Klima-Bürgerrat in Stuttgart

Welche Rolle spielt die Stadt Stuttgart beim Klimaschutz und mit welchen Maßnahmen sollte Stuttgart dazu beitragen, das 1,5-Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen? Mit dieser Frage befassen sich 61 zufällig geloste Bürgerinnen und Bürger seit dem 4. März 2023.
Die Durchführung des Bürgerrates ist einer Bürgerinitiative zu verdanken. 2021 hatte die „Initiative Bürger*innenrat Klima für Stuttgart“ mehr als 2.500 Unterschriften für einen Einwohnerantrag hierzu gesammelt. Im Dezember war der Gemeinderat der Stadt dem Antrag mit einem Beschluss zur Durchführung einer solchen Losversammlung gefolgt.
„Stuttgart setzt Maßstäbe in der Bürgerbeteiligung“
„Stuttgart setzt Maßstäbe in der Bürgerbeteiligung und im Klimaschutz: Im Bürgerrat Klima kommen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen zusammen, um gemeinsame Empfehlungen zu formulieren“, hatte Stuttgarts Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper seinerzeit erklärt. „Wir suchen versöhnliche, pragmatische und innovative Lösungen, die für die Bürgerinnen und Bürger akzeptabel sind. Denn Klimaschutz geht nur, wenn alle an einem Strang ziehen!“
Im Durchführungsbeschluss des Gemeinderates heißt es, dass der Bürgerrat Klima für die Verwaltung eine Chance sei, noch besser zu verstehen, was die Bürger angesichts der aktuellen Lage von ihr erwarteten. Er könne außerdem interessant sein, um von der Verwaltung angedachte Maßnahmen-Ideen in der Bevölkerung zu spiegeln und dazu vor einer Einbringung in den Gemeinderat ein klares Votum aus der Bürgerschaft einzuholen.
6.000 Stuttgarter eingeladen
Zum Bürgerrat waren 6.000 zufällig aus dem Einwohnermelderegister geloste Stuttgarterinnen und Stuttgarter ab 16 Jahren eingeladen worden. Knapp 900 Interessierte hatten geantwortet. Aus diesen Bewerbungen wurde eine Versammlung zusammengestellt, die nach Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund, Schulabschluss, Erwerbstätigkeit, wirtschaftlicher und finanzieller Lage, dauerhaften körperlichen oder gesundheitlichen Einschränkungen und Vorhandensein minderjähriger Kinder ein Abbild der Bevölkerung ist.
Jugendliche sind im Bürgerrat stärker vertreten als in der Gesamtbevölkerung. Insgesamt sind zehn Personen im Alter von 16 oder 17 Jahren Teilnehmer der Losversammlung. Die Jugendlichen sollen alle Stuttgarter unter 18 repräsentieren - auch Kinder, die noch nicht mitdiskutieren können.
Sechs Sitzungen
Die 61 Bürgerrat-Teilnehmer treffen sich zwischen März und Juni 2023 an sechs Tagen. In dieser Zeit lernen sie alles Wichtige zum Thema Klima und diskutieren über verschiedene Empfehlungen an die Politik. Dabei werden Experten und andere Akteure ihr Wissen an die Teilnehmer weitergeben.
Zu den Experten gehören der Meeresforscher und Klima‐Kommunikator Dr. Udo Engelhardt und Prof. Dr. Jürgen Baumüller, Honorarprofessor für Klimatologie an der Universität Stuttgart. Außerdem bringen Umweltverbände wie der BUND ihr Wissen ebenso ein wie die Stadtwerke Stuttgart und die Innung Sanitär Heizung Klimatechnik Stuttgart.
Empfehlungen für Gemeinderat
Nach seinem letzten Treffen stellt der Bürgerrat seine Empfehlungen dem Stuttgarter Gemeinderat vor. Der Gemeinderat wird über jede Empfehlung des Bürgerrats diskutieren und begründen, welche Empfehlungen er umsetzt und welche nicht. Bei der Stadt Stuttgart gibt es eine Stelle, die sich nach dem Bürgerrat darum kümmert, dass die Ergebnisse in Verwaltung und Politik weiter behandelt werden.
Im Juli 2022 hatte der Gemeinderat beschlossen, dass Stuttgart bis zum Jahr 2035 klimaneutral werden soll. Deshalb soll sich der Bürgerrat auf zwei besonders schwierige Teilfragen konzentrieren:
1. Welche Schritte soll Stuttgart unternehmen, um eine klimaneutrale Wärmeversorgung zu erreichen?
2. Welche Schritte soll Stuttgart unternehmen, um eine klimaneutrale Mobilität zu erreichen? Welche Auswirkungen hat die Mobilität auf den Straßenraum?
Begründung der Themen
Viele Menschen sind im Winter 2022/23 von hohen Heizkosten betroffen und fragen sich, wie sie an dieser Situation etwas ändern können. Gleichzeitig entsteht beim Heizen von Gebäuden ein großer Teil der Treibhausgasemissionen, die Stuttgart in den kommenden Jahren schnell reduzieren muss, heißt es zur Begründung der Befassung mit dem Thema Wärmeversorgung.
Wenn eine klimaneutrale Wärmeversorgung aufgebaut werden solle, stellten sich Fragen etwa zu Flächen und Technik, zu den Auswirkungen des Umbaus und zu den davon Betroffenen und dazu, wie man die Kosten, aber auch den Nutzen des Umbaus gerecht verteilen könne.
Akzeptable Lösungen
Zum Thema Mobilität heißt es, dass für klimafreundliche Verkehrsmittel und für die Klimaanpassung Platz auf den Straßen gebraucht werde. Hier dränge sich unter anderem die Frage auf: Für welche Nutzung des Straßenraums soll es angesichts der Klima‐Thematik wie viel Platz geben? Und wenn der Platz nicht ausreichen sollte, wie gehen wir dann beispielsweise mit dem Parken am Straßenrand um?
Die Bürgerinnen und Bürger seien täglich im Straßenraum unterwegs und hätten deshalb ein hohes Interesse an dem Thema, das sich auch in starken Meinungen und emotionalen Reaktionen ausdrücke. Deshalb sei es eine Chance, die Thematik im Bürgerrat Klima ausführlicher zu behandeln, um Lösungen zu erhalten, die die Mehrheit der Menschen akzeptieren und begrüßen würde.
Verfahren in Grundsatz-Papier festgelegt
In den elfseitigen „Grundsätzen für den Bürgerrat Klima Stuttgart“ ist das Verfahren der Losversammlung detailliert festgelegt. So ist dort nachzulesen, dass die Termine des Bürgerrates für die meisten Menschen geeignet sein müssen. „Menschen mit Behinderung werden besonders unterstützt. Falls benötigt, gibt es auch Angebote für Pflege oder Kinderbetreuung für Angehörige der Teilnehmenden, die in dieser Zeit betreut werden müssen. Experten werden ermutigt und wenn möglich auch danach ausgewählt, dass sie in einer leicht verständlichen Sprache präsentieren. Es wird außerdem an alle Mitglieder der Versammlung eine Aufwandsentschädigung gezahlt“, heißt es dort weiter.
Geleitet wird der Bürgerrat von einer unabhängigen Koordination, die für die Vorbereitung des Verfahrens, die Entwicklung der Tagesordnung, die Einladung von Experten und Moderatoren und mehr verantwortlich ist. Moderiert wird das Verfahren vom Stuttgarter Kommunikationsbüro Ulmer, durchgeführt vom Beteiligungsunternehmen Ifok. Das Fraunhofer-Institut evaluiert den Bürgerrat und schreibt einen abschließenden Bericht. Die Bürgerrat-Kosten von insgesamt 293.000 Euro trägt die Stadt Stuttgart.
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