"Grünes Häkchen" für Frankfurt

Was heißt Klimaschutz ganz konkret für Frankfurt am Main? Was passiert bereits? Wo müssen wir noch nachbessern? Wie setzen wir Klimagerechtigkeit um? Um diese und weitere Fragen ging es beim zweiten zufällig gelosten Demokratiekonvent, der vom 30. Oktober bis zum 21. November 2021 stattfand. Am 25. Februar 2022 wurden die erarbeiteten Empfehlungen der Öffentlichkeit vorgestellt.
Zentrale Vorschläge des Demokratiekonvents
- Klimapolitische Maßnahmen intensivieren und beschleunigen - innerhalb der Stadt Frankfurt, aber auch in Kooperation mit den Kommunen im Umland
- Die zentralen Informationen zu den städtischen klimapolitischen Maßnahmen und Angeboten zugänglich und transparent machen
- Kommunikation über Klimaschutz, die alle informiert und ihnen die Möglichkeit gibt, sich aktiv zu beteiligen
- Eine fortlaufende Kampagne zum Thema Klima, die relevant, fortlaufend und niederschwellig ist
- Den Verkehrsraum zugunsten des ÖPNV, Rad- und Fußverkehrs umverteilen, um langfristig die Lärmbelastung und Luftverschmutzung im Stadtraum zu verringern und den Klimaschutz sowie die Gesundheit und Sicherheit der Bewohner nachhaltig zu fördern.
Alle politischen Entscheidungen der Stadt Frankfurt sollen künftig ein grünes Häkchen bekommen, also nach Folgen für das Klima begutachtet werden. Die Stadt soll sich zur Transparenz in allen Bereichen der Klimapolitik verpflichten und ihre Ziele und Erreichtes regelmäßig veröffentlichen. Für die Stadt soll im Rahmen einer Kommunikationsstrategie eine Handreichung erstellt werden, wie verschiedene Gruppen angesprochen werden. Die teilnehmende Chinesin Huan Wei erklärte dazu, dass sie gut Deutsch spreche, aber andere Ausländer nicht. Sie fühlten sich ausgeschlossen, weil viele Dinge auf der Internetseite der Stadt weder auf Englisch noch in einfacher Sprache seien. Dieses Problem schließe sie nicht nur beim Klimaschutz aus.
365€-Ticket und bezahlbares Wohnen
Der Demokratiekonvent empfiehlt außerdem, für alle Einwohner des Gebietes des Rhein-Main-Verkehrsverbundes kurzfristig ein 365€-Ticket einzuführen. Der öffentliche Nahverkehr soll konsequent ausgebaut und die Taktung optimiert werden. Die Stadt wird aufgefordert, bezahlbares, arbeitsnahes Wohnen für alle zu ermöglichen, um Pendlerverkehr zu vermeiden.
Die konkreten Ergebnisse des Demokratiekovents waren bereits am 21. November 2021 den zuständigen Dezernentinnen Rosemarie Heilig, Dezernentin für Umwelt, Klimaschutz und Frauen, und Eileen O’Sullivan, Dezernentin für Digitalisierung, Bürgerservice und Teilhabe, übergeben worden. Im Januar und Februar 2022 wurden die Vorschläge der Teilnehmer in den Ausschüssen der Stadtverordnetenversammlung diskutiert. Im September 2022 soll über die bis dahin erfolgte Umsetzung der Empfehlungen berichtet werden.
Initiative des Vereins "Mehr als Wählen"
Der Verein „Mehr als Wählen“ hatte für diesen Bürgerrat 50 verschiedene Frankfurterinnen und Frankfurter zwischen 16 und 83 Jahren zusammengebracht, um sie das Thema aus umfassender Perspektive diskutieren zu lassen. Zwei Drittel der Teilnehmenden wurden dafür zufällig ausgelost, ein Drittel durch unterrepräsentierte Gruppen aktiv miteinbezogen. Damit waren unterschiedliche politische und zivilgesellschaftliche Akteure, Experten und Betroffene Teil des Prozesses, um ein möglichst breites Feld abdecken zu können. Denn die Klimapolitik berührt zahlreiche weitere Bereiche. Zum Beispiel die Verkehrs-, Bildungs-, Bau- oder Wohnpolitik.
Beim Demokratiekonvent waren neben mehreren erfolgreichen Klimaschutzprojekten aus dem In- und Ausland auch das Energiereferat, zahlreiche Stadtverordnete, die Beteiligungs- und Umweltdezernentinnen sowie die Bürgermeisterin vor Ort. Ursprünglich im Herbst 2020 geplant, musste der Demokratiekonvent aufgrund der Corona-Pandemie mehrmals verschoben werden. Dem 61-jährigen Ingenieur Günter Horn hat die Veranstaltung gefallen: Ich war begeistert, dass die Mischung an Leuten so groß war. Altersmäßig, berufsmäßig, aber auch eben die unterschiedlichsten Nationalitäten waren dabei.“
„Solche Initiativen machen unsere Demokratie stärker“
Auch Oberbürgermeister Peter Feldmann ist voll des Lobes: „Der Demokratiekonvent ist ein attraktives, durchdachtes Beteiligungsformat: Von solchen Initiativen kann es dieser Tage gar nicht genug geben - sie machen unsere Demokratie stärker“, sagte der Schirmherr der Veranstaltung. Die Durchführung dieses Demokratiekonvents war eine der Forderungen, die Frankfurts Bürgerinnen und Bürger selbst beim ersten Demokratiekonvent 2019 in ihrer Handlungsempfehlung formuliert hatten. Neben einem Leitlinienprozess für bessere Bürgerbeteiligung, sowie einer zentralen Stabsstelle wurde mittlerweile auch die Idee des „DemokratieWagens“ erfolgreich auf den Weg gebracht.
"Mehr als Wählen" hatte den Klima-Demokratiekonvent organisiert, weil eine erfolgreiche Klimapolitik nach Auffassung des Vereins sowohl zukunftsgerichtet als auch nachhaltig und sozial gerecht sein muss. Um das zu bewerkstelligen, brauche es einen gemeinsamen Aushandlungsprozess, den „Mehr als Wählen“ mit dem Demokratiekonvent unterstützen möchte.
Zufallsauswahl und aufsuchende Beteiligung
Die besondere Form der Einladung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist eins der drei zentralen Alleinstellungsmerkmale eines Demokratiekonvents. Der Einladungsprozess besteht dabei aus zwei Teilen: der Zufallsauswahl und der aufsuchenden Beteiligung.
Zwei Drittel der Teilnehmer jedes Demokratiekonvents werden per Zufall ausgewählt. Ziel ist es, durch die Zufallsauswahl etablierte Strukturen aufzubrechen und Menschen zusammenzubringen, die sonst nicht miteinander reden würden. Die Grundgesamtheit aller Menschen, die potenziell eine Einladung erhalten können, besteht aus der Bevölkerung (ab 18 Jahren) der Stadt.
Problem Selbstselektion
Die Zufallsauswahl hat aber auch Grenzen, erklärt "Mehr als Wählen" im "Handbuch Demokratiekonvent". Zum einen erreiche ein Brief nicht alle: Wohnungslose oder Menschen ohne Meldeadresse würden von vornherein ausgeschlossen. Darüber hinaus werde schon durch die bei vielen Bürgerräten relativ niedrige Rückmeldequote deutlich, dass ein Brief nicht alle Menschen gleichermaßen überzeugen könne.
"Mehr als Wählen" erklärt: "Aus der Forschung weiß man, dass es eine 'Selbstselektion' bei dieser Art der Einladung gibt. Menschen mit hohem Einkommen und hohem Bildungsgrad melden sich eher zurück, junge Menschen oder Menschen mit Migrationsgeschichte eher seltener. Um dieser Selbstselektion entgegenzuwirken, wird das dritte Drittel der Teilnehmer eines Demokratiekonvents gezielt eingeladen. Über den Kontakt mit Verbänden, Vereinen und Institutionen werden bestimmte Gruppen aktiv angesprochen, die bei politischen Diskussionen sowie in politischen Ämtern häufig unterrepräsentiert sind. Durch ihre Teilnahme werden Stimmen hörbar, die sonst im politischen Diskurs zu oft nicht gehört werden - nur so kann echte Beteiligung gelingen."
Unterstützung durch Kooperationspartner
Nach dem ersten Demokratiekonvent 2019 zum Thema Bürgerbeteiligung wurde auch der der zweite Frankfurter Demokratiekonvent wieder von einer Reihe an Kooperationspartnern unterstützt: mit dabei waren z.B. die VGF Frankfurt, die als offizieller Mobilitätspartner eine kostenlose An- und Abreise mit dem Nahverkehr garantiert. Darüber hinaus ermöglichten der Palmengarten Frankfurt, die Bildungsstätte Anne Frank, der Zoo Frankfurt, die Skyliners Frankfurt, uvm. durch ihre Kulturgutscheine eine breite Rückbindung an die Stadtgesellschaft.