Ernährungsempfehlungen vor Wahl nicht umgesetzt

11. Februar 2025
Deutscher Bundestag / Robert Boden / Mehr Demokratie

Die Empfehlungen des Bürgerrates Ernährung werden vorerst nicht umgesetzt. Das wurde bei der Übergabe eines Sachstandsberichts des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas am 11. Februar 2025 deutlich.

„Der Ausschuss für Ernährung hat sich mehrfach mit den Empfehlungen des Bürgerrates auseinandergesetzt“, sagte Hermann Färber (CDU/CSU), Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft, bei der Übergabe. „Ich habe den Bürgerrat Ernährung besucht und konnte erleben, wie engagiert und mit viel Leidenschaft der Bürgerrat gearbeitet hat.“

Bundestagspräsidentin für weitere Bürgerräte

Bärbel Bas bedankte sich und hob hervor, dass der Bürgerrat sich alleine deswegen gelohnt habe, „weil er Bürgerinnen und Bürger motiviert hat, sich politisch zu engagieren und mitzuarbeiten“. Zwar sei der Bürgerrat Ernährung umstritten gewesen, aber dennoch würde sich die Bundestagspräsidentin für die kommende Legislaturperiode wünschen, dass es weitere Bürgerräte gibt. „Ich hoffe, dass der Sachstandsbericht nicht in der Schreibtischschulblade verschwindet, sondern sich auch der nächste Ausschuss mit den Empfehlungen des Bürgerrates weiter befasst. Das war jetzt durch das vorzeitige Ende der Legislaturperiode nicht mehr möglich“, sagte Bas.

„Der Bürgerrat war eine gute Möglichkeit, um sich zu engagieren. Allein um zu verstehen, wie Demokratie funktioniert, wie politische Prozesse ablaufen und wie Mehrheiten gebildet werden, war es interessant“, sagte Ingeborg Simon, Teilnehmerin des Bürgerrates aus Dortmund, bei der Übergabe. Darüber zufrieden ist sie aber nicht, was bisher mit den Empfehlungen passiert ist. Sie hätte sich gewünscht, dass wenigstens eine der Empfehlungen umgesetzt wird. Auch wie es weitergeht, sei unklar: „Was mit den Empfehlungen in der kommenden Legislatur passiert, steht in den Sternen.“

"Keine Mehrheit für Votum über Kenntnisnahme hinaus"

Hermann Färber gab sich nachdenklich. „Durch das vorzeitige Ende der Wahlperiode war eine Befassung des Ausschusses mit den weiteren Empfehlungen nicht mehr möglich. Für ein Votum des Ausschusses, das über eine bloße Kenntnisnahme hinausgehen sollte, fand sich keine Mehrheit“, schreibt er in dem Sachstandsbericht. Die vom Bürgerrat erarbeiteten Empfehlungen würden jedoch zahlreiche rechtliche Fragen und Fragen der praktischen Umsetzung aufwerfen. Die Klärung dieser Fragen gehöre zu den Aufgaben des Deutschen Bundestages.

Alle Empfehlungen würden sich als Grundlage für weiterführende Debatten zu den vom Bürgerrat aufgegriffenen Themen eignen, so die Bilanz Färbers. Der Bürgerrat habe unter anderem aufgezeigt, dass umfassendere Verbraucherinformationen gewünscht seien sowie mehr Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung ergriffen werden sollten. Vor allem aber habe der Bürgerrat erreicht, dass die Themen „Ernährung“ und „Landwirtschaft“ wieder „viel stärker ins Bewusstsein von Politik und Gesellschaft gerückt sind. Das allein verdient Anerkennung“, so Färber.

Ob sich über Fraktionsgrenzen hinweg nicht doch Mehrheiten für eine Weiterverfolgung der einen oder anderen Empfehlung gefunden hätten, bleibe indes reine Spekulation. „Manchmal hätte ich mir gewünscht, dass die Verständigung zwischen den Fraktionen über das weitere Vorgehen ein wenig schneller vonstattengegangen wäre“, schreibt Färber. Es stehe dem 21. Deutschen Bundestag allerdings frei, das Bürgergutachten oder einzelne seiner Empfehlungen erneut aufzugreifen.

Bürgerinteressen müssen stärker zur Geltung kommen

Die scheidenden Bundestagsvizepräsidentinnen Yvonne Magwas (CDU) und Petra Pau (Linke) wünschen sich für die kommende Wahlperiode, dass die Interessen von Bürgerinnen und Bürgern im Parlament stärker zur Geltung kommen. In dieser Legislaturperiode habe es zwar einen Bürgerrat gegeben, die Empfehlungen aus der Bevölkerung seien aber nicht wirklich in den Gesetzgebungsprozess eingeflossen, beklagte Pau nach der letzten Bundestagsdebatte der Wahlperiode 2021 - 2025.

Sie finde es falsch, dass sich dieser Bundestag nicht "ernsthaft mit den Empfehlungen auseinandergesetzt hat", sagte Pau, die wie ihre Kollegin Magwas nicht erneut für den Bundestag kandidieren wird. Die betroffenen Bürgerinnen und Bürger hätten "viel Zeit investiert", um über Problemlösungen nachzudenken. Daher seien auch viele enttäuscht.

Auch Magwas sieht hier noch Nachholbedarf. "Wir hatten in dieser Legislaturperiode einen Bürgerrat. Wir hätten gern mehr gehabt", sagte sie. Das sei nicht möglich gewesen. Auch müsse diskutiert werden, wie mit den Ergebnissen der Bürgerräte umzugehen sei, sagte Magwas. Sie plädierte aber dafür, an dem Instrument der Bürgerräte weiterhin festzuhalten.

Antrag von SPD und Grünen

SPD und Grüne wollen, dass die Empfehlungen des Bürgerrates `Ernährung im Wandel´ auch über die derzeitige Legislaturperiode hinaus als wichtige Hinweise für die zukünftige Ernährungspolitik gelten. "Dazu haben wir den gemeinsamen Antrag `Umgang mit dem Bürgerrat´ auf den Weg gebracht mit konkreten Vorschlägen zur Weiterarbeit", erklärten die Ernährungspolitikerinnen Susanne Mittag (SPD) und Renate Künast (Grüne) am 11. Februar 2025 in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Der Bundestag müsse die Vorschläge des Bürgerrates ernst nehmen. "Wir wollen die Empfehlungen auch in der kommenden Wahlperiode parlamentarisch beraten. Das haben wir mit dem gemeinsamen Antrag im Detail deutlich gemacht."

In den Fraktionen von CDU/CSU und FDP habe von Anfang an wenig Akzeptanz für die Arbeit des Bürgerrates geherrscht, was die Umsetzung der Empfehlungen erschwert habe. "Nun wollten sie auch zum Ende hin ausdrücklich keine Behandlung im Plenum des Bundestages. Die Verhinderung einer Plenardebatte durch CDU, CSU und FDP drückt den mangelnden Respekt vor der Arbeit der Mitglieder des Bürgerrates und ihren Vorschlägen aus", kritisieren Sozialdemokraten und Grüne.

Rückhalt in der Bevölkerung

Für den Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ hatte es in der Bevölkerung breite Unterstützung gegeben. In einer 2024 durchgeführten Umfrage hielten vier Fünftel der Befragten die Einsetzung des Bürgerrates für eine „sehr gute“ oder „eher gute“ Idee. 85 Prozent hatten befürwortet, dass der Bundestag künftig Bürgerräte zu anderen Themen einberuft.

Die vom Meinungsforschungs- und Beratungs-Institut Verian durchgeführte Umfrage war Teil einer wissenschaftlichen Begleitung des Bürgerrates durch das Institut für Demokratie- und Partizipationsforschung (IDPF) der Bergischen Universität Wuppertal. IDPF und Verian hatten ihren daraus entstandenen Evaluationsbericht im Juli 2024 vorgelegt.

Wichtigste Empfehlungen

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages hatten am 10. Mai 2023 die Einsetzung des ersten vom Parlament beauftragten Bürgerrates beschlossen. Die Losversammlung hatte am 29. September 2023 ihre Arbeit aufgenommen. Nach neun Sitzungen hatten die Bürgerrat-Mitglieder am 20. Februar 2024 ihre Empfehlungen an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und die Fraktionen des Bundestages übergeben.

Die wichtigste Forderung des Bürgerrates „Ernährung im Wandel“ ist ein kostenfreies Mittagessen für alle Kinder in Schulen und Kindergärten. Zudem werden unter anderem ein staatliches Label für die Bereiche Klima, Tierwohl und Gesundheit und eine Reform der Lebensmittel-Besteuerung angemahnt.

Behandlung im Parlament

Nach der Übergabe des Bürgergutachtens des Bürgerrates an Bundestagspräsidentin und Bundestagsfraktionen fand am 14. März 2024 in erster Beratung eine Aussprache im Plenum des Deutschen Bundestages statt. Anschließend wurde das Bürgergutachten an den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft sowie mitberatend an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für Gesundheit und den Ausschuss für Klimaschutz und Energie überwiesen.

Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft hatte sich unter Beteiligung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Bürgerrates in vier Fachgesprächen mit den Empfehlungen zu einem kostenfreien Mittagessen in Kindergärten und Schulen, zu einer Altersgrenze für Energydrinks, zur "Weitergabe noch genießbarer Lebensmittel und zur Empfehlung "Bewusstes Einkaufen leicht gemacht durch ein verpflichtendes staatliches Label" befasst.

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