Unsichere Zukunft für Bürgerräte in Vorarlberg

11. April 2025
Udo Mittelberger

Bürgerräte werden es in Vorarlberg künftig wohl schwerer haben. Das Büro für Freiwilliges Engagement und Beteiligung (FEB), das in der Vergangenheit viele Losversammlungen unterstützt und organisiert hat, wird Mitte 2025 aufgelöst. Kritiker sprechen angesichts der aktuellen Entwicklungen von einer „Zerschlagung“.

Die Entscheidung fällt wenige Monate nach dem Wechsel in der Regierung des österreichischen Bundeslandes - von einer Koalition aus konservativer ÖVP und Grünen zu einem Bündnis von ÖVP und rechtsextremer FPÖ. Besonders bekannt ist das Vorarlberger Bürgerrat-Modell auch deshalb, weil Bürgerräte hier nicht nur von der Politik, sondern mit 1.000 Unterschriften direkt aus der Bevölkerung heraus initiiert werden können - ein europaweit nahezu einzigartiges Beteiligungsrecht.

Wie wirksam Bürgerräte sein können, zeigte etwa der Bürgerrat zum Thema Asyl im Jahr 2015: Er stärkte die Vernetzung zentraler Akteure und führte zu einer breit angelegten Kommunikationsstrategie, die wesentlich dazu beitrug, Ängste in der Bevölkerung abzubauen.

Vorreiterrolle mit internationaler Strahlkraft

Ob aus Japan, der Ukraine oder Deutschland - aus der ganzen Welt kamen Delegationen nach Vorarlberg, um sich über Beteiligungskultur und gelebte Demokratie zu informieren. Besonders großes Interesse galt dabei dem Bürgerrat: 12 bis 16 zufällig ausgeloste Menschen erarbeiten an einem Wochenende Empfehlungen zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen. Die Ergebnisse werden der Politik übergeben, öffentlich vorgestellt und zur Diskussion gestellt.

Seit 2006 wurden in Vorarlberg über 45 Bürgerräte auf Gemeinde-, Regional- und Landesebene durchgeführt. Sie ergänzen die bestehenden politischen Strukturen und schaffen Raum für konstruktiven Dialog zwischen Bevölkerung und Politik. Bislang war das FEB für die Organisation und Umsetzung zuständig.

Ein Meilenstein war 2013 die Aufnahme des Beteiligungsinstruments in die Landesverfassung. Eine verbindliche Richtlinie regelt seither Qualität und Ablauf - und öffnet die Tür für zivilgesellschaftliche Initiativen: In Vorarlberg kann nicht nur die Politik, sondern auch die Bevölkerung selbst einen Bürgerrat einberufen. Dafür braucht es 1.000 Unterschriften. Dieses einzigartige Beteiligungsrecht wurde international zum Vorbild - etwa in Danzig und Konstanz. Ob und wie das Modell künftig weitergeführt wird, ist derzeit offen.

Was ist passiert?

In einer Presseaussendung des Landes Vorarlberg heißt es, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des FEB „unter den Vorzeichen der Konsolidierungsbestrebungen“ rund zwei Monate lang mit einer „künftigen Neugestaltung und Themenverortung“ beschäftigt haben. Ziel sei es gewesen, Ressourcen freizuspielen, um diese „für zukunftsrelevante Themen verfügbar zu sein“. Bestehende Inhalte und Aufgabenbereiche sollen bis Mitte 2025 in thematisch verwandte Organisationseinheiten innerhalb der Landesverwaltung überführt werden.

Von einer Auflösung des Büros ist in der offiziellen Mitteilung nicht ausdrücklich die Rede, wohl jedoch in der Lokalpresse. Kritik ließ nicht lange auf sich warten: Die Grünen sprachen von einer „Zerschlagung“ des Büros und bezeichneten den Schritt als „Schlag ins Gesicht für die Vereine“.

Wie geht es mit der Bürgerbeteiligung weiter?

Eine Nachfrage des ORF ergab, dass Bürgerräte in Vorarlberg weiterhin stattfinden sollen. Ein Termin für den nächsten Bürgerrat wurde bislang nicht genannt.

Laut Pressemitteilung soll die Beteiligungskompetenz künftig mit der Verwaltungsentwicklung zusammengeführt werden. Was dies konkret bedeutet, bleibt bisher unklar. Am Ende der Mitteilung heißt es: „Die jetzt vorgesehene Zusammenführung setzt auf der wertvollen Arbeit auf und macht den vorhandenen Wissensschatz noch stärker für die Landesverwaltung, beispielsweise in punkto Entbürokratisierung, nutzbar.“ Kündigungen gebe es keine, so heißt es: „die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen ihre Aufgaben entsprechend den Neuzuordnungen weiterhin engagiert wahr.“ 

Das Büro für Freiwilliges Engagement und Beteiligung ist die erste Amststelle der Vorarlberger Landesverwaltung, die im Zuge der Konsolidierungsbetrebungen geschlossen wird.

Das FEB - Eine Institution mit Geschichte

Die Ursprünge des FEB reichen bis ins Jahr 1992 zurück, als die Vorarlberger Landesregierung den Umweltinformationsdienst (UID) gründete. Ende 1999 entstand daraus das Büro für Zukunftsfragen (ZuB), das 2020 aufgrund zunehmender Bedeutung der Themen Bürgerbeteiligung und Ehrenamt schließlich zum FEB umbenannt wurde.

Über Jahre hinweg hat das FEB die Beteiligungskultur in Vorarlberg maßgeblich mitgeprägt. Es hat Bürgerbeteiligung als festen Bestandteil der politischen Praxis etabliert, als Katalysator für gesellschaftliche Innovationen gewirkt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt gestärkt - durch Bürgerbeteiligung ebenso wie durch die Förderung freiwilligen Engagements.

Mit konsequenter Methodenentwicklung und praxisnaher Umsetzung hat das FEB Vorarlberg zu einer Modellregion für Beteiligung gemacht - und sich selbst international einen Namen.

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