Erster landesweiter Bürgerrat in NRW beschlossen

Der nordrhein-westfälische Landtag hat am 31. Januar 2025 auf Antrag von CDU, SPD und Grünen die Durchführung des ersten landesweiten Bürgerrates beschlossen. Die Losversammlung soll 2026 stattfinden.
Dem Bürgerrat sollen 80 Personen ab 16 Jahren angehören, die nach dem Zufallsprinzip aus allen Einwohnerinnen und Einwohnern des Landes ausgelost werden. In ihrer Zusammensetzung soll die Losversammlung nach Alter, Geschlecht, Herkunft, Gemeindegröße und höchstem Bildungsabschluss der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein Abbild der Bevölkerung sein. „Bei der Auswahl ist sicherzustellen, dass ein repräsentativer Ausschnitt der Bevölkerung unter Berücksichtigung u.a. von Lebenslagen (z.B. Schichtarbeitende, Alleinerziehende), Diversität und Inklusion zufällig ausgesucht wird“, heißt es im Antrag.
Landtag behandelt Empfehlungen
Bzgl. der Themenfindung soll das Parlament einbezogen werden. Nach einer maximal zehnwöchiger Beratung mit Sitzungen in Präsenz und digital soll der Bürgerrat dem Landtag seine Handlungsempfehlungen zur Beratung vorlegen. CDU, SPD und Grüne schlagen vor, zu den Bürgervorschlägen eine Aussprache unter Beteiligung aller Abgeordneter durchzuführen. Danach sollen die Handlungsempfehlungen an den zuständigen Ausschuss des Landtags zur Beratung überwiesen werden.
Nach Abschluss des Verfahrens sollen die Ergebnisse des Bürgerrates angemessen veröffentlicht und zugänglich gemacht werden. Der Bürgerrat soll wissenschaftlich begleitet und auf die Einhaltung der Qualitätsstandards für Bürgerräte überprüft werden.
"Demokratische Teilhabe stärken"
„Bürgerräte von kommunaler bis zur Bundesebene zeigen: Die beratende Beteiligung kann demokratische Teilhabe stärken und mehr Menschen für Politik begeistern“, sagte die Grünen-Abgeordnete Antje Grothus zur Vorstellung des Bürgerrat-Antrags.
Für die CDU sagte der Abgeordnete Thomas Okos, Bürgerräte könnten das Vertrauen in die Politik stärken und zur Partizipation anregen. Klar sei aber auch, dass Bürgerräte nicht die repräsentative Demokratie ersetzten. „Aber sie können sie ergänzen und Politikverdrossenheit entgegenwirken.“
Schritt zur Stärkung der Demokratie
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Elisabeth Müller-Witt nannte den Bürgerrat einen bedeutsamen Schritt zur Stärkung der Demokratie. „Damit können Themen aus der Bevölkerung auf die politische Agenda gesetzt werden, die möglicherweise vorher nicht so sehr im Fokus standen.“ In Zeiten, in denen sich Menschen immer mehr ins Private zurückzögen und vom politischen Diskurs ausgeschlossen fühlten, sei die Einrichtung des Bürgerrats eine Einladung zum Mitmachen.
In der Landtagsdebatte bemängelte die FDP-Abgeordnete Angela Freimuth das Fehlen einer unabhängigen wissenschaftlichen Evaluation des Bürgerrates im Antrag von CDU, SPD und Grünen. Auch das geplante geschichtete Losverfahren mit einer Zusammenstellung des Bürgerrates nach statistischen Kriterien wie Alter, Geschlecht, Wohnort und Bildung stößt bei den Liberalen auf Kritik. "Während allein eine zufällige Auswahl aus allen Bürgern bei entsprechender Größe des Gremiums aus unserer Sicht sicherstellen würde, dass eine spiegelbildliche Abbildung der Bevölkerung erfolgt, wäre das bei einer Vorauswahl (...) nicht mehr der Fall", so Freimuth. Ihre Fraktion lehnte den Antrag deshalb ab. Auch die AfD stimmte gegen den Bürgerrat.
Bürgerräte von Enquetekommission empfohlen
Bereits 2021 hatte eine Enquetekommission des nordrhein-westfälischen Landtags die verstärkte Nutzung zufällig geloster Bürgerräte empfohlen. Durch das Losverfahren „finden unterschiedliche Ideen und Interessen stärker Eingang und es können sich auch Bürgerinnen und Bürger in den Prozess einbringen, die bei anderen - parlamentarischen und direktdemokratischen Verfahren - unterrepräsentiert sind“, hieß es seinerzeit im Kommissionsbericht.
Der Kommission hatten 13 Mitglieder aller Fraktionen sowie fünf sachverständige Mitglieder angehört. In neun Anhörungen und Beteiligungsformaten hatten mehr als 80 Sachverständige zum Thema „Subsidiarität und Partizipation“ Stellung genommen.
Parteien für Bürgerräte
Vor der NRW-Landtagswahl 2022 hatten sich u.a. SPD, Grüne und FDP für Bürgerräte augesprochen. In einer vom Verein „Mehr Demokratie“ durchgeführten Online-Veranstaltung hatten Landtagsabgeordnete von CDU, SPD, Grünen und FDP ebenfalls Bürgerräte befürwortet. Nach der Landtagswahl hatten CDU und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, „zu ausgewählten Themen zwei Bürgerräte (...) auf Landesebene zu erproben“.