Bürgerrat-Post für Niederländer
Mitte November 2024 haben 70.000 zufällig geloste Einwohnerinnen und Einwohner der Niederlande eine Einladung zu einem nationalen Klima-Bürgerrat erhalten. Die Ausgelosten können sich bis zum 1. Dezember 2024 für eine Teilnahme bewerben.
Die Regierung möchte die Einwohner mit dem Bürgerrat stärker Bekämpfung des Klimawandels einbeziehen. Deshalb wird ein Klima-Bürgerrat mit zufällig gelosten Menschen eingerichtet, die der Regierung klimapolitische Ratschläge geben sollen. Der Bürgerrat wird sich mit den Themen nachhaltiger Konsum, Kreislaufwirtschaft und Reisen befassen.
Ein besonderes Geburtstagsgeschenk
Für Eva Rovers von der Organisation Bureau Burgerberaad ist der Versand der Bürgerrat-Einladungen ausgerechnet an ihrem Geburtstag ein besonderes Geburtstagsgeschenk. „Nach vier Jahren des Bittens, Redens, Schreibens, Beratens, (liebevollen) Drängens und Ziehens, einen nationalen Klima-Bürgerrat in den Niederlanden auf die Beine zu stellen, ist ausgerechnet heute der Startschuss“, schrieb sie an ihrem Geburtstag im sozialen Netzwerk LinkedIn.
In der Zeitung „De Correspondent“ schrieb sie: „Die Demokratien auf der ganzen Welt geraten ins Wanken oder verschwinden sogar ganz. Auch die niederländische Demokratie steht unter Druck: Die politische Spaltung ist tief, die Entscheidungsfindung stockt (…) und die Unzufriedenheit mit Politik und Regierung nimmt zu. Infolgedessen befürwortet ein Drittel der Niederländer eine autokratischere Regierungsform.“
Hoffnung durch Bürgerräte
Mit der wachsenden Zahl von Bürgerräten gebe es aber auch eine Hoffnung. Sie seien ein Spiegelbild der Gesellschaft, das gewichtige Empfehlungen für Probleme ausspreche, die von der Politik nicht gelöst werden könnten. Dies sei ein kluger Ansatz zur Lösung der größten Probleme unserer Zeit. „Ohne Polarisierung und Parteipolitik, aber mit einem Blick für unterschiedliche Perspektiven und Langfristigkeit“, so Rovers.
Die Bürgerrat-Vorsitzende Nienke Meijer sagt: „Wir schaffen mit diesem nationalen Klima-Bürgerrat wirklich etwas Neues und Besonderes. Ich hoffe, dass die Menschen, die unsere Einladung bekommen haben, sich auch beteiligen werden. Denn wir stehen vor Entscheidungen, die nicht nur für uns selbst wichtig sind, sondern auch für unsere Kinder und Enkelkinder. Mein Appell an die Eingeladenen lautet daher: Melden Sie sich an. Ihre Ideen sind wichtig!“
Vorsitzende ist Ansprechpartnerin
Nienke Meijer hat Psychologie und Marketing studiert. Sie ist unter anderem Mitbegründerin und Partnerin der Stiftung De Buitenboordmotor, Mitglied der Aufsichtsräte von PostNL und Deloitte sowie Vorstandsvorsitzende der Stiftung De Volkskrant. Die Regierung hat sie zur Bürgerrat-Vorsitzenden gewählt, weil sie Erfahrung darin hat, verschiedene Gruppen und Parteien zusammenzubringen.
Die Bürgerrat-Vorsitzende ist ist Ansprechpartnerin für die Mitglieder des Bürgerrates, aber auch für Minister, das Parlament und Journalisten. Wenn der Bürgerrat zusammentritt, sorgt sie dafür, dass die Beratungen reibungslos verlaufen und alle respektvoll miteinander umgehen.
175 Teilnehmer
Auf der Internetseite des Bürgerrates heißt es: „Die Entscheidungen, die die Regierung zur Bekämpfung des Klimawandels trifft, betreffen jeden.“ Zum Beispiel müssten die Menschen für Einwegplastik mehr bezahlen oder mit einer Flugsteuer rechnen. Die Regierung hält es deshalb für wichtig, dass die Menschen bei diesen Entscheidungen mitreden können.
Der Bürgerrat besteht aus bis zu 175 Personen ab 16 Jahren, die nach den Kriterien Alter, Geschlecht, Bildung, Wohnort und Einstellung zur Klimapolitik ein Abbild der Gesellschaft sind. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen eine Antwort auf die Frage finden, wie man Ernährung, und Reisen klimaschonender machen und umweltfreundlicher leben kann. Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob nicht-nachhaltige Produkte teurer sein dürfen. Und darum, wie weit der Staat gehen sollte, um ein nachhaltiges Verhalten der Menschen zu fördern.
Experten und Interessenvertreter
Die erste Bürgerrat-Sitzung findet am 18. Januar 2025 statt. In der ersten Hälfte des Jahres tagt die Losversammlung an sechs Wochenenden in Amersfoort. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten eine Aufwandsentschädigung von 120 Euro pro Tagungsmonat. Außerdem wird eine Kinderbetreuung angeboten. Reise- und Unterkunftskosten werden erstattet.
Ihr Wissen über Klimawandel und Klimaschutz erhalten die Bürgerrat-Teilnehmer von Fachleuten und Interessenvertretern aus Verbänden, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, aber auch durch Exkursionen. Die Bürgerrat-Mitglieder entscheiden dabei so weit wie möglich selbst, welches Wissen und welche Informationen sie erhalten und nutzen wollen und mit welchen Experten und Interessenvertretern sie sprechen möchten. Ein unabhängiger Beirat stellt sicher, dass die vermittelten Informationen ausgewogen sind.
Regierung zur Antwort verpflichtet
Im September 2025 übergeben die Bürgerrat-Mitglieder der Regierung ihre Empfehlungen. Das Parlament berät dann über die Empfehlung und die Antwort der Regierung darauf. Im September 2026 diskutiert der Bürgerrat in einer abschließenden Sitzung mit Regierung und Parlament die Umsetzung der Empfehlungen. Durch eine entsprechende Vereinbarung ist die Regierung verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten eine Antwort auf die Empfehlungen zu geben. Sie muss dabei für jede Empfehlung angeben, ob diese angenommen wird. Die Ablehnung von Empfehlungen ist zu begründen.
Organisiert wird der Bürgerrat durch das das Overlegorgaan Fysieke Leefomgeving (Beratungsgremium für die physische Lebensumgebung - OFL). Das OFL ist eine unabhängige Plattform für Beratung und Zusammenarbeit zwischen Regierung, Bürgern, Unternehmen und Organisationen der Zivilgesellschaft. Es befasst sich mit der Umwelt, in der die Menschen leben, arbeiten, reisen und sich erholen.
14. nationaler Klima-Bürgerrat
Der Klima-Bürgerrat in den Niederlanden ist die 14. nationale Losversammlung zum Thema Klimaschutz. Ähnliche Bürgerräte gab es zuvor bereits in Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Luxemburg, Österreich, Schweden und Spanien. In Norwegen läuft derzeit ein Bürgerrat zu Konsum und Klimaschutz.