Aachen familienfreundlicher machen

04. Dezember 2024
Stadt Aachen

Am 3. Dezember 2024 hat der Bürgerrat für ein familienfreundliches Aachen dem Aachener Bürgerforum seine Empfehlungen vorgestellt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer geben mit zehn Empfehlungen Antworten auf die Frage „Wie kann Aachen für Familien mit Kindern attraktiver werden?“.

Der Bürgerrat empfiehlt so etwa, Familien mit Kindern durch eine zentrale „Betreuungsbörse“ zu entlasten und gezielt zu fördern, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern und ein unterstützendes soziales Umfeld zu schaffen.

Soziales Miteinander fördern

Mit einem „Sozial Aktiv“ genannten Projekt soll das soziale Miteinander und Werte wie Toleranz und Respekt gefördert werden, indem das Projekt „Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit gibt, neue Interessen zu entwickeln und soziale Kompetenzen zu stärken. Durch eine Projektwoche an Schulen und ein vielfältiges Angebot an Aktivitäten mit Kooperationspartnern sollen die Teilnehmer Einblicke in verschiedene Interessengebiete gewinnen und ein stabiles soziales Netzwerk aufbauen, um langfristig zur sozialen Integration und Gewaltprävention beizutragen.“

Die Losversammlung schlägt auch vor, Familien einen digitalen Helfer zu bieten, der ihnen die Inanspruchnahme von Unterstützung und Leistungen erleichtert - vom Aufzeigen der Ansprüche bis hin zur Antragsstellung. Dafür soll ein zentrales, mehrsprachiges Onlineangebot geschaffen werden, das auch eine digitale Terminvergabe sowie Dolmetscherservice umfasst.

Antragstellung erleichtern

Auch die Beantragung von Leistungen soll erleichtert werden. Das Antragsverfahren soll durch mehr Online-Möglichkeiten ergänzt und und barriereärmer gestaltet werden. Der Bürgerrat empfiehlt „die Einführung eines digitalen Bürgerkontos, in dem zentral Daten und Dokumente hinterlegt werden können. Für Verfahren, auf die die Stadt keinen Einfluss hat, wird geraten, ein eigenes (digitales) Angebot zu entwickeln, das Bürger bei der Antragstellung unterstützt - ähnlich einer Steuersoftware, die Formulare automatisch ausfüllt. Dieses Angebot sollte mehrsprachig und kostenfrei sein.

Eine weitere Idee ist die Schaffung eines Themenspielplatzes in der Innenstadt. Dieser soll Familien anzusprechen und ihnen eine kinderfreundliche Möglichkeit zu bieten, Stadtbesuche mit Spiel und Spaß zu verbinden. „Mit vielfältigen Spiel- und Sportangeboten für verschiedene Altersgruppen und saisonalen Highlights wie Wasserspielen im Sommer und einer Eisbahn im Winter schafft der Spielplatz einen einladenden Treffpunkt für Familien. Dies belebt die Innenstadt nachhaltig, fördert soziale Begegnungen und die Integration von Familien unterschiedlicher Herkunft und Generationen“, so der Bürgerrat.

Jugendkulturzentrum einrichten

Die Bürgerrat-Mitglieder schlagen weiterhin die Einrichtung eines zentralen Jugendkulturzentrums vor, „das es in dieser Form noch nicht gibt und welches Jugendlichen aller Geschlechter als sicherer und konsumzwangfreier Treffpunkt dient. Es soll durch eine gemütliche Einrichtung eine einladende Atmosphäre schaffen und ein flexibles Programm ermöglichen, das Jugendliche selbst mitgestalten können“.

Alle Einwohnerinnen und Einwohner Aachens, insbesondere aber Familien, sollen für sie interessante Angebote durch eine interaktive und übersichtliche Internetseite einfacher finden können.

Persönliche Ansprechpartner für Familien

Der Bürgerrat für Familienfreundlichkeit wünscht sich, dass Familien mit Kindern persönliche Ansprechpartner mit Hausbesuchen zur Verfügung gestellt werden. „Diese nehmen eine Art Lotsenfunktion ein, indem sie Informationen gezielt, verständlich und individuell an die jeweiligen Familien weitergeben. Die persönlichen Ansprechpartner begleiten die Familien langfristig, über verschiedene Lebensphasen hinweg, beispielsweise beim Schuleintritt oder bei anderen Übergängen im Leben“, erklären die Teilnehmer der Losversammlung in ihrem Bürgergutachten.

Durch die Entsiegelung und die gezielte gemeinschaftliche Bepflanzung von ausgewiesenen Flächen zum Beispiel in Parks, auf Schulhöfen, in Kindergärten sowie auf wohnungsnahen (Rest-)flächen durch Familien soll ein attraktives, gesundes und lebendiges Wohnumfeld insbesondere in benachteiligten Wohngebieten gefördert werden.

Familien mobiler machen

Zuletzt empfiehlt der Bürgerrat die Einführung von Bürgerbussen. In Aachen lebten viele Familien mit Kindern in den Außenbezirken. Die Mobilitätsbedürfnisse von Familien seien sehr vielfältig. „Heute verbringen viele Eltern, Verwandte und Freunde der Familie Zeit mit Bring- und Holdiensten. Für Familien mit Kindern sind die zeitlichen Kapazitäten im Alltag ohnehin sehr begrenzt und unterstützende Mobilitätsangebote erwünscht“ stellen die Teilnehmer fest.

Mit dem Einsatz von Bürgerbussen zur verbesserten Anbindung der Außenbezirke soll die Stadt Aachen ein zeitweises Mobilitätsangebot für Familien mit Kindern anbieten, um innerhalb Aachens auch ohne eigenes Auto mobil sein zu können. Dieses Angebot soll in ein reguläres Mobilitätsangebot für Familien mit Kindern münden.

"Ein starkes Zeichen"

"Familienfreundlichkeit bedeutet Lebensqualität. Die Empfehlungen des Bürgerrates sind ein starkes Zeichen dafür, wie wichtig es ist, Familien in den Mittelpunkt zu stellen und sie zu unterstützen", freute sich Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen über die Bürgervorschläge.

Aus dem Bürgerforum gab es Dankesworte für den Bürgerrat. „Das Ergebnis lässt sich sehen“, meinte Julie Göths (SPD). Die Vorschläge seien „ganz toll“ und würden von der CDU unterstützt, sofern sie finanzierbar seien, sagte Marianne Conradt. Ihr Fraktionskollege Herbert Hilgers sprach optimistisch von einem „spannenden Prozess, an dessen Ende herauskommen muss, dass sich Ihr bürgerschaftliches Engagement gelohnt hat“. Für Karin Schmitt-Promny (Grüne) ist das Thema, wie Aachen für Familien mit Kindern attraktiver werden könne, „eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben“.

Umsetzung von Empfehlungen in Reallaboren prüfen

Nach Meinung des Bürgerrates könnten viele Empfehlungen kurzfristig in ausgewählten Reallaboren umgesetzt und die Wirkung überprüft werden. Reallabore ermöglichen es, die tatsächliche Wirkung der Maßnahmen im Alltagsgeschehen zu beobachten und gleichzeitig wertvolle Rückmeldungen der beteiligten Akteure zu erhalten.

„Durch die zeitlich begrenzte Testphase lässt sich zudem schnell feststellen, ob Anpassungen notwendig sind oder ob die Maßnahmen wie vorgesehen greifen. Dies bietet die Möglichkeit, direkte Rückmeldungen und Daten zur Realisierbarkeit und Wirksamkeit der Empfehlungen zu sammeln. Dafür gibt es vielfältige Angebote und Veranstaltungen, die sich für solche Anliegen bestens anbieten, wie beispielsweise der Kindertag“, heißt es im Bürgergutachten.

Im Rahmen der Reallabore könnten auch Zwischennutzungen getestet werden. Beispielsweise könnten öffentliche Räume, die zukünftig umgestaltet werden sollen, in einem Zwischenzustand genutzt und so bereits vorab getestet werden. Dies könnte beinhalten, dass ein bislang ungenutzter Platz als Spielplatz, Begegnungszone oder Kulturfläche genutzt wird, um zu überprüfen, wie die Öffentlichkeit auf die Nutzung reagiert.

Thema von Bürgerforum beschlossen

Das Thema des Bürgerrates war am 4. Juni 2024 vom Bürgerforum als zuständigem Ausschuss des Stadtrates beschlossen worden Zuvor hatten Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt 61 Themen vorgeschlagen. 33 Themen hatten in einer Online-Abstimmung die für eine weitere Behandlung notwendige Unterstützung von mindestens 125 Stimmen erreicht.

Das Begleitgremium des Bürgerrates hatte aus den Vorschlägen fünf Finalisten für die Beratung im Bürgerforum ausgewählt. Das Gremium setzt sich zusammen aus Mitgliedern des 2023 durchgeführten ersten Bürgerrates, des Stadtrates, der Initiative „Bürgerrat für Aachen“ und Verwaltungsmitarbeitern aus dem Fachbereich Bürgerdialog und Verwaltungsleitung. Die fünf ausgewählten Themen wurden im Bürgerforum öffentlich beraten und mit den Anwesenden diskutiert.

3.500 Menschen eingeladen

Im Juli 2024 hatte die Stadt 3.500 repräsentativ und zufällig ausgeloste Personen ab 16 Jahren zur Teilnahme am Bürgerrat eingeladen. Aus den Rückmeldungen der Ausgelosten hatte das Bürgersekretariat, das aus der Verwaltung heraus den Bürgerrat in organisatorischen Angelegenheiten unterstützt, 56 Mitglieder ausgelost. Von diesen waren zur ersten Sitzung aber nur 44 erschienen. Bei den Arbeitssitzungen waren letztlich nur 28 Ausgeloste dabei. Jugendliche unter 16 Jahren und Kinder wurden als Mitglieder von Familien nicht gehört.

Der Aachener Bürgerrat erstreckte sich über einen Zeitraum von fünf Tagen. Startpunkt war eine Auftaktveranstaltung mit einem Stadtspaziergang am 7. September 2024. Es folgten drei Arbeitstage am 14., 21. und 28. September. Pro Sitzungstag hatten die Bürgerrat-Mitglieder eine Aufwandsentschädigung von 50 Euro erhalten.

Zahl der Empfehlungen begrenzt

Nach den Erfahrungen aus dem ersten Bürgerrat „Attraktives Einkaufsziel Aachen“ mit 75 Bürgervorschlägen wurde die Anzahl der Empfehlungen für den zweiten Bürgerrat im Vorfeld bewusst begrenzt, um eine wirksame Bearbeitung durch die Verwaltung zu ermöglichen.

Der Stadtrat wird am 5. Februar 2025 über die Empfehlungen des Bürgerrates beraten. Der Rat kann die Bürgervorschläge annehmen, in veränderter Form beschließen oder ablehnen.

Bürgerrat als ständiges Gremium

Der Rat der Stadt Aachen hatte die Einführung des ständigen Bürgerrates am 30. März 2022 nach einem entsprechenden Vorschlag der Initiative „Bürgerrat für Aachen“ beschlossen. Vorbild ist der Bürgerdialog in der nahen Deutschsprachigen Gemeinschaft (DG) Ostbelgien. Das Parlament der DG hatte bereits 2019 per Gesetz geregelt, wie das Demokratie-Instrument dort gestaltet sein soll. Seitdem fanden in Ostbelgien bereits sechs Losversammlungen statt. Ständige Bürgerräte gibt es außerdem in Brüssel, Mailand und Paris.

Bürgerräte gibt es nun auch in Aachen regelmäßig. Die Losversammlung hat dafür eine rechtliche Grundlage und eine dauerhafte Organisationsstruktur. Durch immer wieder neue Bürgerräte sollen Politik und Verwaltung unmittelbare Empfehlungen aus der Bürgerschaft erhalten. Die Mitglieder des Bürgerrates werden jedes Jahr neu bestimmt.

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