Empfehlungen gegen Desinformation abgestimmt
Das Internet, Künstliche Intelligenz und andere digitale Neuerungen machen die Verbreitung von Falschinformationen einfacher. Die Bertelsmann Stiftung hatte deshalb am 24. Januar 2024 ein Beteiligungsprojekt gestartet, das auch einen Bürgerrat zum Thema beinhaltet.
Falschinformationen im Internet sind eine Gefahr für die Demokratie, da sie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik, den öffentlichen Diskurs und die staatlichen Institutionen untergraben können. Eine große Mehrheit der Menschen in Deutschland nimmt diese Gefahr ebenfalls wahr. Die Bertelsmann Stiftung entwickelt nun im Beteiligungsprojekt "Forum gegen Fakes" mit Hilfe der Bürger Empfehlungen zum Umgang mit Desinformation und übergibt diese der Politik.
15 Empfehlungen und 28 Maßnahmen
Der Bürgerrat hat 15 Empfehlungen und 28 Maßnahmen zur Bekämpfung von Desinformation diskutiert und ausgearbeitet. Die Empfehlungen richten sich nun an Politik, Medien, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, aber auch die individuelle Selbstverantwortung spielt eine wichtige Rolle beim Umgang mit Desinformation.
Insgesamt wird deutlich: Das Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und Bekämpfung von Desinformation ist schwer aufzulösen. Die wichtigsten Schlüssel sind Bildung und Medienkompetenz, nicht nur verpflichtend in der Schule, sondern als Angebot in allen Gruppen der Gesellschaft.
Unabhängige Anlaufstelle für Bürger und Journalisten
Der Bürgerrat fordert, alle verfügbaren Mittel einzusetzen, um Desinformation und von künstlicher Intelligenz erstellte Inhalte zu kennzeichnen und die Verbreitung von Desinformation einzudämmen. Dafür braucht es beispielsweise eine unabhängige Anlaufstelle für Bürger und Journalisten mit Experten in Beratungsgremien.
Auch die Plattformen werden in die Pflicht genommen: Ihr Design soll dazu anregen, Quellen von Bildern und zitierten Fakten anzugeben. Sie sollen verpflichtet werden, jährlich 1 Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes in die Bekämpfung von Desinformation zu investieren. Die Algorithmen sollen dafür sorgen, dass Inhalte, die Kennzeichen für Desinformation aufzeigen, nicht verbreitet werden. Der Qualitätsjournalismus soll gestärkt werden, sich selbst aber auch in die Aufklärungsarbeit zu den Auswirkungen von Desinformation auf die Demokratie und die Gesellschaft einzubringen.
Nicht zuletzt können Nutzerinnen und Nutzer selbst eine Menge tun. Voraussetzung dafür sind Sensibilisierung und Aufklärung über Desinformation sowie ein bewussterer Umgang beim Posten und Teilen von potenziell demokratiegefährdenden Inhalten auf Social Media.
Online-Abstimmung über Empfehlungen
Vom 5. Juni bis zum 2. Juli 2024 konnten sich alle Bürgerinnen und Bürger ein letztes Mal online am "Forum gegen Fakes" beteiligen und die finalen Handlungsempfehlungen des Bürgerrates bewerten: 216.534 Teilnehmer hatten 623.048-mal über die 28 Maßnahmenvorschläge des Bürgerrates abgestimmt.
Die Bürgerinnen und Bürger bewerteten die Empfehlungen überwiegend positiv, jedoch differenziert. Jede empfohlene Maßnahme erhielt mehr Zustimmung als Ablehnung, jedoch keine mehr als 75 Prozent Zustimmung. Großen Anklang fanden vor allem Maßnahmen, die auf eine erhöhte Transparenz von Informationen und medialen Inhalten abzielen und den Menschen ein besseres Verständnis darüber ermöglichen, woher Informationen stammen. Beispielsweise erhielt die Kennzeichnung von Inhalten, die durch künstliche Intelligenz erstellt wurden, 73 Prozent Zustimmung.
Desinformation aktiv angehen und Lösungen erarbeiten
Maßnahmen, die sich auf das Nutzungsverhalten Einzelner beziehen, bekamen tendenziell niedrigere Zustimmung. Zum Beispiel erhielt die Maßnahme „Man sollte User über eine Bedenkzeit vor die Wahl zu stellen, ob sie Posts mit vermeintlicher Desinformation veröffentlichen wollen“ 48 Prozent Zustimmung.
Klar zu erkennen ist: Die meisten im Land sprechen sich dafür aus, dass Politik wie auch Plattformbetreiber, Medien und Zivilgesellschaft das Thema Desinformation aktiv angehen und Lösungen erarbeiten.
Insgesamt 424.000 Teilnehmer
Über alle Online-Beteiligungsphasen hinweg haben mehr als 424.000 Menschen teilgenommen. Insgesamt wurde mehr als 1,5 Millionen Mal abgestimmt.
Jetzt werden die Handlungsempfehlungen des Bürgerrats mit den Abstimmungsergebnissen aus der Online-Beteiligung in einem Bürgergutachten aufbereitet. Dieses wird im September 2024 an das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), sowie andere Interessengruppen, übergeben.
Desinformation ein Problem für die Gesellschaft
Manipulierte Informationen erwecken den Eindruck, dass es sich um echte, belegbare Nachrichten handelt. So werden gezielt Falschinformationen verbreitet. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung sagen 84 Prozent der Menschen in Deutschland, dass Desinformation im Internet ein großes Problem für unsere Gesellschaft ist.
Mit dem Projekt "Forum gegen Fakes - Gemeinsam für eine starke Demokratie" will die Stiftung der Gefahr durch Desinformation aktiv etwas entgegensetzen. Denn die Verbreitung von gezielten Falschinformationen kann das Vertrauen in Politik und Medien sowie den demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozess untergraben.
Deutschlandweites Beteiligungsprojekt
Am 24. Januar 2024 war das "Forum gegen Fakes - Gemeinsam für eine starke Demokratie" gestartet. Dabei handelt es sich um ein deutschlandweites Beteiligungsprojekt der Bertelsmann Stiftung in Kooperation mit dem Bundesministerium des Innern und für Heimat, der Stiftung Mercator und der Michael Otto Foundation for Sustainability. Das Projekt wird unterstützt durch das Nachrichtenportal t-online und die Initiative #UseTheNews.
Ziel des Projektes ist es, Bürger über die Gefahren von Desinformation aufzuklären und zu sensibilisieren. Adressaten der im Forum erarbeiteten Handlungsempfehlungen sind Entscheidungsträger in Bund und Ländern, aber auch weitere Interessengruppen wie z.B. Plattformbetreiber, Medien oder zivilgesellschaftliche Organisationen.
Online-Beteiligung
Um so viele Menschen wie möglich zu beteiligen und zum bestmöglichen Ergebnis zu kommen, werden im Projekt „Forum gegen Fakes - Gemeinsam für eine starke Demokratie“ zwei verschiedene Arten der Beteiligung miteinander kombiniert:
1. Die gesamte Bevölkerung ist gefragt: In einer breitangelegten Online-Beteiligung kann sich jede und jeder einbringen. Vom 24. Januar bis zum 1. April 2024 waren alle Menschen in Deutschland aufgerufen, sich online zu der Frage: „Fakes und Manipulationen: Was sollten wir tun, um unsere Demokratie zu schützen?“ zu beteiligen. Dafür konnten eigene Vorschläge zum Umgang mit Desinformation eingereicht und über Vorschläge von anderen Beteiligten abgestimmt werden. Die Resonanz war hoch: Fast 200.000 Menschen hatten sich online beteiligt und rund 1.600 Vorschläge zum Vorgehen gegen Fake News eingebracht.
Fakes und Manipulationen Gefahr für Demokratie
Die Analyse der Ergebnisse hat ergeben: Bürgerinnen und Bürger betrachten Fakes und Manipulationen als eine reale Gefahr für die Demokratie. Die Teilnehmer haben vor allem drei große Bereiche ausgemacht, in dem sie sich Verbesserungen wünschen, "Bildung und Sensibilisierung", "Medienpraxis" sowie bei den sozialen Netzwerken. Konkret wird unter anderem eine Stärkung der Medienkompetenz gefordert und ein strengeres Vorgehen gegen Fake News vonseiten der sozialen Medien.
Auch an die etablierten Medien stellen die Beteiligten Forderungen. So soll es eine deutliche Trennung zwischen Nachrichten und Meinungen geben. Die Sorge vor einer Beeinflussung durch fremde Staaten spielt hingegen nur eine untergeordnete Rolle.
Handlungsempfehlungen formuliert
2. In einem Bürgerrat hat eine vielfältig zusammengesetzte Gruppe von 120 Bürgerinnen und Bürgern die aufbereiteten Ergebnisse der Beteiligung miteinander diskutiert und die wichtigsten Punkte bearbeitet. Die Losversammlung war nach den Kriterien Alter, Geschlecht, regionale Herkunft, Bildungsgrad und Migrationshintergrund ein Abbild der Bevölkerung. Der Bürgerrat hatte am 15. März 2024 seine Arbeit aufgenommen.
Zusätzlich hatte der Bürgerrat die Möglichkeit, sich bei Fragen mit Expertinnen und Experten auszutauschen. Mit diesem Wissen konnte der Bürgerrat die relevantesten Themen fundiert bearbeiten. Als Ergebnis hat der Bürgerrat konkrete Handlungsempfehlungen für die Politik formuliert, die in einem sogenannten Bürgergutachten zusammengefasst werden.
Zweite Phase der Online-Beteiligung
Vom 22. April bis zum 12. Mai 2024 lief zu den Bürgerrat-Vorschlägen eine zweite Phase der Online-Beteiligung. Interessierte konnten fünf vorläufigen Empfehlungen des Bürgerrates kommentieren und darüber abstimmen. 9.620 Personen hatten diese Möglichkeit genutzt. Es wurde 11.100-mal abgestimmt und 1.703 Kommentare wurden abgegeben. Vier der fünf Empfehlungen wurden mit über 75 Prozent Zustimmung angenommen.
Ein Blick auf die Ergebnisse verrät, dass Meinungsfreiheit bei den Teilnehmenden eine wichtige Rolle spielt. Zudem lässt sich ein Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach Regulierung bzw. Strafverfolgung und dem Bedürfnis nach freier Meinungsäußerung in den Kommentaren wahrnehmen.
Beteiligungsergebnisse diskutiert
Die Abstimmungen und Kommentare wurden eingehend analysiert. Vom 24. - 26. Mai hatte der Bürgerrat “Forum gegen Fakes” ein letztes Mal in Berlin getagt und dabei die Rückmeldungen aus der zweiten Online-Beteiligungsphase diskutiert. Dieses Feedback diente den Teilnehmern des Bürgerrates zur Verbesserung und endgültigen Formulierung ihrer Empfehlungen.
Die letzte Online-Beteiligungsphase hat am 5. Juni 2024 begonnen und endet am 2. Juli 2024. Hier können alle Bürgerinnen und Bürger erneut abstimmen und die wichtigsten Empfehlungen an die Politik zum Umgang mit Desinformation identifizieren.
Bundesregierung will Projekt-Ergebnisse nutzen
Abschließend übergibt der Bürgerrat am 12. September 2024 das Bürgergutachten mit Politikempfehlungen an das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) sowie die Bertelsmann Stiftung. Zudem sind weitere Ministerien, Bundestagsausschüsse sowie Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker aus Bund und Ländern Adressaten des Bürgergutachtens. Die darin enthaltenen Politikempfehlungen nutzt das BMI unter anderem zur Erarbeitung der Strategie zum Umgang mit Desinformation.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser: "Gezielte Falschinformationen verfälschen und vergiften die politische Diskussion. Unsere Maßnahmen gegen Desinformation sind deshalb Maßnahmen zum Schutz unserer Demokratie. Mir ist es wichtig, dass das Projekt 'Forum gegen Fakes - Gemeinsam für eine starke Demokratie' Bürgerinnen und Bürger zu einer bundesweiten Debatte darüber einlädt, wie mit Desinformation umgegangen werden kann und welche Erwartungen und Empfehlungen an die Politik sie haben. Wir werden die Empfehlungen unter anderem für die Erarbeitung einer neuen Strategie der Bundesregierung zum Umgang mit Desinformation nutzen."
"Mitzumachen lohnt sich"
Projektchef Dominik Hierlemann von der Bertelsmann Stiftung erklärt den Sinn des Beteiligungsverfahrens: "Wenn die Politik neue Strategien für gesellschaftliche Herausforderungen entwickelt, dann ist es unserer Ansicht nach wichtig, die Bürgerinnen und Bürger daran zu beteiligen. Wir brauchen zu wichtigen politischen und gesellschaftlichen Fragen eine breite Bürgerbeteiligung. Deshalb haben wir dieses Projekt initiiert.
Partizipationsprozesse, an denen sich möglichst viele beteiligen können - mit konkreten Ideen und Vorschlägen. Wo sehen die Bürger die größte Herausforderung? Was ist ihnen am wichtigsten? Welche Vorschläge erhalten die meiste Zustimmung? Mitzumachen lohnt sich, weil wir selbst als Menschen dazulernen, weil wir uns mit anderen auseinandersetzen, weil wir mehr über ein Thema erfahren. Diesen Aspekt der Demokratie vergessen wir allzu oft. In unserem Fall lohnt sich Mitmachen besonders, weil es großes politisches Interesse an den Ergebnissen dieses Forums gibt."
Mehr Informationen: Forum gegen Fakes