Bürgerrat zu Westschnellweg-Modernisierung

24. Januar 2025
NLStBV / Franz Bischof

In Hannover hat von Januar bis März 2025 ein Bürgerrat über die Modernisierung des Westschnellwegs beraten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich mit den Themenfeldern Klimaschutz und Klimawandel, Verkehr und Mobilität, Stadtleben und Grünflächen sowie Natur und Umwelt beschäftigt.

Der ab 1950 entstandene Westschnellweg ist eine vierspurige Schnellstraße in Hannover und hier Teil der Bundesstraße 6. Zusammen mit dem Südschnellweg, dem Messeschnellweg und anderen Schnellstraßen gehört er zum vom damaligen Stadtplaner Rudolf Hillebrecht entwickelten Konzept, den Fernverkehr um das Stadtzentrum herumzuführen.

Brücken sanierungsbedürftig

Die Planungen für die Bundesstraße 6 auf Höhe der Hannoverschen Stadtteile Stöcken, Herrenhausen, Linden und Limmer bis zum Landwehrkreisel stehen noch am Anfang. 14 schwer sanierungsbedürftige Brücken machen laut Verkehrsministerium des Landes aber in sieben bis acht Jahren Bauarbeiten nötig. In diesem Zuge soll der Westschnellweg modernisiert werden.

Bei der Modernisierung müssen Planer Klimaschutz, Verkehrswende und Sicherheit unter einen Hut bringen. Noch ist nicht klar, wie etwa Auf- und Abfahrten umgebaut werden und ob ein Tunnel Brücken und ein Stück der Straße ersetzen könnte. Um mehr Sicherheit zu schaffen, wird auch in Erwägung gezogen, die Straße zu verbreitern und einen zusätzlichen Seitenstreifen anzulegen.

Gegen die Erweiterung des Südschnellweges hatte es heftige Proteste gegeben, obwohl es damals einen Bürgerdialog gab. Daraus habe man Lehren gezogen, so Christian Budde, Sprecher des Landesverkehrsministeriums. Das Ministerium wolle den Prozess dieses Mal noch offener gestalten, Bürgerinnen und Bürger informieren und mitnehmen.

Gesamtgesellschaftliche Fragen im Bürgerrat

Die Niedersächsische Lan­des­be­hörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) hatte im November 2024 Menschen in und um Hannover eingeladen, am Bürgerrat zur Modernisierung des Westschnellwegs teilzunehmen. 2.000 zufällig gezogene Personen aus den Stadtteilen in Linden, Limmer oder Herrenhausen, dem weiteren Stadtgebiet sowie auch der Region Hannover hatten eine Einladung in ihren Briefkasten. 95 Eingeladene hatten Interesse an einer Teilnahme an der Losversammlung bekundet.

Der Bürgerrat bestand aus 35 zufällig ausgelosten Einwohnerinnen und Einwohner der Region Hannover. Die Aufgabe der Losversammlung war es, Rahmenbedingungen für die Westschnellwegplanung zu diskutieren und zu formulieren - basierend auf der Lebenserfahrung und Expertise seiner Mitglieder. Das Gremium war dementsprechend zusammengesetzt. Der Bürgerrat sollte die Gesellschaft in Hannover widerspiegeln. Daher waren dort Menschen nach den Kriterien Alter, Geschlecht, Bildung, Wohnort und Migrationshintergrund ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend vertreten.

Empfehlungen für NLStBV und Verkehrsministerium

Die Losversammlung hatte sich zu drei Sitzungswochenenden zwischen Januar und März 2025 getroffen. Das Gremium hat Empfehlungen erarbeitet, die an die NLStBV und an das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung übergeben werden. Diese Empfehlungen widmen sich den übergeordneten Themenfeldern. Die Leitfrage ist: Was soll bei der Modernisierung des Westschnellwegs bezogen auf das jeweilige Themenfeld beachtet werden?

Für  Diskussion standen den Bürgerrat-Mitgliedern mehrere Expertinnen und Experten mit Informationen und bei Fragen zur Seite. Das waren Prof Dr. Udo Becker (TU Dresden – Professur für Verkehrsökologie; 1. und 3. Sitzung), Prof. Dr. Thomas Richter (TU Berlin, Leiter des Fachgebiets Straßenplanung und Verkehr, 2. Sitzung), Alice Balbo (Deutscher Städtetag, Referentin für Klimafolgenanpassung), Dr. Frank Scholles (Leibniz Universität Hannover, Methoden der Raum- und Umweltplanung), Prof. Dr. Christina von Haaren (Leibniz Universität Hannover, Institut für Umweltplanung) und Prof. Dr. Reinhard Koettnitz (TU Dresden, Professur für Gestaltung von Straßenverkehrsanlagen).

Die NLStBV und das Verkehrsministerium prüfen die Empfehlungen und nehmen dazu Stellung. Im Mittelpunkt steht dabei die mögliche Umsetzbarkeit, das heißt die Überführung einer Empfehlung in die konkrete Planung des Westschnellwegs. Die Empfehlungen des Bürgerrates werden veröffentlicht.

Bürgerrat war Teil der Öffentlichkeitsbeteiligung

Der Bürgerrat ist Teil der Öffentlichkeitsbeteiligung, die die Landesbehörde zur Westschnellwegplanung durchführt. Die Beteiligung hatte mit einer Auftaktveranstaltung im Oktober 2023 und einer anschließenden Online-Befragung begonnen. Daraus war ein Dialogkonzept entstanden, das im Mai 2024 vorgestellt wurde.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Beteiligung ist ein so genanntes Dialogforum. Es bindet Anwohnerinnen und Anwohner sowie verschiedenste Interessensgruppen über mehrere Jahre hinweg in die Planung ein. Start des Dialogforums war im Februar 2025.

Bündnis kritisiert "Alibi-Veranstaltung"

Das Bündnis "WESTprotest" hatte den Bürgerrat zum Westschnellweg als "Alibi-Veranstaltung" kritisiert. Der Auftrag dieses Bürgerrates sei nicht wirklich ergebnisoffen, erklärt WESTprotest. Es gehe in der Fragestellung, die dem Bürgerrat von der Landesbehörde vorgegeben ist, nicht mehr darum, ob der Westschnellweg „modernisiert“, also ausgebaut, werden soll, sondern nur noch darum „Rahmenbedingungen für die Modernisierung zu diskutieren“.

Weiter kritisierte das Bündnis, die Moderation des Bürgerrates sei nicht neutral und unabhängig, sondern das mit der Moderation beauftragte Institut „ifok“ arbeite offenkundig eng mit der NLStBV zusammen. Auch sei nicht sicher gestellt, dass der Bürgerrat durch unabhängige Expertinnen und Experten beraten werde.

Für Klimagerechtigkeit und Lebensqualität

Sinnvoll sei ein Bürgerrat nur, wenn er darüber beraten könnte, wie die Mobilitätsbedürfnisse in der Region Hannover klimagerecht befriedigt werden können. Und dafür brauche der Bürgerrat auch mehr Zeit als die vorgesehenen drei Sitzungen. Oberste Leitziele müssen Klimagerechtigkeit in der Verkehrsplanung und die Lebensqualität der Menschen in Linden, Limmer und Herrenhausen sein und nicht breitere Straßen für schnelleren und zunehmenden Autoverkehr.

Auch die Grünen hatten das Vorhaben kritisiert: Bürgerräte einzubinden mache nur Sinn, wenn auch die Planung offen sei. Die Grundlagen für den Ausbau stünden aber bereits fest. Sie fordern eine Sanierung der Autobahn und keinen Ausbau.

ifok widerspricht Kritik

Der Beteiligungsdienstleister ifok hatte die geäußerte Kritik zurückgewiesen. Die Offenheit des Ergebnisses sei gewährleistet. Der Bürgerrat sei Teil eines größeren Beteiligungsprozesses, der unter anderem auf einer Dialogveranstaltung sowie einer öffentlichen Online-Umfrage aufbaue.

Da der Bürgerrat früh in der Planung stattgefunden habe, gebe es seitens der NLStBV viel Spielraum für die Gestaltung der Rahmenbedingungen. Daher beinhalte der Begriff „Modernisierung“ nicht automatisch einen „Ausbau“. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hätten auch die Frage diskutiert, ob der Westschnellweg überhaupt ausgebaut werden soll. Eine Modernisierung von Straßen und Brücken in schlechtem Zustand sei jedoch notwendig.

Die Behauptung einer mangelnden Unabhängigkeit von ifok sei unbegründet. Es sei üblich, dass das durchführende Unternehmen in engem Austausch mit dem Auftraggeber stehe, um den Informationsaustausch und die Umsetzung der Empfehlungen des Bürgerrates zu fördern. Dies sei besonders relevant, da der Auftraggeber zugleich die durchführende Behörde der Arbeiten am Westschnellweg sei. Insgesamt hätten zudem sechs unabhängige Expertinnen und Experten den Bürgerinnen und Bürgern während des gesamten Prozesses zur Verfügung gestanden.

Geforderte Themen Teil der Diskussion

Grundsätzliche Mobilitätsbedürfnisse der Zukunft in und um Hannover seien ebenso wie Klimagerechtigkeit und Lebensqualität der Anwohnerinnen und Anwohner Teil der Diskussionen und selbstverständlich wichtige Grundlage für die Erarbeitung der Ergebnisse durch die Bürgerrat-Mitglieder gewesen.

Ein Beteiligungsprozess könne auch über einen längeren Zeitraum laufen. Allerdings gelte es, eine Lösung zu finden, die auch die zeitlichen Kapazitäten der Bürgerinnen und Bürger und den sparsamen und umsichtigen Umgang mit Steuergeldern berücksichtigt. Um eine langfristige Begleitung zu gewährleisten, finde ein Dialogforum statt, das Anwohnerinnen und Anwohner sowie verschiedene Interessengruppen über mehrere Jahre hinweg in die Planung einbezieht. Bei Bedarf könne das Dialogforum Bürgerrat-Mitglieder auch nach dem Ende des Bürgerrates zur Beratung einberufen.

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