Schweizer Bevölkerungsrat will Zuckersteuer
In der Schweiz befürwortet ein Bevölkerungsrat eine Lenkungssteuer auf Zucker. Diesen sowie fünf weitere Reformvorschläge zur Gesundheitsförderung und Prävention hat der Rat am 15. April 2025 in Bern vorgestellt.
Die Vorschläge zielen darauf ab, die Gesundheit zu fördern und langfristig die Gesundheitskosten zu senken, Dazu gehört auch die Erhöhung der bestehenden Abgabe auf Alkohol und Tabak. Die Lenkungssteuer solle dazu beitragen, dass Menschen weniger von diesen Produkten konsumieren, da sie durch höhere Preise unattraktiver würden.
Gesundheitskompetenzen stärken
Am meisten Zustimmung erhielt der Vorschlag, Gesundheitskompetenzen in allen Lebensphasen zu stärken, wie dem Abschlussbericht zu entnehmen war. Dafür sollten mehr Bildungsangebote und gezieltere Schulungen von Fachpersonen geschaffen werden, damit Menschen informierte Entscheidungen zur Ernährung, Bewegung und mentaler Gesundheit treffen könnten.
Weiter schlug der Bevölkerungsrat die Einführung eines nationalen Gesundheitsgesetzes, die Schaffung eines Kompetenzzentrums für Gesundheitsförderung und Prävention, den Ausbau nationaler Informationskampagnen und ein schärferes Werbeverbot für nikotin- und alkoholhaltige Produkte. Vier diskutierte Maßnahmen fanden keine Mehrheit: die Ausweitung der Grundversicherung auf Vorsorgeuntersuchungen und Check-ups, die Streichung von Subventionen für die Alkohol- und Tabakproduktion und -vermarktung, eine Pflicht für Arbeitgeber, Maßnahmen zur Gesundheitsförderung umzusetzen sowie ein Label für Unternehmen, die das Wohlergehen des Personals stärken.
Der Bevölkerungsrat möchte mit seiner Arbeit Impulse in die Gesundheitspolitik setzen. Er wird seinen Abschlussbericht am 20. Mai in Bern der Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider übergeben.
100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer
Der nationale Bevölkerungsrat zum Thema "steigende Gesundheitskosten" in der Schweiz hatte am 16. November 2024 begonnen. An der Losversammlung hatten 100 zufällig ausgeloste Einwohnerinnen und Einwohner aus dem ganzen Land teilgenommen. Der Bevölkerungsrat war gleichzeitig ein Forschungsprojekt zur Frage, ob und wie Bürgerräte demokratische Debatten bereichern und Raum für differenzierte Diskussionen schaffen können.
„Die Qualität öffentlicher Debatten und der demokratische Austausch stehen unter Druck. Eine zunehmende Polarisierung und veränderte Mediengewohnheiten erschweren es, innerhalb der Gesellschaft ein gemeinsames Verständnis für zentrale Herausforderungen zu schaffen und ohne ideologische Scheuklappen respektvolle und lösungsorientierte Diskussionen zu führen“, heißt es auf der Internetseite der von den Universitäten Genf und Zürich durchgeführten Losversammlung.
Herausforderungen entgegenwirken
Mit dem Projekt „Bevölkerungsrat 2025“ wird unter anderem untersucht, inwiefern neue Formen der Demokratie diesen Herausforderungen entgegenwirken können. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwiefern sich Bürgerräte dafür eignen, wichtige gesellschaftliche Debatten auszutragen, das Verständnis für unterschiedliche Sichtweisen zu fördern und damit einen Beitrag zu einer konstruktiven und vielfältigen öffentlichen Debatte zu leisten.
Um diesen Fragen nachzugehen, wird im Rahmen dieses Forschungsprojekt auch untersucht, inwiefern das Ergebnis aus dem Bevölkerungsrat zur Meinungsbildung von Personen beiträgt, die selbst nicht Teil der Diskussionen im Bevölkerungsrat waren.
Gesundheitskosten besonders dringliches Thema
Im April 2024 waren 22.000 Menschen aus der ganzen Schweiz brieflich eingeladen worden, am Bevölkerungsrat teilzunehmen. Alle Eingeladenen konnten dabei eines von fünf vorgeschlagenen Themen auswählen. Mehr als 40 Prozent der Befragten entschieden sich für das Thema "steigende Gesundheitskosten" - vor den Themen Energieversorgung, Neutralitätspolitik, Finanzierung der Altersvorsorge und Europapolitik.
Die Befragten begründeten ihre Themenwahl am häufigsten mit der zunehmenden finanziellen Belastung der Haushalte, die für einen Großteil der Bevölkerung untragbar werde. Auch sahen viele im Bevölkerungsrat eine Chance, eine lösungsorientierte Diskussion ohne Einflüsse von Interessengruppen zu führen und neue Impulse zu setzen. Die Betroffenheit der Bevölkerung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle:
Diskussion über Gesundheitswesen
In der Schweiz gibt es Diskussionen darüber, ob ein Gesundheitswesen angestrebt werden soll, das die Eigenverantwortung in den Vordergrund stellt oder eines, das die Solidarität zwischen Kranken und Gesunden höher gewichtet. Unterschiedliche Meinungen gebe es auch dazu, wie die Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen aufgeteilt werden sollen. Au0erdem gehe es darum, ob die Schweizer ein Gesundheitssystem wollten, das sich stärker an den Kosten orientiert oder eines, das eher die Qualität der Leistungen zum Maßstab nimmt.
„Der Bevölkerungsrat wird die Herausforderungen im Gesundheitswesen nicht abschließend lösen können“, heißt es auf dessen Internetseite. Vielmehr schaffe der Bevölkerungsrat einen Raum, in dem ein vielfältiges Abbild der Bevölkerung diese Zielkonflikte gemeinsam verhandele und sich in die Diskussion über mögliche Reformen im Gesundheitswesen einbringe.
22.000 Menschen eingeladen
Für den Bevölkerungsrat waren rund 22.000 Menschen über 16 Jahren und unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft aus dem Register des Bundesamts für Statistik gezogen und schriftlich eingeladen worden. 2.004 Interessierte hatten sich für eine Teilnahme beworben.
Bei der Zusammenstellung des Bürgerrates aus diesen Bewerbungen wurden das Alter, das Geschlecht, der Wohnort (Stadt, ländlicher Raum oder etwas dazwischen sowie die Region), der höchste Bildungsabschluss und die politische Einstellung der Bewerberinnen und Bewerber berücksichtigt. Mit der Kategorie „Abstimmungshäufigkeit“ wurde erfasst, wie regelmäßig sich die angemeldeten Personen an Wahlen und Volksbstimmungen beteiligen und die Ergebnisse bei der Zusammenstellung der Gruppe entsprechend berücksichtigt. Der Bürgerrat war nach diesen Kriterien annähernd ein Abbild der Bevölkerung.
Drei Wochenenden, vier Online-Treffen
Der Bevölkerungsrat hatte an drei Wochenenden in Zürich, Neuenburg und Bern getagt. Zudem fanden vier Online-Treffen statt. In der ersten Phase haben sich die 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer über das Thema „steigende Gesundheitskosten“ informiert und festgelegt, an welchem Schwerpunkt sie arbeiten wollten. In der zweiten Phase haben sie ihre Meinungen untereinander ausgetauscht und mit Politikerinnen und Politikern diskutiert. Jetzt bereiten sie die gewonnenen Erkenntnisse und Vorschläge in einem Abschlussbericht für die Öffentlichkeit und Politik auf.