"Einzigartige Perle im Herzen Berlins“
Die Nutzung des Tempelhofer Feldes in Berlin ist seit langem umstritten. Vom 3. Juli 2024 bis zum 13. Juli 2025 lief ein ein gelostes Bürgerbeteiligungsverfahren zur Zukunft des Areals.
Am 21./22. September 2024 hatte sich eine deutliche Mehrheit der 150 anwesenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der zweiten Dialogwerkstatt zur Zukunft des Tempelhofer Feldes gegen eine Randbebauung des Feldes ausgesprochen. Stattdessen bevorzugten die meisten eine Weiterentwicklung der verschiedenen Nutzungen wie etwa Kultur-, Bildungs- und Sportangebote. Von zehn sogenannten Entwicklungsperspektiven für das Feld, die von den Teilnehmern die meiste Unterstützung erhielten, sieht keine eine Randbebauung vor.
"Bewahrung der Perle im Herzen Berlins"
Die meisten Stimmen aus dem Gesamtplenum erhielt die Entwicklungsperspektive mit dem Titel „Bewahrung der weltweit einzigartigen Perle im Herzen Berlins“. Als zentral Punkte wurden genannt: „keine Bebauung“, „Förderung und Ausbau des Bestehenden“ sowie „THF für alle“. Besonders hervorgehoben wurde die Bedeutung des Felds für den Naturschutz, den Klimaschutz und die Klimaanpassung.
"Es ist ein Ort für Freiheit, für Regeneration für Berliner und Besucher. Es soll keine Bebauung auf dem Tempelhofer Feld geben", sagte ein Dialogwerkstatt-Teilnehmer. Eine andere Teilnehmerin erklärte: "Nach diesem diskussionsintensiven Wochenende kann es kein Projekt für die Wohnraumbebauung geben, das haben wir einheitlich im Konsens beschlossen."
Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) bedankte sich am Ende der Veranstaltung bei allen Teilnehmern. Es gehe darum, „das Tempelhofer Feld noch besser nutzbar für die Stadt zu machen“. Die Ergebnisse würden nun aufbereitet und in den kommenden Ideenwettbewerb eingespeist. „Es geht nichts verloren an Meinungen“, sagte Gaebler. Der Ideenwettbewerb soll am 13. November starten und bis Mai 2025 laufen. Die Dialogwerkstatt soll sich am Ende mit den Ergebnissen des Ideenwettbewerbs noch einmal auseinandersetzen.
275 Teilnehmerinnen und Teilnehmer
Was in Zukunft mit dem Tempelhofer Feld passieren könnte, steht im Fokus des Dialogprozesses. 275 zufallsausgewählte Berlinerinnen und Berliner waren eingeladen, sich mit verschiedenen Perspektiven breit und offen zu beschäftigen. Die Teilnehmer für die Dialogwerkstätten waren im Vorfeld ausgelost worden: 20.000 Menschen aus dem Berliner Einwohnermelderegister waren angeschrieben und um Teilnahme gebeten worden. Von den 996 Interessierten hatten dann 275 Losglück.
Die Teilnehmer hatten sich an zwei Wochenenden im September intensiv mit dem Tempelhofer Feld beschäftigt, Fachwissen zu Themen wie Stadtentwicklung und Wohnungsbau, Klima- und Naturschutz, Gemeinwohl und Freiräume vermittelt bekommen, unterschiedliche Perspektiven für die Zukunft breit und offen diskutiert und gemeinsam Empfehlungen entwickelt.
Im Dialogprozess wurde berücksichtigt, wie das Tempelhofer Feld bisher genutzt wird und wie sich der voraussichtliche Bedarf für den Wohnungsbau entwickelt. Weitere Gesichtspunkte waren die Nutzungswünsche der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und die Bedeutung des historischen Flughafengebäudes mit Blick auf Folgen für die Entwicklung und Nutzung des Areals. Die Ergebnisse flossen in die Aufgabenstellung des anschließenden internationalen planerischen Ideenwettbewerbs ein.
Kinder- und Jugendbeteiligung
Zusätzlich haben 200 Kinder und Jugendliche In elf altersgerechten Workshops ihre Wünsche und Ideen für das Tempelhofer Feld entwickelt. Mithilfe kreativer und partizipativer Methoden wie Malen, mit Legosteinen bauen, Wunschbaum gestalten, Foto-Exkursion und Gesprächsinseln haben die beteiligten jungen Berlinerinnen und Berliner eine Vielfalt an Ideen, Wünsche und Vorschläge erarbeitet, um die Zukunft des Tempelhofer Felds kinder- und jugendgerechter zu gestalten.
Die Ergebnisse der Kinder- und Jugendbeteiligung wurden dokumentiert und auf der Projektwebseite thf-dialog.berlin.de veröffentlicht. Darüber hinaus wurden die Ergebnisse bei den Dialogwerkstätten ausgestellt und von Jugendbotschafterinnen und -botschaftern vorgestellt. Die Impulse der jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden bei der inhaltlichen und visuellen Entwicklung im Rahmen des Dialogprozesses berücksichtigt.
Über das Tempelhofer Feld
Das Tempelhofer Feld ist das ehemalige Flugfeld des früheren Flughafens Tempelhof. Das heute als Park und Freizeitfläche genutzten Gelände hat eine Gesamtfläche von etwa 304 Hektar. Etwa 90 Prozent gehören zum Bezirk Tempelhof-Schöneberg, rund zehn Prozent zum Bezirk Neukölln.
Am 25. Mai 2014 hatten die Berliner in einem Volksentscheid über Volksbegehren „100 % Tempelhofer Feld“ ein vollständiges Bauverbot für das ehemalige Flugfeld beschlossen. 68,2 Prozent der Abstimmenden hatten dafür votiert. Die vom Abgeordnetenhaus von Berlin zur Alternative gestellte Vorlage sah eine moderate Randbebauung und den Schutz der 230 Hektar großen zentralen Grünflächen des inneren Feldes vor. Für diese Vorlage votierten aber nur 44,3 Prozent der Abstimmenden. Die Abstimmungsbeteiligung lag bei 46,1 Prozent.
Längere Vorgeschichte
Die Debatte über die (Nach-)Nutzung des Feldes hat jedoch eine längere Vorgeschichte. Sie steht bereits seit dem politischen Beschluss der Länder Berlin, Brandenburg und des Bundes im Jahr 1996, die beiden innerstädtischen Flughäfen Tempelhof und Tegel zugunsten des in Schönefeld gelegenen Willy-Brandt-Flughafens (BER) zu schließen, im Raum.
Während das Flughafengebäude als Denkmal von Welterbeformat und mit einer bewegten Vergangenheit aufgrund der gegebenen Gebäudestruktur und des Denkmalschutzes nur begrenzte Nutzungs- und Veränderungsmöglichkeiten bietet, sieht dies für das Tempelhofer Feld anders aus. Folgerichtig konzentrierten sich viele der stadtentwicklungspolitischen Debatten auf die Frage der Nutzung des Feldes. Die vorgebrachten Ideen lagen dabei teils weit auseinander und die öffentliche Debatte war immer wieder von starken Polarisierungen geprägt.
„Es bedarf einer neuen Debatte“
Die bei der Wiederholungswahl im Jahr 2023 gewählte Regierungskoalition aus CDU und SPD hat in ihren „Richtlinien der Regierungspolitik 2023 - 2026“ zur Zukunft des Tempelhofer Felds vereinbart:
„Es bedarf angesichts der zugespitzten Wohnungsnot seit dem Volksentscheid 2014 einer neuen Debatte über die Zukunft des Tempelhofer Feldes. Mit einem internationalen städtebaulichen Wettbewerb wird der Senat die Möglichkeiten einer behutsamen Randbebauung in begrenzten Teilen der Fläche ausloten. Der weit überwiegende Teil der Freifläche bleibt bei einer klimagerechten Gesamtgestaltung für Erholung, Freizeit, Sport und Kultur gesichert. Das Feld soll einen wichtigen Beitrag zur Klimaneutralität Berlins leisten.
„Neubewertung durch Berliner maßgeblich“
Mit der Randbebauung sollen Wohnquartiere mit breiten sozialen Angeboten für die neuen Bewohnerinnen und Bewohner und die Stadtgesellschaft geschaffen werden. Der Wohnungsbau soll die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft LWU sowie gemeinwohlorientierten Genossenschaften vorbehalten und im Betrieb klimaneutral sein. Die Nutzung dezentraler und stadtverträglicher erneuerbarer Energien und die Begrünung werden einen zusätzlichen Beitrag zur Klimaneutralität leisten. Zu dieser Frage gesamtstädtischer Bedeutung ist für den Senat die Neubewertung durch die Berlinerinnen und Berliner maßgeblich.“
Das Berliner Abgeordnetenhaus hatte die vorgelegten Richtlinien der Regierungspolitik in seiner Sitzung am 25. Mai 2023 gebilligt.
Dialog statt Auseinandersetzung
Angesichts der Komplexität, aber auch der Konfliktträchtigkeit des Themas, möchte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen die öffentliche Verständigung mit einer „Dialogwerkstatt“ anstoßen. Anstatt die verschiedenen Interessengruppen in eine öffentliche Auseinandersetzung um „die richtige Lösung“ aufeinander treffen zu lassen, soll sich zunächst eine Gruppe von etwa 250 zufallsgelosten Einwohnerinnen und Einwohnern mit ihren Erwartungen und Vorstellungen für das Tempelhofer Feld äußern. Die verschiedenen Akteure rund um das Tempelhofer Feld werden eingeladen, sich in diesen Prozess als Wissens- und Erfahrungsträger einzubringen.
Der Dialogprozess wird zusammen mit dem integrierten internationalen stadt- und freiraumplanerischen Ideenwettbewerb sowie einer begleitenden öffentlichen Beteiligung im Zeitraum von Mai 2024 bis Mitte/Ende 2025, vorbehaltlich politischer Entscheidungen, durchgeführt. Ziel ist es, sich mit einem stadtweiten Dialogprozess qualifiziert einer Neubewertung des Tempelhofer Feldes und einer möglichen Änderung des Gesetzes zum Tempelhofer Feld anzunähern.
Ergebnisse des Ideenwettbewerbs veröffentlicht
Am 23. Juni 2025 wurden die Ergebnisse des europaweit ausgeschriebene, zweiphasigen stadt- und freiraumplanerische Ideenwettbewerbs für das Tempelhofer Feld veröffentlicht. Planungsteams aus den Bereichen Stadtplanung, Architektur und Landschaftsarchitektur aus ganz Europa waren aufgerufen, ihr Fachwissen einzubringen und sich fachlich mit stadt- und freiraumplanerischen Entwürfen am Wettbewerb zu beteiligen.
Im Februar hatte die Jury bereits aus 164 eingereichten Beiträge 20 für die zweite Phase ausgewählt. Am 21./22. Juni 2025 kürte sie sechs gleichrangige Projekte für die Preisgruppe und vergab drei Anerkennungen.
Dialogwerkstatt-Mitglieder in Jury
Laut Auslobung des zweiphasigen offenen, stadt- und freiraumplanerischen Wettbewerbs war eine große „Bandbreite unterschiedlicher visionärer und zukunftsweisender Ideen für die Neubewertung des Tempelhofer Feldes als Grundlage für die Diskussion in der dritten Dialogwerkstatt“ gesucht. Zudem wollte man eine „behutsame Randbebauung“ ausloten. Eine konkrete Flächenbegrenzung und ein Raumprogramm waren nicht vorgegeben.
Der Jury gehörten sechs Fachpreisrichterinnen und -richter an: Die Kopenhagener Stadtarchitektin Camilla van Deurs, Ulms Baubürgermeister Tim von Winning, die Berliner Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt, die Zürcher Landschaftsarchitektin Maren Brakebusch und ihr Rotterdamer Fachkollege Peter Veenstra sowie die Bremer Senatsbaudirektorin Iris Reuther, die den Vorsitz übernahm. Vertreterinnen und Vertreter aus der Dialogwerkstatt stellten die fünf Sachpreisrichterinnen und -richter.
Vier Beiträge verzichten auf Randbebauung
Vier der sechs Beiträge verzichten auf eine Randbebauung mit Wohnungsbau. Dafür sehen sie die Weiterentwicklung der kulturellen und ökologischen Angebote auf den Freiflächen vor. So plant etwa das Projekt *Stadtlichtung eine Aufforstung der Randbereiche und will damit die klimatische Bedeutung der Freifläche stärken. Der Beitrag übe-räume für stadttransformation tempelhof 2050 will das Feld als sozioökologische Infrastruktur weiterdenken und konzentriert sich auf bestehende Gebäude und Freibereiche.
Zwei Arbeiten sehen unter anderem Wohnungsneubau vor. Seilziehn schlägt mehrere Wohnblöcke und ein Hochhaus am Tempelhofer Damm vor. 2.400 Wohneinheiten sollen hier möglich sein. Der südliche Teil wird in seiner aktuellen Nutzung als Gartenanlage mit einzelnen Bauten der „Neuen Gärtnerei“ erweitert. Der Beitrag Tempelhofer Atem traut sich noch mehr und beplant sowohl den westlichen als auch fast den gesamten südlichen Rand: Geschosswohnungsbau als klare Kante zur Straße, Reihenhäuser Richtung Feld.
Landesregierung hält an Randbebauung fest
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner will auch nach dem Ideenwettbewerb an einer Randbebauung des Tempelhofer Felds festhalten. „Meine Position ist bekannt: Ich bin für eine Randbebauung des Tempelhofer Felds, um vielen Familien, jungen und älteren Menschen in Berlin ein neues Zuhause zu geben“, sagte er dem Tagesspiegel. Auch nach einer Bebauung werde das Tempelhofer Feld mit einer großen Freifläche ein einzigartiges Areal in Berlin bleiben.
Auch aus Sicht des stadtentwicklungspolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Mathias Schulz, sollte weiterhin eine Randbebauung des Tempelhofer Felds angestrebt werden. „Jetzt müssen (…) Leitaussagen entwickelt werden, die zur Grundlage einer wie auch immer gearteten Abstimmung durch die Berliner Bevölkerung gemacht werden“, sagte Schulz. Denn das ist für den Sozialdemokraten klar: „Am Ende entscheiden die Berlinerinnen und Berliner.“
Ideenwerkstatt-Ergebnisse in Dialogwerkstatt diskutiert
Am 12. Juli 2025 wurden die sechs im Ideenwettbewerb prämierten Entwürfe den Teilnehmrinnen und Teilnehmern der 3. Dialogwerkstatt ausführlich vorgestellt. Die Vorsitzende des Preisgerichts, Frau Prof. Dr. Iris Reuther, sowie die Sachpreisrichterinnen und -richter standen für Fragen zur Verfügung. Am 13. Juli 2025 erarbeiteten die Mitglieder der Dialogwerkstatt in Kleingruppen Hinweise für die weitere Debatte zum Tempelhofer Feld. Zum einen wurde darüber gesprochen, welche Ideen aus den Entwürfen eingebracht werden können. Zum anderen ging es darum, wie zukünftige Diskussionen über die besondere Freifläche offen und konstruktiv gestaltet werden können.
Christian Gaebler, Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen dankte den Beteiligten für ihr Engagement: „Das Tempelhofer Feld ist ein historischer Ort, mit dem sich viele Berlinerinnen und Berliner identifizieren. Dass Sie sich mit so viel Energie und Offenheit auf diesen Dialog eingelassen haben, verdient großen Respekt. Sowohl die prämierten Arbeiten im internationalen Ideenwettbewerb als auch die Diskussion im Dialogprozess zeigen eindeutig, dass das Tempelhofer Feld viele Potenziale bietet. Die Impulse reichen beispielsweise von einer Verbesserung der Zugänge, die landschaftsplanerische Gestaltung, die bessere Verknüpfung mit den umliegenden Kiezen, die Schaffung von Schattenbereichen, die Erhöhung der Aufenthaltsqualität auf dem Feld oder eine behutsame Randbebauung.“
Teilnehmer fühlen sich „veräppelt“
Am zweiten Tag der Dialogwerkstatt gab es auch außerplanmäßig eine längere Diskussion, warum die Dialogwerkstatt überhaupt noch zusammenkomme, wenn die Entscheidung des Senats doch sowieso schon gefallen sei. Viele fühlten sich „veräppelt“, sagte ein Teilnehmer. Von den 275 zufällig gelosten Berlinerinnen und Berlinern waren nur noch rund 100 zur dritten Dialogwerkstatt gekommen
Neben vereinzelten Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die sich für eine Bebauung aussprachen, verfasste eine größere Gruppe ein Proteststatement: „Wir befürchten, dass unser Engagement im Dialogprozess dazu missbraucht wird, um eine Bürgerbeteiligung vorzutäuschen“, so die Gruppe. „Wir möchten, dass die Ablehnung der Bebauung und der Erhalt des Tempelhofer Feld-Gesetzes durch die Mehrheit der Teilnehmenden in diesem hoch kontroversen und potenziell den sozialen Frieden der Stadt gefährdenden Prozess anerkannt wird.“
Kritik an Wettbewerb
Zwei Entwürfe mit Bebauung, vier ohne: "Das ist sehr eindeutig", sagt Anita Möller von der Initiative "100% Tempelhofer Feld", die den Volksentscheid zum Tempelhofer Feld initiiert hatte. Möller wertet das Ergebnis des Wettbewerbs als Erfolg ihrer Initiative und als "Votum für den Erhalt des Tempelhofer Feldes". Dass der Senat drei Millionen Euro in den Dialogprozess investiert hat, sei allerdings unnötig gewesen, so Möller. "Das Geld hätte in das Feld gesteckt werden können."
Ähnlich sieht es der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Julian Schwarze. "Das ist ein Schlag ins Gesicht des Senats, der versucht hat, über einen Wettbewerb eine Bebauung zu legitimieren." Damit habe die Fachjury genauso entschieden wie die Berlinerinnen und Berliner, die an der Dialogwerkstatt des Senats teilgenommen haben. Sämtliche Bebauungspläne müssten nun gestoppt werden, so Schwarze.
"Steuergeldverschwendung"
Der Stadtentwicklungsexperte der Linken, Michael Efler, sieht es genauso: Der Wettbewerb sei "Steuergeldverschwendung" gewesen und sämtliche Bebauungspläne gehörten ad acta gelegt. "Die Berlinerinnen und Berliner wollen keine Bebauung des Feldes", so Efler.
Der Naturschutzbund Berlin äußerte sich skeptisch: Einige der prämierten Entwürfe stellten den Naturerhalt in den Mittelpunkt, was zu begrüßen sei. Eine Randbebauung etwa entlang des Tempelhofer Damms wie in anderen bewerte der Nabu "extrem kritisch".
Regierender Bürgermeister will Volksbefragung
Berlins Regierender Bürgermeister drängte Anfang August 2025 auf schnelleres Handeln bei einer möglichen Randbebauung des Tempelhofer Feldes. „Meine Zielrichtung ist, dass wir vielleicht schon 2026 die Berliner befragen können, wie sie sich diesen Ort wünschen“, sagte der CDU-Politiker der Zeitung „B.Z.“. „Dann muss es sehr schnell in die Planung gehen.“
„Wir haben zu wenig Wohnungen in unserer Stadt, deswegen müssen wir die Flächen nutzen“, sagte Wegner. Zum Ergebnis des 2014 durchgeführten Volksentscheids ergänzte er: „Meinungen können sich aber auch verändern. Es braucht eine erneute Befragung der Berliner.“
Stadtentwicklungssenator Gaebler sieht für einen neuen Volksentscheid keine Notwendigkeit. "Alle Veränderungen bedingen die Änderung des Feldgesetzes", sagte Gaebler im August 2025 der Berliner Morgenpost. "Das Gesetz in allen Ehren - aber man kann Gesetze auch ändern. Dazu braucht es keinen neuen Volksentscheid, sondern das Parlament kann das Gesetz jederzeit ändern, in zwei Lesungen", so der Stadtentwicklungssenator.
Architektenbündnis gegen Randbebauung
Auch das Architektenbündnis „Architects4THF“ sieht eine Randbebauung kritisch. Nach der Ankündigung des Ideenwettbewerbs hatten sich hier Berliner Stadtplaner und Architekten zusammengetan, um das Tempelhofer Feld in seiner jetzigen Form zu bewahren und die demokratische Kultur zu schützen.
"Die Ausschreibung ist irreführend und wird als politisches Instrument genutzt, um die Absichten des Berliner Senats öffentlich zu platzieren“, hatten die Initiatoren des Bündnisses zum Ideenwettbewerb erklärt. Hier Wohnungen zu bauen „würde den Bodenwert der umliegenden Grundstücke derart in die Höhe treiben, dass die Erreichbarkeit und Zugänglichkeit ganzer Stadtteile drastisch eingeschränkt würde." Die Vorschläge des Stadtentwicklungsprogramms für 2040 für bezahlbaren Wohnraum in Berlin außerhalb des Tempelhofer Feldes habe der Senat nicht ernst genommen.
"Leere hat einen Raum, Stille hat eine Stimme"
"Nicht zu bauen ist auch ein architektonisches Statement - denn Leere hat einen Raum, Stille hat eine Stimme", erklärten die Initiatoren Jolene Lee und Malte Willms. "Wir erkennen die Relevanz des Baus neuer Sozialwohnungen zur Bewältigung der Wohnungskrise an. Allerdings teilen wir die Einschätzung mehrerer Studien, die aufzeigen, dass es eine Vielzahl an weiteren Möglichkeiten für den Wohnungsbau gibt, die über das Tempelhofer Feld hinausgehen", so die Architekten.
Für den stadtentwicklungspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Gräff, ging es bei den Dialogwerkstätten "nicht um die Frage, ob gebaut wird, sondern darum, was". Es gelte weiterhin der Koalitionsvertrag, der die Randbebauung vorsieht. Man wolle sich außerdem nicht auf die Empfehlungen einer kleinen Gruppe verlassen, sondern im Zweifel eher noch mal alle Berliner befragen.
Ergebnisse der Dialogwerkstätten ernst nehmen
Oliver Wiedmann, Berliner Büroleiter des Vereins Mehr Demokratie, fordert den Senat auf, die Ergebnisse der Dialogwerkstätten ernst zu nehmen. Er kann nachvollziehen, dass die Entscheidung des Senats, den Wettbewerb einfach weiterzuführen, in der Zivilgesellschaft für Irritationen sorgt. Zwar seien die Ergebnisse aus den Werkstätten nicht bindend, „aber man kann sie auch nicht komplett ignorieren“. Sollten die in der Dialogwerkstatt erarbeiteten zehn Entwicklungsperspektiven, die sich in deutlicher Mehrheit gegen eine Wohnbebauung richten, nicht ernsthaft in den politischen Abwägungsprozess einfließen, müsse man den Dialogprozess als Scheinbeteiligung bewerten.
Wiedmann hält den ganzen Ablauf für falsch. Zuerst hätte entschieden werden müssen, ob das Feld bebaut wird, am besten mithilfe eines neuen Volksentscheids, so der Vorschlag des Vereins Mehr Demokratie. Dann hätte man mit den Bürgern in Werkstätten über die Ausgestaltung diskutieren können. So aber herrsche Chaos, die Abläufe seien einfach nicht klar. Was passiert denn nach dem Wettbewerb? Wie geht die Politik mit den Ergebnissen um, die daraus hervorgehen? Das seien Fragen, die schon vorher hätten geklärt werden müssen.
Der Weg zum Volksentscheid
Entscheidend sei zudem die Frage, wie der aktuelle Prozess am Ende in eine Abstimmung der Berlinerinnen und Berliner münden soll. Bisher gibt es nur den Weg eines Volksbegehrens, welches zwei Jahre bis zum Volksentscheid braucht. “Es grenzt an Realitätsverweigerung, wenn gebetsmühlenartig über eine Befragung der Berliner bis zur Abgeordnetenhauswahl fabuliert wird, dafür aber keine rechtlichen Grundlagen bestehen,” kritisiert Wiedmann. Eine Volksbefragung sei ohne eine Änderung der Landesverfassung nicht möglich. Dies habe bereits das bayerische Landesverfassungsgericht 2016 festgestellt.
Mehr Demokratie schlägt anstelle einer Volksbefragung ein sogenanntes fakultatives Referendum vor, mit dem die Berlinerinnen und Berliner auf verkürztem Wege zu einem Volksentscheid über die Zukunft des Tempelhofer Feldes kommen könnten, sollte das Abgeordnetenhaus das Tempelhofer-Feld-Gesetz ändern.
Laut Artikel 100 der Landesverfassung entscheiden die Berlinerinnen und Berliner im Rahmen einer Volksabstimmung selbst über die Einführung neuer Instrumente der direkten Demokratie. “Die Abstimmung über die Einführung eines fakultativen Referendums könnte bereits 2026 am Tag der Abgeordnetenhauswahl erfolgen. Das Instrument stünde dann in der kommenden Wahlperiode allen zur Verfügung. Über eine mögliche Bebauung des Tempelhofer Feldes könnten die Berliner und Berlinerinnen dann verbindlich abstimmen”, so Wiedmann.