Bürgerrat: "Nahverkehr teilweise kostenlos machen"
Am 7. Oktober 2025 hat der Bürgerrat „Ausgewogene Mobilität in Aachen“ neun Vorschläge für einen besseren Stadtverkehr vorgestellt. Empfohlen wird dabei unter anderem die Einführung eines kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) für Empfängerinnen und Empfänger von Transferleistungen, Behinderte, Kinder und Auszubildende.
Die zufällig ausgelosten Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bürgerrates sehen darin eine Möglichkeit zur Reduzierung des Individualverkehrs. Die Maßnahme sei sozialverträglich und diene auch dem Umweltschutz, weil ein kostenloser ÖPNV zu dessen Attraktivität beitrage. Als ersten Schritt wünscht sich der Bürgerrat, dass der öffentliche Nahverkehr an einem Wochenende im Monat kostenlos ist, zum Beispiel an einem verkaufsoffenen Sonntag.
Die neun Empfehlungen
Verbesserung der Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs durch Echtzeitanzeigetafeln, Bezahlautomaten an zentralen Haltestellen und in Bussen, Schaffung von mehr Einbuchtungen und barrierefreien Einstiegsmöglichkeiten an allen Haltestellen.
Fahrradampeln flächendeckend einführen und vor den Autoverkehr schalten, um die Sicherheit der Fahrradfahrenden zu erhöhen.
Einführung von Karl dem Kleinen als DAS Verkehrsmaskottchen für eine verbesserte und freundliche Kommunikation in Kampagnen für mehr Verkehrssicherheit und Rücksichtnahme.
Neustrukturierung des Parkraums in der Stadt durch optimale Nutzung des vorhandenen und gegebenenfalls Neuschaffung von Angeboten für alle Verkehrsmittel und Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer.
Nachhaltige Attraktivität sowie Effizienz des öffentlichen Nahverkehrs durch dezentrale Knotenpunkte bei verbesserter Anbindung von Park + Ride Stationen an wichtigen Verkehrspunkten.
Reduzierung der Verkehrsgeschwindigkeit auf Tempo 30 dort, wo getrennte Auto- und Fahrradwege nicht möglich sind und bei Bergabfahrten asymmetrische Gestaltung der Fahrradwege.
Anschaffung/Einrichtung einer Mobilitätsapp, die interaktiv, intuitiv bedienbar, barrierefrei und mehrsprachig in Echtzeit Informationen abrufbar machen soll.
Vorantreiben des Ausbaus und der Nutzung des digitalen Zwillings, um Baustellen frühzeitig zu koordinieren. Ergänzt durch ein Präventionskonzept für Untergrund-Infrastruktur werden Doppelarbeiten und Verzögerungen vermieden. Durch eine Roadmap soll der Fortschritt öffentlich transparent den Bürgerinnen und Bürgern zugänglich gemacht werden.
Teilweise Einführung eines kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs für Empfängerinnen und Empfänger von Transferleistungen, Behinderte, Kinder und Auszubildende.
Empfehlungen beruhen auf Konsens
Beim 3. Aachener Bürgerrat kam die Methode des Konsensierens zum Einsatz. Ziel war nicht die perfekte Einigkeit, sondern tragfähige Empfehlungen mit möglichst breiter Zustimmung. Und sichtbarer Offenheit für Kritik. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten ihre Haltung zu jeder Empfehlung mit Farbkarten kennzeichnen:
- Grün: Zustimmung
- Gelb: leichter Widerstand und Zustimmung trotz Bedenken - die Argumente wurden gehört
- Rot: Ablehnung mit Veto - eine Empfehlung in dieser Form ist nicht mittragbar
So entstand ein transparentes Bild der Gruppenmeinung. Im Bürgergutachten des Bürgerrates ist deshalb unter jeder Empfehlung angegeben, wie viele gelbe Karten es gab, wie viele Widerstände also geäußert wurden. Das stärkt die Aussagekraft der Empfehlungen und macht deutlich: Hier wurde auch dort weitergearbeitet, wo es schwierig war.
Fragestellung
Der Bürgerrat in der Kaiserstadt hatte vom 14. Juni bis 5. Juli 2025 über die Frage beraten, wie eine für alle Einwohnerinnen und Einwohner ausgewogene Mobilität in Aachen aussehen soll. Am 17. Dezember 2025 nimmt der Stadtrat die Empfehlungen des Bürgerrates offiziell entgegen, um anschließend darüber zu diskutieren und über die Umsetzung zu entscheiden.
Für die dritte Runde des ständigen Bürgerrates hatte die Stadt im Januar 2025 alle Einwohnerinnen und Einwohner zur Einreichung von Themenvorschlägen aufgerufen. Auch die Ratsfraktionen, die Verwaltung und ein vorheriger Bürgerrat konnten Vorschläge machen. Diese mussten bis zum 12. Februar 2025 vorliegen. Es wurden 38 Vorschläge eingereicht. Gewonnen hat schließlich das Thema Mobilität.
Online-Abstimmung über Themenvorschläge
Vom 14. bis 27. Februar 2025 konnten alle Aachenerinnen und Aachener online über 28 der eingereichten Themenvorschläge abstimmen. 24 Vorschläge hatten die notwendige Zahl von 125 Stimmen erreicht. Vier weitere wurden durch die Verwaltung eingebracht. Allein zum Thema Mobilität lagen zwölf unterschiedliche Fragestellungen vor. Das Begleitgremium des Bürgerrates, das sich aus Mitgliedern der beiden in Aachen bereits durchgeführten Bürgerräte zusammensetzt, hatte die eingereichten Themenvorschläge besprochen und fünf Vorschläge ausgewählt, die besonders vielversprechend erschienen:
- Mehr direkte Bürgerpartizipation für die individuelle Entwicklung der einzelnen Bezirke und Quartiere: Wie könnte das ermöglicht werden?
- Ausgewogene Mobilität in Aachen: Wie gelingt es, bei verkehrspolitischen Entscheidungen alle Bedarfe der unterschiedlichen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer zu betrachten? Welche konkreten Maßnahmen sind zielführend, um ein ausgewogenes Miteinander herzustellen?
- "Klimaneutrales Aachen 2030": Wie kann die Stadt die Bürgerinnen und Bürger bei der Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen mitnehmen und einbinden?
- Mit welchen Maßnahmen kann Aachen eine sauberere und daher aufenthaltsfreundlichere Stadt werden?
- Wie kann Aachen umweltfreundlicher werden?
Themenvorschlag der Verwaltung beschlossen
Diese Themenvorschläge wurden am 25. März 2025 im Bürgerforum als zuständigem Ausschuss des Stadtrates in einer öffentlichen Sitzung diskutiert. Hier hatten die politischen Vertreterinnen und Vertreter das endgültige Thema für den Bürgerrat 2025 gewählt: Ausgewogene Mobilität in Aachen. Damit kommt ein Vorschlag der Stadtverwaltung zum Zug.
Zur Gewinnung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Bürgerrat wurden 3.500 Einladungen an zufällig geloste Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt verschickt. 348 Eingeladene (9,9 Prozent) hatten sich für eine Teilnahme beworben. Aus den Rückmeldungen wurden wiederum per Losverfahren 56 Mitglieder für das Gremium so ausgewählt, dass sie nach Alter, Geschlecht, Bildung und Stadtteilen ein Abbild der Bevölkerung waren. Alle Bürgerrat-Mitglieder erhielten eine Aufwandsentschädigung von 50 Euro pro Sitzungstag.
Vier Bürgerrat-Sitzungen
Nach einer Auftaktveranstaltung am 14. Juni hatten sich die Bürgerrat-Mitglieder an den Samstagen 21. und 28. Juni sowie am 5. Juli getroffen, um das Thema "Ausgewogene Mobilität in Aachen" zu beraten und ein Bürgergutachten dazu zu erstellen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten dabei fachliche Unterstützung durch Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Verwaltung, Verkehrsplanung, Kommunikation, Mobilitätspolitik und vom Aachener Mobilitätsdienstleister ASEAG.
Ein besonderer Programmpunkt war der gemeinsame Stadtspaziergang. In kleinen Gruppen erkundeten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zentrale Orte der Aachener Innenstadt, immer mit dem Fokus auf das Thema Mobilität.
Die Tour begann in der Jakobstraße, die seit 2024 als Premiumfußweg gestaltet ist. Weiter ging es zum Löhergraben, der als Lenkungspunkt Karlsgraben für den Verkehr umgestaltet wurde und eine Grundlage für einen zukünftigen Radverteilerring bildet. Dann weiter über den Alexianergraben zum Kapuzinergraben und in die historische Altstadt. Die Bürgerinnen und Bürger nutzten die Gelegenheit, sich ein Bild von aktuellen verkehrlichen Situationen zu machen und erste Kontakte untereinander zu knüpfen.
Erster ständiger Bürgerrat in Deutschland
Als erste deutsche Kommune hatte Aachen 2022 einen ständigen Bürgerrat beschlossen. Das bedeutet, dass die dortige Losversammlung anders als andere Bürgerräte eine rechtliche Grundlage und eine dauerhafte Organisationsstruktur hat. Seitdem finden regelmäßig Losversammlungen statt.