Klima-Bürgerrat im Saarland gestartet

08. März 2025

Ein Bürgerrat soll im Saarland Vorschläge für die Erreichung der Klimaschutzziele machen. Die erste Sitzung fand am 8. März 2025 statt.

Der saarländische Landtag hatte am 15. November 2023 die Einsetzung des Bürgerrates beschlossen. Dafür stimmten SPD und CDU, die AfD hatte sich enthalten. Die Losversammlung soll neun Monate nach seiner Einsetzung Vorschläge unterbreiten, die dann vom Landesparlament beraten werden.

Demokratie inklusiver gestalten

Landtagspräsidentin Heike Winzent (SPD) hatte das Format in ihrer Antrittsrede im April 2022 angeregt, um die Demokratie für Bürgerinnen und Bürger "inklusiver" zu gestalten und der niedrigen Wahlbeteiligung entgegenzuwirken.

"Wir betreten mit dem Bürgerrat gewissermaßen Neuland. Wir starten ein Experiment", so die Landtagspräsidentin in der Debatte über den Klima-Bürgerrat. "Wir erproben mit dem Bürgerrat jenseits der Rituale und Möglichkeiten des parlamentarischen Alltags ein Instrument zu mehr Teilhabe und Partizipation." Eine knappe Mehrheit der Menschen sei "mit der Art und Weise, wie die Demokratie hierzulande funktioniert", unzufrieden, heißt es im Beschluss des Landtages.

Unterstützung von SPD, CDU und Grünen

Bei SPD und CDU im Landtag findet der Bürgerrat Anklang. "Wir stärken die aktive, themenorientierte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bei kritischen Themenstellungen", sagte Raphael Schäfer, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU. "Einen Versuch ist es wert." Für die SPD erklärte deren stellvertretende Fraktionsvorsitzende Kira Braun: „Ich glaube, dass der Bürgerrat auch uns neue Impulse liefern kann. Wir stoßen unser demokratisches Fenster etwas auf und lassen Frischluft herein. Wir werden diese Empfehlungen aufnehmen, werden davon wahrscheinlich auch vieles in das Klimaschutzkonzept einfließen lassen und in konkretes politisches Handeln umsetzen." Die AfD-Fraktion werde beobachten, wie der Bürgerrat zusammengesetzt wird und was er tut, kündigte Fraktionschef Josef Dörr an.

Die saarländischen Grünen begrüßen die Einsetzung des Bürgerrates. Der Landesvorsitzende Volker Morbe sagte, die breite Bevölkerung besser in die politische Entscheidungsfindung einzubinden, hätten die Grünen immer wieder gefordert. „Gerade im Hinblick auf den Klimaschutz und den Transformationsprozess im Saarland ist dies von äußerster Wichtigkeit.“ Darüber hinaus könnten dort sozialverträgliche Vorschläge ausgearbeitet werden, die die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen erhöhten.

Fragestellung

Die Fragestellung an den Bürgerrat „Klimaschutz im Saarland“ lautet: Wie kann das Saarland auf Grundlage des Pariser Abkommens die im saarländischen Klimaschutzgesetz festgelegten Klimaschutzziele unter Berücksichtigung der sozialen, ökonomischen und ökologischen Verträglichkeit erreichen?

Darum geht es im Bürgerrat:

Handlungsfeld Energie

Neben dem Energiesparen und der Energieeffizienz wird gerade im Saarland als Industrieland die Erzeugung von bzw. die Versorgung mit erneuerbaren Energien ein wesentlicher Pfeiler der Klimaschutzmaßnahmen sein. Eine Frage wird auch sein, wie der klimafreundliche Umbau der Energieversorgung über den Ausbau der erneuerbaren Energien hinaus gelingen kann. Welche Maßnahmen im Bereich der Energie sind erwünscht und geeignet, um die Klimaschutzziele des Saarlandes zu realisieren?

Handlungsfeld Gebäude

Im Gebäudebestand liegen große Energieeinsparungspotenziale. Im Winter geben Gebäude viel Wärmeenergie an die Umwelt ab, im Sommer hingegen wird zunehmend Energie zur Abkühlung von Gebäuden benötigt. Im Gebäudebestand besteht großer Handlungsbedarf.

Welche Maßnahmen sind erforderlich und geeignet, um technologieoffen eine möglichst klimaneutrale Bewirtschaftung des Gebäudebestandes zu erreichen und somit klimafreundliches Wohnen und Arbeiten zu ermöglichen?

Handlungsfeld Mobilität

Nachhaltige Mobilität bedeutet umwelt- und klimafreundliche Fortbewegungsmöglichkeiten. Der Verkehrssektor macht einen großen Teil des Ausstoßes an klimaschädlichen Treibhausgasen aus. Gleichzeitig wollen die Menschen im Land mobil bleiben.

Es stellen sich die Fragen: Wie werden Verkehrsmittel klimafreundlicher und wie kann der Umstieg auf klimafreundliche und effiziente Antriebe gelingen? Welche Schritte soll das Saarland unternehmen, um eine nachhaltige Mobilität mit geringeren Emissionen und einem reduzierten Ressourcenverbrauch zu erreichen?

Handlungsfeld Klimaanpassungsmaßnahmen

Während die Bekämpfung des Klimawandels eine globale Herausforderung darstellt, bringen die Folgen des Klimawandels konkrete lokale Probleme mit sich, die in der Verantwortung des Landes liegen. Diese Folgen des globalen Klimawandels sind längst auch in den saarländischen Gemeinden angekommen: Überflutungen in Folge von Starkregen, hitzebedingten Belastungen oder die Dauer von Trockenzeiten nehmen spürbar zu. Es stellt die Frage, wie das Saarland die Herausforderungen der Folgen des Klimawandels bestehen kann und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen.

Ein Abbild der Bevölkerung

Ende Januar 2025 waren 3.500 zufällig geloste Einwohnerinnen und Einwohner des Landes zur Teilnahme am Bürgerrat eingeladen worden. 379 Eingeladene (10,8 Prozent) hatten ihr Interesse an einer Teilnahme bekundet. Aus diesen wurden die 51 Teilnehmerinnen und Teilnehmer per geschichtetem Losverfahren ausgelost. Ziel: Die Bevölkerung des Saarlandes in ihrer Zusammensetzung bei Geschlecht, Wohnort in den Landkreisen, Alter und Bildungshintergründen verhältnismäßig widerzuspiegeln.

Im Bürgerrat sitzen so 26 Frauen und 25 Männer. 23 Mitglieder der Losversammlung kommen aus einer Kleinstadt, elf aus einer Großstadt. Der Bildungshintergrund ist unterschiedlich: 17 haben die mittlere Reife, zwölf einen Hauptschulabschluss, neun ein abgeschlossenes Studium, bei fünf ist das Abitur der letzte Abschluss und acht haben keinen Schulabschluss oder sind noch in der Ausbildung. Regional betrachtet kommen die meisten aus dem Regionalverband Saarbrücken (15), die wenigsten aus dem Landkreis St. Wendel (4). 17 Bürgerrat-Mitglieder sind 60 Jahre alt oder älter. Der jüngste Teilnehmer ist 14 Jahre alt.

Wissensvermittlung durch Fachleute

Der Bürgerrat tagt an sechs Tagen jeweils sechs Stunden. Die Beratungen der Losversammlung werden durch eine inhaltlich neutrale Moderation geleitet, die für eine ausgewogene Beteiligung der Teilnehmenden sorgt. Zur Vermittlung des erforderlichen Wissens und einer fachlich fundierten Begleitung wird der Bürgerrat durch Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis unterstützt. Ziel ist es, einen möglichst umfassenden und objektiven Überblick über Stand und Breite der Diskussion zur jeweiligen Fragestellung zu geben.

Der Verlauf der Beratungen des Bürgerrates wird der Öffentlichkeit „in geeigneter Form“ zugänglich gemacht. Die Beratungen und Abwägungen der Teilnehmer sollen in einem geschützten Raum erfolgen. Die Beratungen der in Bürgerräten üblichen Kleingruppen sind daher nicht öffentlich. Eine inhaltliche Berichterstattung aus nichtöffentlichen Teilen soll erst nach den Schlussabstimmungen über die Empfehlungen des Bürgerrates erfolgen.

Öffentlichkeit und Transparenz

Vertreter der Presse bekommen Zugang zu den öffentlichen Sitzungen des Bürgerrates. Abgeordnete können als Zuhörer an den öffentlichen Sitzungen des Bürgerrates teilnehmen. Nach Möglichkeit sollen alle Interessierten durch Übertragungen im Internet die Sitzungen verfolgen können. Informationen, Dokumente, Vorträge, Stellungnahmen und weiteres Material werden der Öffentlichkeit ebenfalls online zur Verfügung gestellt.

Die 51 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bürgerrates erhalten eine Aufwandspauschale in Höhe von 100 Euro pro Sitzungstag.

Projektstelle Bürgerrat

Der Bürgerrat wird durch eine „Projektstelle Bürgerrat“ der Landtagsverwaltung unterstützt, die den mit der Durchführung beauftragten externen Dienstleister begleitet. Die Teilnehmer sollen im Rahmen des Auftrags des Bürgerrates hinreichenden Einfluss auf die inhaltliche Schwerpunktsetzung nehmen können. Über das Konzept und über andere sich während der Durchführung stellenden Fragen grundsätzlicher Bedeutung einigt sich die Projektstelle mit der vom Landtagspräsidium eingesetzten Steuerungsgruppe.

Die Arbeit des Bürgerrates wird wissenschaftlich begleitet. Sie dient der Auswertung der Beratungen und Handlungsempfehlungen im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Beteiligungsinstrumentes Bürgerrat.

Der Weg in den Landtag

Vom 15. Juli bis zum 7. September 2024 lief für den Bürgerrat ein Markterkundungsverfahren. Beteiligungsdienstleister konnten sich in diesem Zeitraum dazu äußern. Zwölf potenzielle Anbieter wurden so ausfindig gemacht, die meisten davon überregional. Im November 2024 ist die Entscheidung für die translake GmbH gefallen.

Der Dienstleister hat unter anderem eine Konzeption für den Bürgerrat und für die Zufallsauswahl der Mitglieder erarbeitet. Zudem organisiert er alle Arbeitsformate wie Plenum, Arbeitsgruppen, Workshops und Kleingruppen, betreibt Öffentlichkeitsarbeit und stellt eine wissenschaftliche Begleitung und Evaluation des Projektes sicher.

Erste Sitzung am 8. März

Der Bürgerrat ist am 8. März 2025 erstmals zusammengetreten. Er wird bis zum 30. August 2025 sechsmal tagen. Die Übergabe der Bürgerrat-Empfehlungen in Form eines Bürgergutachtens an den saarländischen Landtag ist für Oktober 2025 geplant. Das Parlament behandelt das Gutachten wie ein Gesetz: Es wird im Plenum diskutiert, dann im Ausschuss beraten und schließlich zur Beschlussfassung ein zweites Mal in den Landtag eingebracht. Bis Ende 2025 soll sich das Parlament mit den Vorschlägen befasst haben und das Projekt wissenschaftlich ausgewertet worden sein.

Es ist beabsichtigt, den Bericht dem Ausschuss für Umwelt, Klima, Mobilität, Agrar- und Verbraucherschutz zur federführenden Beratung zu überweisen. Zur Mitberatung können weitere Ausschüsse hinzugezogen werden. Die Ergebnisse der parlamentarischen Befassung mit den Handlungsempfehlungen des Bürgerrates werden diesem anschließend zur Verfügung gestellt.

Klima-Bürgerräte weltweit aktiv

Der Klima-Bürgerrat im Saarland ist nach Schleswig-Holstein der zweite in einem deutschen Flächenland. Zuvor gab es bereits lokale Klima-Bürgerräte in der Region Freiburg, in Arnsberg, Backnang, Bayreuth, Bergisch Gladbach, Berlin, Bonn, Duisburg, Edermünde, Erlangen, Frankfurt/Main, Konstanz, Mannheim, Neumünster, Offenburg, Osterburg, Schorndorf, Stuttgart und Sulz am Neckar. Weltweit haben von der lokalen bis zur globalen Ebene mehr als 200 Klima-Bürgerräte stattgefunden.

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