Bürgerrat zum „Einkaufsziel Aachen“

28. Oktober 2023
David Pohl

„Wie kann Aachens Innenstadt wieder ein attraktives Einkaufsziel werden?“ Um dieses Thema ging es beim ersten Bürgerrat in Aachen, der im November 2023 durchgeführt wurde. Das Besondere daran: Diese Losversammlung war die erste Runde eines ständigen Verfahrens.

Bürgerräte sollen in Aachen in Zukunft regelmäßig stattfinden. Dafür hat die zufällig geloste Bürgerversammlung eine rechtliche Grundlage und eine dauerhafte Organisationsstruktur. Durch immer wieder neue Bürgerräte sollen Politik und Verwaltung unmittelbare Empfehlungen aus der Bürgerschaft erhalten. Die Mitglieder des Bürgerrates werden jedes Jahr neu bestimmt. Die Teilnahme ist freiwillig.

Themenvorschläge aus der Bevölkerung

Das erste Thema des Bürgerrates wurde nach einer Themensammlung in der Bevölkerung bestimmt. Themenvorschläge konnten bis zum 10. März 2023 eingereicht werden. Insgesamt waren auf diese Weise über eine Beteiligungsplattform 58 Themenvorschläge eingegangen. Vom 24. Februar bis zum 10. März 2023 konnten alle Einwohner online über die Vorschläge abstimmen. Alle Themenvorschläge, die mindestens 125 unterstützende Stimmen erhalten hatten, hatten Chancen, im Bürgerrat behandelt zu werden. Diese Hürde konnten 17 Vorschläge überspringen.

Nachdem die Verwaltung geprüft hatte, ob die Themen den vorgegebenen Kriterien (Unterschriftenquorum erreicht und um Stadtrat noch nicht behandelt) entsprechen, lag die Auswahl der sechs Finalisten beim Begleitgremium zum Bürgerrat, in dem neben den Aachener Ratsfraktionen mit gleicher Personenzahl auch die Initiative „Bürgerrat für Aachen“ vertreten ist. Diese Initiative hatte den Bürgerrat-Stein in Aachen ins Rollen gebracht.

Begleitgremium zum Bürgerrat

Das Begleitgremium bereitet für den Bürgerrat die Themenauswahl vor und wählt die Experten und Moderatoren aus. Es bestimmt Verfahren und Inhalte, begleitet den Bürgerrat und berät bei der Umsetzung der Empfehlungen.

In Zukunft wird das Begleitgremium aus zwei Mitarbeitenden der Verwaltung und aus zwölf ehemaligen Mitgliedern des Bürgerrates bestehen. Vier von den zwölf Mitgliedern werden aus dem jeweils jüngsten Bürgerrat nachbesetzt, sodass die Mitglieder nach drei Sitzungen komplett ausgewechselt sind.

Themenentscheidung im Bürgerforum

Das Begleitgremium hatte intensiv über die Auswahl diskutiert. Am Ende flossen Argumente wie die „Strahlkraft über Aachen hinaus“, die „Nähe an der Lebensrealität“ und die Schwere des „Leidensdrucks“ in die Auswahl ein. Am 18. April 2023 gingen sechs Themen zur Entscheidung in das Bürgerforum der Stadt. Dieses Forum ist ein Ausschuss des Stadtrates zur Bürgerbeteiligung.

Im Juli 2023 wurden 3.500 repräsentativ und zufällig ausgeloste Personen ab 16 Jahren zur Teilnahme am Bürgerrat eingeladen. Aus den Rückmeldungen der Ausgelosten hatte das Bürgersekretariat, das aus der Verwaltung heraus den Bürgerrat in organisatorischen Angelegenheiten unterstützt, 56 Mitglieder ausgelost.

Fachleute haben Teilnehmer beraten

Die Losversammlung hat über Ideen dazu beraten, wie man Aachen als Einkaufsziel für Menschen interessanter machen kann. In moderierten Sitzungen wurde das Thema beraten und diskutiert. Hierbei halfen Fachleute. Zusammen haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein Bürgergutachten erarbeitet, das dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt wird. Die Arbeitssitzungen fanden am 4./5. und und 11./12. November statt. Pro Sitzungstag haben die Bürgerrat-Mitglieder eine Aufwandsentschädigung von 50 Euro erhalten.

Die Ergebnisse des Bürgerrates werden am 12. Dezember 2023 in einer Bürgerrat-Konferenz vorgestellt. Einen Tag später soll der Katalog an den Stadtrat übergeben werden. Am 16. Januar 2024 wird das Gutachten dann im Bürgerforum diskutiert. Abschließend beratschlagt und entscheidet der Rat der Stadt über die Empfehlungen des Bürgerrats zum Thema Einzelhandel. Der Stadtrat muss entscheiden, ob alle Empfehlungen oder nur ein Teil davon umgesetzt werden. Seine Entscheidung muss der Rat ausführlich begründen. Sollte ein Teil der Empfehlungen nicht umsetzbar sein, wird auch dies erklärt.

"Bürgerrat ein wichtiges Instrument"

Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen freute sich in einer Stellungnahme, dass Aachen als Vorreiterin in Deutschland erfolgreich den ersten ständigen Bürgerrat in Aachen etablieren konnte. Sie sagte: „Der Bürgerrat ist ein wichtiges Instrument, um Bürgerinnen und Bürger aktiv für eine partizipative Stadtgesellschaft in politische Prozesse einzubeziehen. Als ständige, institutionalisierte Einrichtung geht das Gremium weit über ein Diskussionsforum hinaus. Politik und Verwaltung erhalten so eine unmittelbare Empfehlung aus der Bürgerschaft“.

Und weiter: „Demokratie wird nur durch echte Beteiligung gestärkt und festigt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die politischen Prozesse. Aachen setzt damit ein klares Zeichen für eine Demokratie, die auf Transparenz, Vielfalt und aktiver Bürgerbeteiligung beruht“.

Mittel gegen Spaltung der Gesellschaft“

Die Initiative „Bürgerrat für Aachen“ freut sich über einen zu erwartenden Nebeneffekt des Bürgerrates: „Es kommen Menschen aus der Stadt zusammen, die sich sonst nie begegnen würden und sicher auch nicht zusammen über Stadtfragen diskutieren würden. Diese neuen Bekanntschaften werden aber auch nach Ende der Versammlungen fortbestehen und so besteht die Chance, dass die Stadtgesellschaft auf längere Sicht wieder ein wenig zusammenrückt. Der Bürgerrat ist somit auch ein Mittel gegen die Entfremdung und Spaltung der Gesellschaft.“

Der Rat der Stadt Aachen hatte die Einführung des ständigen Bürgerrates am 30. März 2022 beschlossen. Vorbild ist der Bürgerdialog in der nahen Deutschsprachigen Gemeinschaft (DG) Ostbelgien. Das Parlament der DG hatte bereits 2019 per Gesetz geregelt, wie das Demokratie-Instrument dort gestaltet sein soll. Seitdem fanden in Ostbelgien bereits fünf Losversammlungen statt. Ständige Bürgerräte gibt es außerdem in Brüssel, Mailand und Paris.

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