Hamburg bekommt Bürgerräte

Hamburg ist das einzige deutsche Bundesland, in dem noch nie ein Bürgerrat stattgefunden hat. Geht es nach dem Willen von SPD und Grünen, soll sich das bald ändern.
Auf Bezirksebene wollen die beiden Parteien „die Zufallsauswahl von Bürgerinnen und Bürgern bei thematisch und zeitlich begrenzten Beteiligungsverfahren erproben und die Erfahrungen mit ihnen evaluieren.“ So steht es im am 29. April 2025 veröffentlichten Koalitionsvertrag von SPD und Grünen. Beide Parteien hatten bei der Bürgerschaftswahl am 2. März 2025 zusammen eine Mehrheit erlangt.
Zufallsbeteiligungsgesetz
Bereits im Juni 2024 hatte die Hamburgische Bürgerschaft ein Zufallsbeteiligungsgesetz verabschiedet hat, das die sogenannte „dialogische Beteiligung“ definiert. Danach dient diese dazu „Interessen und Lösungsansätze aus der Bevölkerung zu einem konkreten Thema oder Vorhaben zu ermitteln“. Zudem erlaubt das Gesetz den Hamburger Behörden, Einwohnermeldedaten für die Auslosung von Bürgerrat-Mitgliedern zu nutzen.
Der Verein „Mehr Demokratie“ hatte in seinen Vorschlägen für den Koalitionsvertrag eine gesetzliche Verpflichtung gefordert, diesen Raum auch zu nutzen. „Hamburg sollte zügig die seit November 2020 ausstehende Umsetzung des Artikels 56 der Hamburgischen Verfassung vollziehen und den Senat dazu verpflichten, bei wichtigen Vorhaben die Betroffenen und die relevante Zivilgesellschaft zu konsultieren“. Durch Artikel 56 ist die Verwaltung „dem Wohl der Allgemeinheit und den Grundsätzen der Bürgernähe und Transparenz verpflichtet“.
Skepsis und Neugier
Mehr Demokratie ermutigt zur Nutzung von Bürgerräten in der Hansestadt. "Im Gespräch mit Vertretern der Parteien spürt man Skepsis und Neugier diesem Instrument gegenüber. Ich wünsche mir, dass Politikerinnen und Politiker den Mut, vielleicht sogar die Entdeckerfreude haben, die wir für lebendige gesellschaftliche Prozesse so dringend benötigen", sagt Tim Weyrauch, ehemaliger Teilnehmer des 2019 durchgeführten bundesweiten Bürgerrates Demokratie und seit 2023 Mitglied im Landesvorstand von Mehr Demokratie Hamburg.
Andere deutsche Millionenstädte sind Hamburg in Sachen Losdemokratie weit voraus. So gab es in Berlin bereits 27 geloste Bürgerversammlungen. In München zählt die Datenbank Bürgerräte acht Verfahren.
Stadt Köln Vorreiterin
Die Stadt Köln kann unter den Millionenstädten sogar als Vorreiterin gelten. Bereits 1979 hatten zufällig geloste Planungszellen hier Empfehlungen für die Gestaltung des Bereichs zwischen dem historischen Rathaus und dem aus dem Mittelalter stammenden Veranstaltungsort Gürzenich formuliert. Die Bürgervorschläge waren seinerzeit vom Stadtrat übernommen und von der Verwaltung umgesetzt worden.
Bis Ende April 2025 fanden in Deutschland auf Kommunal- und Landesebene 282 Losversammlungen statt. 44 weitere Verfahren laufen derzeit oder sind in Planung. Schwerpunkte sind die Länder Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen.