Bürgerforum übergibt 27 Klimaschutz-Ideen
Im Rahmen der Klimakonferenz Schleswig-Holstein am 3. Juli 2024 haben die Mitglieder des Bürgerforum Klima ihre Empfehlungen an Ministerpräsident Daniel Günther und Energiewendeminister Tobias Goldschmidt übergeben. Auf der Konferenz diskutierten Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden und Organisationen aus Schleswig-Holstein den Entwurf des Klimaschutzprogramm 2030. Am Nachmittag der Konferenz haben die Mitglieder des Bürgerforums ihre Empfehlungen vorgestellt und mit Minister Goldschmidt, Staatssekretär Knuth sowie Mitgliedern des schleswig-holsteinischen Landtags diskutiert.
Mitspracherecht für Bürger
Im Bereich Wohnen und Heizen empfiehlt das Bürgerforum den Städten und Kommunen, fachlich fundierte Entwürfe und Pläne zur kommunalen Wärmeplanung zu erarbeiten, bevor die betroffenen Bürgerinnen und Bürger beteiligt werden. „Die Bürgerbeteiligung sollte erfolgen, nachdem Expertenentwürfe vorliegen, um sicherzustellen, dass die Bürgerinnen und Bürger hinreichend informiert sind. Dabei muss gewährleistet sein, dass die Bürgerinnen und Bürger ein Mitspracherecht bei den Lösungsalternativen erhalten und alle Optionen für die Umsetzung vorgestellt werden, inklusive einer Kosten-Nutzen-Rechnung“, heißt es im Bürgergutachten der Losversammlung.
Auch wird „eine transparente Darstellung der Finanzierung des Anschlusses an Wärmenetze sowie einen realistischen Ausblick über die Kostenentwicklung“ eingefordert. Die Kommunen werden aufgefordert, „frühzeitig adressatengerechte Informationen zur kommunalen Wärmeplanung bereitzustellen, z. B. durch Postwurfsendungen und Infoveranstaltungen“.
Verpflichtende Beratung zu energetischer Sanierung
Die Forumsteilnehmer wünschen sich eine generelle Verpflichtung zur kostenfreien, qualifizierten und leicht zugänglichen Erstberatung zu einer möglichen energetischen Sanierung für alle Bestandsimmobilien und Neubauten. Die Förderung von energetischen Maßnahmen soll langfristig sichergestellt und einkommensabhängig gestaffelt werden.
Das Land Schleswig-Holstein soll sich auf Bundesebene für die verstärkte Besteuerung fossiler Energieträger einsetzen. Um die Attraktivität von Wärmepumpen zu erhöhen, fordert das Bürgerforum einen reduzierten Strompreis zum Betrieb von Wärmepumpen. Auf geeigneten öffentlichen und gewerblichen Gebäuden sowie Flächen und auf Parkplätzen soll die Nutzung von Solaranlagen verpflichtend sein. Die Förderungen für Photovoltaik-Anlagen sollen erhöht werden, um das Tempo des Solarenergieausbaus zu steigern.
Natürliche CO₂-Speicher nutzen
Schleswig-Holstein soll sich dafür einsetzen, dass eine Anpassung der Einspeisevergütung in das Netz erfolgt, um den Unterschied zwischen Energiepreis und Einspeisevergütung für Solarstrom deutlich zu verringern. Deutschland soll erzeugtes CO₂ aus schwer vermeidbaren Emissionen auf deutschem Hoheitsgebiet in allen dafür geeigneten Gebieten speichern. „Natürliche Alternativen für Speicherorte zur CO₂-Speicherung seien zu bevorzugen. Projekte zur Wiederaufforstung und Wiedervernässung der Moore müssten gefördert werden.
Zur Technik der CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) soll es eine Aufklärungskampagne mit dem Ziel geben, Ängste und Bedenken der Bevölkerung ernst zu nehmen. Vor- und Nachteile sowie Alternativen sollen benannt werden. Außerdem fordert das Bürgerforum „eine weiterführende Forschung zu CO₂-Vermeidung und alternativen CO₂-Speicher- und Nutzungsformen voranzutreiben, da die möglichen Auswirkungen von CCS auf die Umwelt nicht ausreichend bekannt sind“. Vor der Verpressung von CO₂ soll eine unabhängige Prüfung der Umweltkonsequenzen durchgeführt werden.
Öffentlichen Nahverkehr ausbauen
Im Handlungsfeld Verkehr plädieren die gelosten Forumsteilnehmer für den verstärkten Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) sowie des gesamten Schienennetzes in Schleswig-Holstein. Das Land wird aufgefordert, „bei Bund und Kommunen die notwendigen Maßnahmen einzuleiten, die Radwegeinfrastruktur massiv auszubauen. Gefordert wird auch „ein bedarfsgerechter und flächendeckender Ausbau von On-Demand-Angeboten und Car-Sharing Angeboten, insbesondere im ländlichen Raum, um die Notwendigkeit des PKW zu reduzieren“. Im ÖPNV seien mehr Direkt- und Querverbindungen notwendig.
Klimaschädliche Subventionen, wie z. B. aktuell bei Kraftstoffen wie Diesel und Kerosin, seien schrittweise abzubauen. Die freiwerdenden Gelder sollen in die Förderung klimafreundlicher Alternativen fließen. Das Dienstwagenprivileg soll so angepasst werden, dass umweltfreundliche Verkehrsmittel gefördert werden. Das Bürgerforum fordert die die Neupriorisierung von Steuermitteln im Verkehrsektor hin zu klimafreundlichen Alternativen, wie dem Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs. Soziale Aspekte dürften dabei nicht vernachlässigt werden.
Kerosinsteuer gefordert
Um innerdeutsche Flüge zu reduzieren, fordern die Forumsteilnehmer die Einführung einer Kerosinsteuer. Dies sei allerdings ein Thema für die Ebene der Europäischen Union.
Im Handlungsfeld CO₂-Bepreisung setzt sich das Bürgerforum für Transparenz und Aufklärung über das Thema CO₂-Bepreisung und individuelle Möglichkeiten für Endverbraucher zur Einsparung von CO₂ und damit zur Kostenreduzierung.ein. Bei der Verwendung der CO₂-Preis-Einnahmen empfiehlt die Losversammlung eine Mischform aus der Förderung klimafreundlicher Maßnahmen und einem Klimageld für einkommensschwache Haushalte bzw. die Unterstützung sozialer Härtefälle.
Einnahmen in CO₂-Reduzierung investieren
Die CO₂-Preis-Einnahmen sollen in klimafreundliche bzw. CO₂-reduzierende Maßnahmen reinvestiert werden. Es sollten Maßnahmen bevorzugt werden, die die Allgemeinheit spürbar entlasten. Dazu zählen für das Bürgerforum der Ausbau und die Vergünstigung des öffentlichen Nahverkehrs, die Förderung von Solaranlagen sowie Wärmepumpen, Elektroautos und der Strom aus erneuerbaren Energien sowie die Förderung von CO₂-sparenden Herstellungsverfahren für die Industrie.
Die Empfehlungen des Bürgerforums sollen nun durch die für die jeweiligen Handlungsfelder verantwortlichen Ministerien bei der Finalisierung des Klimaschutzprogramm 2030 berücksichtigt werden. Zudem soll es nach Beschluss des finalen Klimaschutzprogramm 2030 eine Rückmeldung der verantwortlichen Ressorts an die Mitglieder des Bürgerforums geben, wie mit den Empfehlungen umgegangen wurde. Das heißt ob und ggf. in welcher Weise die Empfehlungen bei der Überarbeitung des Klimaschutzprogramms berücksichtigt wurden.
Zweistufiges Losverfahren
Die Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfolgte in einem zweistufigen Verfahren. Im ersten Schritt wurden 3.000 Adressen aus den Melderegistern von zufällig ausgewählten Kommunen aus jedem Landkreis Schleswig-Holsteins gezogen. Die Personen wurden eingeladen, sich für die Teilnahme zu registrieren. In einem zweiten Schritt wurde aus allen Rückmeldungen dann zufällig, unter Berücksichtigung soziodemografischer Kriterien, die finale Besetzung zusammengestellt. Die Teilnehmer erhielten eine Aufwandsentschädigung von 200 Euro.
Bei der Zusammensetzung der 49 Teilnehmer wurde Wert auf eine möglichst große Vielfalt an sozio-demografischen Merkmalen wie Geschlecht, örtlicher Herkunft, Alter und Bildungsabschluss gelegt. Diese Informationen haben die Bürgerinnen und Bürger selbst angegeben, als sie Interesse an einer Teilnahme bekundet hatten. Auch auf eine möglichst ausgewogene Stadt-Land-Verteilung wurde Wert gelegt, indem gezielt große, mittlere und kleine Kommunen ausgewählt wurden.
Die Altersspanne der Teilnehmer reichte von 16 bis 100 Jahren: Vier Teilnehmer waren zwischen 16 und 24 Jahre alt, 19 Teilnehmer zwischen 45 und 64, 15 Menschen zwischen 25 und 44 und zwölf Teilnehmer waren über 65 Jahre alt.
Auftakt im Mai 2024
Der Auftakt des Bürgerforums fand am Wochenende 3. - 5. Mai 2024 statt. Danach gab es wöchentliche Online-Sitzungen. Am 9. Juni 2024 hatten sich die Bürger bei einem Präsenztreffen schließlich auf Empfehlungen zum Klimaschutz verständigt.
Auf Grundlage von Maßnahmenfahrplänen der von den Emissionssektoren verantwortlichen Ministerien wurde bereits ein Entwurf für das Klimaschutzprogramms 2030 entwickelt. Das Bürgerforum hatte diese Maßnahmen der Klimaschutzprogramms diskutiert, um Empfehlungen an die Landesregierung für eine lebensnahe und erfolgreiche Klimaschutzpolitik zu formulieren. Neben der Frage, welche geeigneten Klimaschutzinstrumente wie in Schleswig-Holstein umgesetzt werden sollten, waren auch soziale Aspekte wie die Verteilung der Kosten des Klimaschutzes Gegenstand der Diskussion.
Vier Handlungsfelder
Im Bürgerforum waren Themen zur Diskussion gestellt worden, die im Klimaschutzprogramm eine zentrale Rolle spielen und bei denen noch Handlungsspielraum besteht. Diese gehörten zu den folgenden vier Handlungsfeldern:
Handlungsfeld 1: Energieerzeugung/Senken: Ausbau der Photovoltaik / Nutzung von Senken
Handlungsfeld 2: Gebäude/Wärme: Kommunale Wärmeplanung / klimaneutrales Wohnen der Zukunft
Handlungsfeld 3: Verkehr: Priorisierung von Mobilitätsangeboten / Finanzierung von Klimaschutz im Verkehr
Handlungsfeld 4: Soziales/Konsum: Verteilung der Klimaschutz-Kosten / CO2-Bepreisung und Rückverteilungsoptionen
Mit der Planung und Durchführung des Bürgerforums Klima Schleswig-Holstein war das Nexus-Institut beauftragt worden, das bereits zahlreiche andere Bürgerräte und Bürgerforen organisiert hat.
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