gemeinden auf Vancouver Island, Victoria und Saanich, hatten 48 zufällig ausgeloste Bürger zur Beratung über einen lange aufgeschobenen Plan zur Verschmelzung der Kommunen begrüßt.
„Nur wenige Menschen haben die Chance, das zu tun, was Sie tun. Entwerfen Sie etwas Neues!“, sagte die Bürgermeisterin von Victoria, Marianne Alto, bei der Eröffnungsveranstaltung zu den Teilnehmern. Ihr Amtskollege Dean Murdock aus Saanich fand ebenso ermutigende Worte. ‚Sie bringen Ihre Lebenserfahrung ein und vertreten die Gemeinde. Wir verpflichten uns, Ihre Empfehlungen den Wählern vorzulegen‘, versprach er.
Deliberative Demokratie noch in Kinderschuhen
Die deliberative Demokratie steckt noch in den Kinderschuhen. Eine Woche lang diskutierten die Demokratie-Aktiven. Dabei wurden mehrere Diskussions- und Innovationslinien deutlich, von Verfahren der Zufallsauswahl bis hin zur Formulierung einer umfassenden Theorie des Wandels.
Zum Beispiel treten nur wenige der Befürworter der deliberativen Demokratie, die in British Columbia versammelt waren, öffentlich dafür ein, dass die Zufallsauswahl die Wahlen zu Gemeinderäten und Parlamenten vollständig ersetzen sollte, wie es in den glorreichen Tagen des antiken Athen der Fall war. Aber es gibt auch keinen klaren Endpunkt.
Wo haben Politiker Schmerzpunkte?
„Ich will Evolution, keine Revolution! Der Versuch, alles auf einmal zu ändern, würde zu Chaos führen. In einer Zeit, in der unsere Demokratien bereits unter extremem Druck stehen, will das niemand,“ sagte Emily Jenke, die Co-Vorsitzende der australischen Bürgerrat-Organisatoren von democracyco.
Zakia Elvang, Geschäftsführerin der dänischen Organisation „We Do Democracy“, wies später darauf hin, dass das Ziel darin bestehen sollte, herauszufinden, wo gewählte Politiker Schmerzpunkte haben, und etwas dagegen zu unternehmen. „Bürger einzuladen sollte Politikern helfen, nicht eine Bedrohung für sie darstellen“, sagte sie.
Bürgerrat-Befürworter sind ehrgeiziger geworden
Die wenigen Menschen, die sich eine Welt vorstellen können, die von zufällig ausgelosten Gremien regiert wird, räumen im Allgemeinen ein, dass es ein Jahrhundert oder länger dauern könnte, bis dies erreicht ist. Wie mein verstorbener Vater Maurice Pope in seinem Buch “The Keys to Democracy: Sortition as a Model for Citizen Power“ betont hat, haben Wahlen selbst Jahrhunderte gebraucht, um sich zu etablieren. Das allgemeine Wahlrecht war ein lange Zeit unerwartetes Ergebnis der allmählichen Verdrängung der diskreditierten Herrschaft von Königen, Päpsten und Adligen.
Dennoch sind die Befürworter der deliberativen Demokratie in den letzten Jahren ehrgeiziger geworden. So hat beispielsweise die Diskussion über Bürgerräte die Aufmerksamkeit in den Schatten gestellt, die einst der frühen Innovation der Bürgerhaushalte zuteil wurde. Diese waren in den 1990er Jahren entstanden, um den Bürgern eine Rolle bei der Beratung von Regierungen zur Verwendung eines kleinen Teils ihrer jährlichen Ausgaben zu geben.
Überraschende Hürde
Selbst im heutigen, vollständig digitalen Zeitalter besteht eine überraschende erste Hürde bei der Zufallsauswahl darin, Zugang zu vollständigen Bürgerlisten zu erhalten, aus denen ausgelost werden kann. In einigen Ländern gibt es zumindest Zugang zu Wählerlisten; in anderen müssen die Organisatoren von Bürgerräten diese Aufgabe an Meinungsforscher oder Wahlforscher geben, was teuer sein kann.
In der Regel reagieren nur etwa zwei bis fünf Prozent der zufällig ausgelosten Bürger positiv auf die Einladung zur Mitwirkung in einem Bürgerrat. Durch eine zweite Runde der Zufallsauswahl aus dieser Gruppe wird sichergestellt, dass die endgültige Auswahl der Bürgerrat-Mitglieder die demografische Zusammensetzung der Gemeinde widerspiegelt, z. B. in Bezug auf Geschlecht, Alter, Wohnort, Sprache, Bildung und Einkommen.
Chancenungleichheit durch geschichtetes Losverfahren
Bürgerräte sind daher eher auf solche Menschen ausgerichtet, die bereit sind, auf solche Einladungen mit „Ja“ zu antworten. Außerdem verringern die Auswahlkriterien die individuellen Chancen auf eine Teilnahme für Menschen, die am häufigsten mit „Ja“ antworten. In europäischen Ländern bedeutet dies beispielsweise, dass ältere, gebildete, wohlhabende weiße Männer nur geringe Chancen auf eine Teilnahme haben.
Die einzige echte Lösung für eine vollständige Repräsentativität - wie von einigen vorgeschlagen, darunter auch von meinem verstorbenen Vater in seinem Buch - besteht darin, die Teilnahme an Losversammlungen verpflichtend zu machen, wie bei der Tätigkeit in Geschworenengerichten. Dies ist vorerst unwahrscheinlich, zumindest bis die Losdemokratie viel bekannter ist und von allen akzeptiert wird.
Ideen für bessere Bürgerräte
Bis dahin haben die Teilnehmer der Democracy R&D-Konferenz eine Reihe von Schritten vorgeschlagen:
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Es sollte besser untersucht werden, warum sich Menschen dafür entscheiden, an Bürgerräten teilzunehmen. Dann sollten die zufällig ausgelosten Personen davon überzeugt werden, sich für eine Teilnahme zu entscheiden. Aktive von „Es geht LOS“ in Deutschland gehen beispielsweise von Tür zu Tür, um die vom Computer ausgewählten Personen davon zu überzeugen, an Bürgerräten teilzunehmen. Damit haben sie die Zustimmungsrate auf bis zu 25 Prozent erhöht.
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Vermeiden Sie es, beim geschichteten Losverfahren zu viele Rekrutierungskriterien anzuwenden (z. B. in Bezug auf Bildung oder Vermögen), da motivierte Bürger versuchen könnten, das System mit falschen Antworten zu manipulieren, um in den Bürgerrat zu gelangen. Ein sinnvolles Maximum liegt bei etwa sechs Kriterien.
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Erstellen Sie aus der Gruppe der teilnahmeinteressierten Personen eine große Anzahl möglicher, geschichteter Bürgerräte und losen Sie dann einen davon aus. Dadurch wird die endgültige Auswahl einer einzelnen Person gerechter. Der Deutsche Bundestag hat bei der endgültigen Auswahl seiner neuen Bürgerräte so etwas Ähnliches gemacht. Die MIT-Professorin Bailey Finnegan hat auch einen wissenschaftlichen Algorithmus entwickelt, um die Auswahlchancen einer Person gerechter zu gestalten - den sie charmant die „Goldilocks“-Methode nennt.
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Da es keine Pflicht zur Teilnahme an Bürgerräten gibt, sollte eine möglichst umfassende Liste aller Personen in einer Gemeinde erstellt werden, die grundsätzlich bereit sind, an einem zukünftigen Bürgerrat teilzunehmen, die dann von allen Organisatoren von Bürgerräten genutzt werden kann.
Kann KI der deliberativen Demokratie helfen?
Einigen Teilnehmern zufolge könnte künstliche Intelligenz (KI) einer Vielzahl von Menschen einen Zugang zur deliberative Demokratie eröffnen, den heute nur wenige Menschen haben. Von dieser Technik begeisterte Menschen stellten sich vor, dass hochqualifizierte Bots die Moderation übernehmen, den Teilnehmern eine einfachere Abfrage interner Datenbanken mit Experteninformationen ermöglichen, Gespräche verschriftlichen oder Schlussfolgerungen aus Hunderten von Dokumenten auf einmal zusammenfassen könnten. Tatsächlich läuft in Oregon bereits ein erstes vollständig technologiegestütztes Experiment in der Deschutes Civic Assembly on Youth Homelessness.
KI-Skeptiker meinen, dass der Kern der Magie von Bürgerräten im menschlichen Kontakt, Vertrauen und Bürgersinn liegt, die sich von Angesicht zu Angesicht so viel leichter aufbauen lassen.
Bürgerräte institutionalisieren?
Für einige Organisationen im Bereich der deliberativen Demokratie ist die Institutionalisierung von Bürgerräten der richtige Weg. Mit der Deutschsprachigen Gemeinschaft Ostbelgien, der Stadt Paris, einem Klima-Bürgerrat für die Region Brüssel und einem neuen Bürgerrat zur Zukunft der EU wurde bereits ein erfolgreicher Anfang gemacht. Jedes dieser Experimente ist anders, aber ein Grundprinzip besteht bisher darin, dass eine zufällig ausgewählte Gruppe Themen für andere Ad-hoc-Bürgerräte mit begrenzter Dauer auswählt, die dann behandelt werden.
Skeptiker befürchten, dass eine Institutionalisierung zu Hierarchien führen, eine Mentalität des bezahlten Berufs erzeugen und das tiefe Gefühl des Dienstes an der Gemeinschaft verloren gehen könnte, das derzeit in kürzeren Bürgerräten zu spüren ist. „Ich befürchte, dass ständige Bürgerräte zu einer Überbürokratisierung führen könnten“, sagte der Leiter einer paneuropäischen gemeinnützigen Organisation.
Losdemokratie wenig bekannt
Eine der Frustrationen der Teilnehmer ist, wie wenig bekannt die Losdemokratie immer noch ist. Trotz der ständigen Unzufriedenheit mit der Leistung gewählter Regierungen gibt es in den Nachrichten der wichtigen Medien nur wenige Berichte über alternative Methoden der Entscheidungsfindung. „Die Artikel über Bürgerräte werden am wenigsten gelesen“, sagte der kalifornische Demokratie-Kolumnist Joe Mathews auf der Democracy R&D-Konferenz.
Es ist jedoch bemerkenswert, dass nur sehr wenige Bürger, wenn überhaupt, die Teilnahme an einem Bürgerrat abbrechen, trotz der intensiven Arbeit, die dort in der Regel an Wochenenden stattfindet. Tatsächlich hört man die Teilnehmer oft sagen, dass diese Erfahrung ein Höhepunkt ihres Lebens war. Solche Ehemaligen werden oft zu leidenschaftlichen Befürwortern des Verfahrens. Es könnte mehr getan werden, um sie zu mobilisieren, damit sie die Botschaft verbreiten, auch wenn diese Ehemaligen weltweit immer noch eine kleine Gruppe sind.
Geringes Medieninteresse
Die wichtigen Medien interessieren sich in Momenten der großen Wut auf unbeliebte Regierungen für die Losdemokratie. Doch die Welle der Hoffnung scheint zu verschwinden, wenn eine neue Partei an die Macht kommt.
Vor den letzten Wahlen in Großbritannien hatte z.B. ein Berater der Labour Party vorgeschlagen, dass Bürgerräte Teil eines Regierungsprogramms der Labour Party sein könnten, aber die Partei machte später einen Rückzieher.„Sobald sie gewonnen hatten, wurden Bürgerräte plötzlich zur unwichtigsten Priorität“, bemerkte der Leiter einer internationalen gemeinnützigen Demokratieorganisation.
Begriffe besser wählen
Ein weiterer Vorschlag zur Erweiterung der Erfahrungen mit Bürgerräten wäre, mehr mit der zufällig ausgelosten ersten Gruppe derjenigen anzufangen, die sich für eine Teilnahme bewerben, aber nicht ausgewählt werden. Das sind oft einige hundert Personen. Sie könnten beispielsweise zu einer besonderen Sitzung des Bürgerrates eingeladen werden, in der sie das anstehende Thema mit den Bürgerrat-Teilnehmern besprechen könnten.
Auch eine bessere Wahl der Begriffe oder ein stärkeres Bewusstsein dafür könnte helfen. Das Wort „Sortition“ (Auslosung) ist wenig bekannt oder wird wenig verstanden. Einige sagen, dass Bürgerräte (Citizens' Assemblies) als Bürgerschaftliche Versammlungen (Civic Assemblies) bezeichnet werden sollten (um beispielsweise nicht registrierte Flüchtlinge einzubeziehen).
Demokratie = Wahlen
Einige befürchten, dass das Wort Demokratie selbst abschreckend wirken könnte und für verschiedene Menschen unterschiedliche Bedeutungen hat. Ein Problem ist, dass die Menschen Demokratie heute ausschließlich mit Wahlen in Verbindung bringen, obwohl Demokratie („Herrschaft des Volkes“) bis zum 18. Jahrhundert hauptsächlich zur Beschreibung der direkten Volksherrschaft verwendet wurde, die durch die Zufallsauswahl der Antike ausgeübt wurde.
Eine weitere Schwierigkeit ist, dass das Wort Demokratie heute negative Gefühle auslösen kann, weil die Menschen glauben, Demokratie bedeute Wählen und gewählte Regierungen hätten einen schlechten Ruf.
Mehr Daten und Geschichten sammeln
Zu den Vorschlägen der Teilnehmer der Democracy R&D-Konferenz, das Bürgerrat-Verfahren bekannter zu machen, gehörten Ideen wie:
- mehr Daten und Geschichten über Bürgerräte und ihre Wirkungen sammeln und diese zur Entwicklung einer überzeugenden Theorie des Wandels nutzen
- ehemalige Teilnehmer von Bürgerräten als Fürsprecher mobilisieren
- Politiker gewinnen und sie - bevor sie die Macht übernehmen - davon überzeugen, dass Bürgerräte Unterstützung und Legitimität bringen können und ihre Mandate nicht bedrohen
- zu betonen, dass Bürgerräte die Vielfalt besser repräsentieren als gewählte Gremien und besser in der Lage sind, Interessengruppen einzugrenzen
- die deliberative Demokratie besser mit den Bedürfnissen der breiten Öffentlichkeit zu verknüpfen.
Gemeinnützige Organisationen ringen oft um die Finanzierung ihrer Arbeit. Die Welt der deliberativen Demokratie hat es besonders schwer, Geld zu beschaffen, und einige Organisationen berichten von schicksalhaften Begegnungen.
Geldgeber ohne Bezug zur Realität
Kleine Spenden in großem Umfang sind für Demokratie-Organisationen unbekannt, vielleicht weil die deliberative Demokratie (noch) kein Thema ist, das die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit oder eines auf der Straße vorübergehenden Spenders auf sich ziehen kann. Auf der anderen Seite sind große nationale Geldgeber für Organisationen, die sich für eine Verbesserung der Demokratie einsetzen, oft mit gewählten Politikern verbunden, die befürchten könnten, dass die Unterstützung von Alternativen zu Wahlen den Ast absägen könnte, auf dem sie sitzen.
Außerdem ist das Feld neu und unerprobt, und nur sehr wenige Organisationen sind älter als zehn Jahre. „Die Geldgeber haben manchmal keinen Bezug zur Realität“, sagte mir der Leiter einer internationalen Demokratie-Organisation. „Schauen Sie sich an, was beim Brexit-Referendum passiert ist. Es wurden zig Millionen Pfund ausgegeben, um die Kampagne gegen Europa zu beeinflussen. Und für die Losdemokratie geben uns die Geldgeber 100.000 oder 150.000 Dollar und fragen uns dann, warum wir die Demokratie nicht verändert haben.“
Reiche von Wahlen frustriert
Ein ermutigender Unterschied ist, dass die deliberative Demokratie reiche Menschen anzieht, die von Wahlen frustriert sind. Einige von ihnen haben ihre eigenen gemeinnützigen Organisationen gegründet und beteiligen sich aktiv an deliberativen Projekten. Die Zeit wird zeigen, ob sie szusammenarbeiten können, um eine breitere Bewegung aufzubauen.
Obwohl das Democracy R&D-Netzwerk seit seiner Gründung im Jahr 2018 schnell auf mehr als 100 Organisationen und 100 Einzelmitglieder angewachsen ist und insgesamt vielleicht 400 Menschen umfasst, erwarten nur wenige Mitglieder eine rasche globale Umstellung auf die Losdemokratie. „Die Revolution wird langsam voranschreiten und zuerst in den lokalen Verwaltungen stattfinden“, prognostizierte ein Gründungsmitglied aus Brüssel, wo die Konferenz im nächsten Jahr stattfindet.
Zahl der Bürgerräte steigt
Dennoch steigt die Zahl der weltweit durchgeführten Bürgerräte. Nach meiner Woche in British Columbia bin ich mir sicher, dass all die Energie, neuen Ideen, zielgerichteten Organisationen und der Idealismus dafür sorgen werden, dass die Welle der deliberativen Demokratie nicht so schnell verebben wird.
Die Herausforderung für die neuen Demokraten besteht darin, die von ihnen angebotenen Lösungen - wie Bürgerräte - mit der inzwischen weit verbreiteten Erkenntnis zu verbinden, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in Wahlen und die daraus hervorgehenden Regierungen verloren gegangen ist. Oder zumindest, wie man diese Verbindung herstellt, bevor die Kräfte, die in diesem Rennen derzeit weit vorne liegen, das Argument für sich gewinnen: das eine Drittel der Bevölkerung in reicheren Ländern mit Wahlen, das meint, dass autoritäre Herrschaft die Antwort ist.
„Müssen weiter Bürgerräte organisieren“
Der Kanadier Peter MacLeod forderte Demokratie-Aktiven in Vancouver auf, in ihren Bemühungen nicht nachzulassen, und verwies auf den letztendlichen Erfolg der letzten großen demokratischen Welle in den Jahren 1790 - 1830. In dieser Zeit führten die amerikanische und die französische Revolution dazu, dass Monarchen, Erzbischöfe und Aristokraten durch wirksamere gewählte Regierungen ersetzt wurden.
„Unterschätzen Sie nicht die Fähigkeit einer kleinen Gruppe von Menschen, die Welt zu verändern [auch wenn] es weitere 120 Jahre bis zur vollständigen Verwirklichung gedauert hat“, sagte er. “Wir müssen weiter Bürgerräte organisieren. Der zweite Akt der Demokratie hat begonnen.“