21 Ideen gegen Hass

21. Mai 2024
European Commission

Am 19. Mai 2024 hat das EU-Bürgerforum gegen Hass in der Gesellschaft seine Empfehlungen beschlossen. Die Losversammlung hat damit Antworten auf die Frage geliefert, was wir gegen Hass tun und wie achtsamer miteinander umgehen können. 150 zufällig ausgeloste Bürgerinnen und Bürger aus allen 27 EU-Mitgliedstaaten waren im Bürgerforum zusammengekommen.

Am 6. Dezember 2023 hatten die EU-Kommission und der Hohe Vertreter eine Pressemitteilung mit dem Titel „Kein Platz für Hass: ein Europa, das geeint gegen Hass steht“ veröffentlicht. Die Mitteilung ist ein Aufruf an alle Europäerinnen und Europäer, gegen Hass einzutreten und sich für Toleranz und Respekt einzusetzen.

Anstieg von Hetze und Hassverbrechen

„In Europa ist ein alarmierender Anstieg von Hetze und Hassverbrechen zu beobachten, und es gibt Belege dafür, dass insbesondere jüdische und muslimische Gemeinschaften betroffen sind“, heißt es in der Pressemitteilung. Mit der Mitteilung intensivierten die Kommission und der Hohe Vertreter ihre Bemühungen, Hass in all seinen Formen zu bekämpfen, indem sie Maßnahmen in einer Vielzahl von Politikbereichen, darunter Sicherheit, Digitales, Bildung, Kultur und Sport, verstärkten.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, erklärte: „Europa ist ein Ort, an dem die vielfältigen kulturellen und religiösen Identitäten gewürdigt werden. Respekt und Toleranz sind die grundlegenden Werte unserer Gesellschaften. Daher müssen wir uns Antisemitismus und antimuslimischem Hass entgegenstellen, wann immer wir damit konfrontiert sind. Die Würde und die Sicherheit jedes Einzelnen sind in unserer Union von entscheidender Bedeutung.“

Mit Dialog Hass überwinden

Der Hohe Vertreter/Vizepräsident Josep Borrell sagte: „Tragischerweise wiederholt sich Geschichte. Konflikte und Desinformation weltweit bilden den Nährboden für Hass. Alle Menschen müssen geschützt und geachtet werden, unabhängig von Religion oder Weltanschauung, Staatsangehörigkeit, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit oder jedwedem Vorwand, der dazu missbraucht wird, zu Diskriminierung, Hass oder Gewalt anzustiften.“

Mit der Mitteilung „Kein Platz für Hass“ wird die Schaffung eines europaweiten Raums des Dialogs für die Debatte darüber gefordert, wie wir Hass und Spaltung überwinden und uns alle der europäischen Werte - Gleichheit sowie Achtung der Menschenrechte und Menschenwürde - erinnern. Daraus ist das europäische Bürgerforum „Hass in der Gesellschaft“ entstanden. Es hatte zum Ziel, politische Maßnahmen und zentrale Akteure auf allen Ebenen zu ermitteln - Entscheidungsträger, Zivilgesellschaft, Privatsektor sowie Bürgerinnen und Bürger.

Verschiedene Ursachen für Hass

Der in der Gesellschaft auftretende Hass hat nach Meinung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bürgerforums verschiedene Ursachen und Triebkräfte, wobei emotionale, soziale und wirtschaftliche Aspekte zusammenspielen. Benannt werden dabei über Generationen ausgetragene historische, aktuelle Konflikte und geopolitische Spannungen. „Ohne aktive Bemühungen, diese Wunden anzusprechen und zu heilen, setzt sich der durch Konflikte geschürte Hass fort und droht, einen Kreislauf der Feindseligkeit und Spaltung fortzusetzen“ so das Bürgerforum.

Schnelle soziale und kulturelle Veränderungen wirkten als wichtige Katalysatoren für Gefühle von Verlust und Benachteiligung, die zur Eskalation des Hasses führten. Alle Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens trügen eine große Verantwortung für die Bekämpfung von Hass, können aber auf verschiedene Weise auch selbst Hass schüren. Die zunehmende Haltung des „Wir gegen die" und der Hass gegen verschiedene Gruppen würden durch traditionelle Medien und sozialen Netzwerken verschärft.

Hass betrifft alle

Ein grundlegender Aspekt der menschlichen Natur sei der Wunsch, zu einer sozialen Gruppe oder Dynamik zu gehören, sich "wie alle anderen" zu fühlen. Dieser Wunsch könne manchmal so stark sein, dass er zu Hass und Intoleranz führe. Mangelnde Aufklärung über unterschiedliche Identitäten, Kulturen, Toleranz, Debatten und Kommunikation sowie der Mangel an zuverlässigen Online-Informationen könnten Missverständnisse verstärken, Vorurteile aufrechterhalten und zu Hass führen.

Hass betreffe alle Teile der Gesellschaft. Die Forumsteilnehmer aus den 27 Mitgliedsstaaten der EU sind deshalb der Ansicht, dass die Bekämpfung von Hass in Europa und in der ganzen Welt eine wichtige Aufgabe ist. Das Bürgerforum empfiehlt daher, in verschiedenen Bereichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Grundrechte zu schützen, Diskriminierung, Hass und Konflikte zu verhindern, die Schwächsten zu schützen und letztlich eine respektvolle und faire EU für alle zu gestalten.

EU soll Aufklärungskampagne starten

Das Bürgerforum schlägt vor, dass die Europäische Union eine Aufklärungskampagne über die von Hass ausgehende Gefahr, dessen Ursachen und zu Maßnahmen gegen Hass durchführt. Gleichzeitig soll die EU über ihre verschiedenen Initiativen gegen Hass und die verfügbaren Unterstützungskanäle und Maßnahmen für die Opfer informieren. Zudem soll eine EU-weite Plattform geschaffen werden, die Informationen, Mittel, Maßnahmen und Unterstützungssysteme zum Thema Hass vereint.

Eine EU-Karte soll sicheres Surfen für Kinder ab 8 Jahren garantieren. Diese Karte soll in einer angepassten Version auch für ältere Altersgruppen erhältlich sein. Mit dieser Karte sollen Kinder die Fähigkeiten erwerben,, die sie brauchen, um sich selbständig und sicher im Internet zu bewegen und mit Hass-Inhalten im Netz umzugehen. Zivilgesellschaftliche Organisationen sollen an Schulen entsprechendes Wissen vermitteln. Die emotionalen und sozialen Kompetenzen von Kindern sollen zudem durch Angebote wie Theater, Kunst, gewaltfreie Kommunikation und staatsbürgerliche Erziehung gestärkt werden.

Gewaltfreie Kommunikation fördern

Die EU soll ihre bestehenden Schulungen zu Hasskriminalität, Hassreden und gewaltfreier Kommunikation besser bekannt machen und diese bei bestimmten Zielgruppen fördern. Gewaltfreie Kommunikation soll allen Generationen in allen EU-Mitgliedsstaaten durch Bildungsangebote nahegebracht werden.

Die Forumsteilnehmer schlagen eine Kommunikationsstrategie vor, mit der angefangen bei Textnachrichten auf Handys, über Online-Anzeigen, Werbung bei Sportveranstaltungen und die Nutzung Prominenter als Botschafter das Bewusstsein für die Problematik von Hass gesteigert werden soll.

Ansprüche an Medien

Von den Medien soll verlangt werden, dass sie mit unabhängigen Faktenprüfer-Organisationen zusammenarbeiten, ihre Finanzierungsquellen offen darlegen, die Bürgerinnen und Bürger ermutigen, die ihnen vermittelten Informationen zu überprüfen und den politischen Einfluss der Medien zu begrenzen. Dazu soll z.B. die Anzahl der Medienkanäle, die eine Person oder ein Unternehmen besitzen kann, begrenzt werden.

Empfohlen wird auch mehr Bürgerbeteiligung innerhalb der Medien, um deren Inhalten mehr Rückhalt zu verleihen und eine gemeinsame Kultur der Gegenseitigkeit und des Respekts zu fördern. Bürgerforen sollen auf lokaler und nationaler Ebene dazu beitragen, die Wünsche und Bedürfnisse der Mediennutzer zu verstehen.

Verfolgung von Hassrede

Die Anonymität im Internet soll so geregelt werden, dass Urheber von Hassreden besser aufgespürt, gegen sie ermittelt und diese von den zuständigen Behörden zur Rechenschaft gezogen werden können. Die EU-Kommission soll eine Arbeitsgruppe einsetzen, um die gemeinsame Definition von "illegaler Hassrede" zu aktualisieren und zu erweitern, um deren Verbreitung besser zu bekämpfen. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz soll die Verbreitung von Hass in den sozialen Medien eingedämmt werden.

Vorgeschlagen wird auch, die Betreiber sozialer Medien dazu zu verpflichten, ihre Algorithmen so anzupassen, dass sie ein breiteres Spektrum von Meinungen anzeigen. Damit soll die Dominanz einzelner Meinungen verhindert werden.

Verhaltenskodex für Europaabgeordnete

Weiterhin schlägt das Bürgerforum vor, einen unabhängigen Vertrauensausschuss einzurichten, der einen Verhaltenskodex für die Mitglieder des Europäischen Parlaments aufstellt und Hassreden und Falschinformationen überwacht. Auch neue Studien mit mehr Daten zu sozialer Ungleichheit sollen helfen, Hass zu bekämpfen.

In jedem EU-Mitgliedsstaat sollen unabhängige Stellen zur Bekämpfung von Hass eingerichtet werden. Für die Meldung von Hassverbrechen soll es EU-weit ein klares und einheitliches Verfahren geben.

Europäische Jugendforen

Für Schulen wird die Organisation von Diskussionen nach dem Vorbild des Bürgerrat-Formats angeregt. So sei eine Debatte über das Essen in der Schulkantine unter Berücksichtigung der Gewohnheiten der verschiedenen Religionen eine Möglichkeit, Diskussionen über konkrete Themen anzustoßen, die die Kinder täglich beträfen, wobei die Schüler vom Fachwissen des Kantinenpersonals und der Köche profitieren könnten.

Die Forumsteilnehmer regen zudem die Schaffung europäischer Bürgerforen zur Bekämpfung von Hass für junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren an. Die Teilnehmer sollen wie die der bereits existierenden Europäischen Bürgerforen nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden, Die Foren sollten Themen behandeln, die mit den Herausforderungen und Möglichkeiten junger Menschen in Zusammenhang stehen.

Zuletzt empfiehlt das Bürgerforum die Entwicklung von lokalen Bürgerdiensten. Freiwillige Teilnehmer sollen sich dafür bezahlt von der Arbeit freistellen lassen können, Selbständige Steuererleichterungen erhalten.

Europäische Kommission begrüßt Empfehlungen

Die Europäische Kommission begrüßt die Empfehlungen des Bürgerforums: "Wir erleben einen ständig wachsenden Strom von Hassbotschaften, insbesondere im Internet. Sie tragen zu einer zunehmenden Polarisierung unserer Gesellschaften bei und zersetzen die Demokratie. Im schlimmsten Fall können Worte der Gewalt zu gewalttätigen Handlungen führen. Ich begrüße es, dass die Bürgerinnen und Bürger im Rahmen des Europäischen Bürgerforums die Risiken von Hassreden erkannt und klare und ehrgeizige Empfehlungen zur Bekämpfung von Hassreden ausgesprochen haben", erklärte Věra Jourová, Vizepräsidentin für Werte und Transparenz.

Dubravka Šuica, Vizepräsidentin für Demokratie und Demografie, erklärte: "Hass ist eine grundlegende Gefahr für unsere Demokratie. Dieses Europäische Bürgerforum hat Bürger aller Generationen aus allen Teilen der Europäischen Union zusammengebracht. Gemeinsam haben sie in einem sicheren, transparenten Raum über dieses wichtige Thema beraten und solide, relevante Empfehlungen erarbeitet. Darin wird ein breites Spektrum von Maßnahmen gefordert, u. a. in den Bereichen Bildung, Digitaltechnik und Medien, Sensibilisierung und Bekämpfung von Desinformation. Ich bin stolz darauf, sie mit Präsidentin von der Leyen und meinen Kollegen im Kollegium der Europäischen Kommissare zu teilen. Mit Blick auf die Europawahlen lässt unsere EU-Demokratie keinen Platz für Hass".

Politik besser machen

Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bürgerforums fühlen sich ernst genommen: "Ich freue mich sehr, hier zu sein. Man hat das Gefühl, Teil von etwas Wichtigem zu sein", sagte eine Kölnerin mit arabisch-türkischem Hintergrund. Thomas, ein junger Informatikstudent aus Polen, setzt große Hoffnungen auf das Ergebnis: "Ich bin über 1.000 Kilometer hierher gereist mit dem Gefühl, dass man hier etwas verändern kann. Ich weiß nicht, ob es ein gutes Ergebnis geben wird, aber wir müssen es versuchen." "Ich glaube daran, dass am Ende etwas steht, was die Politik besser machen kann", erklärte David, ein Musiker aus Belgien.

Die Teilnehmergewinnung für das Bürgerforum "Hass in der Gesellschaft" wurde von den Vertragspartnern der Europäischen Kommission, den Forschungsinstituten Harris Interactive und Le Terrain, durchgeführt. Sie haben Bürger als Forenteilnehmer gefunden, die die Vielfalt der EU-Bevölkerung widerspiegeln.

In Europäischen Bürgerforen kommen nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Bürgerinnen und Bürger aus allen 27 Mitgliedstaaten zusammen, um auf europäischer Ebene über wichtige bevorstehende Vorschläge zu sprechen, die alle EU-Einwohner betreffen.

Empfehlungen an die EU-Kommission

Bei den europäischen Bürgerforen arbeiten die Teilnehmer in kleinen Gruppen (um die zwölf Personen) oder alle gemeinsam (im Plenum) zusammen. Sie werden durch ein Moderationsteam unterstützt. Die Diskussionen der Teilnehmer münden in Empfehlungen, die die Europäische Kommission bei der Festlegung von Maßnahmen und Initiativen berücksichtigen soll.

Bei den Bürgerforen werden die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Infrage kommende Personen werden angerufen. Die Anwerber wählen per Zufallsverfahren gültige Telefonnummern (Festnetz und mobil) an. Damit die soziale und demografische Zusammensetzung der EU-Bevölkerung möglichst genau abgebildet wird, sorgt das Verfahren dafür, dass eine vielfältige und repräsentative Gruppe angesprochen wird.

Für die Teilnehmergewinnung werden Daten aus folgenden Quellen vereinigt:

Quoten für Geschlechter und junge Menschen

Für ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis sorgt eine Quotenregelung, durch die auch der Anteil junger Menschen zwischen 16 und 25 Jahren auf ein Drittel festgesetzt wird. Weitere berücksichtigte soziale und demografische Merkmale:

  • Bildungsniveau
  • Herkunftsort
  • Beruf

Die Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den einzelnen Mitgliedstaaten erfolgt im Verhältnis zur Einwohnerzahl des Landes, wobei die ausgewogene Vertretung der verschiedenen Gruppen gewährleistet ist. Bei kleineren Ländern mit wenigen Teilnehmern werden diese Gruppen auf die einzelnen Foren aufgeteilt, damit auch diese Länder angemessen vertreten sind. Für jedes Forum gibt es ein eigenes Auswahlverfahren.

Bürgerforum unterstützt EU-Kommission

Das Bürgerforum gegen Hass fand an drei Wochenenden statt, beginnend am Freitagnachmittag und endend am Sonntagmittag:

  • Sitzung 1: 5. - 7. April, Brüssel
  • Sitzung 2: 26. - 28. April, online
  • Sitzung 3: 17. - 19. Mai, Brüssel

Die Empfehlungen der Losversammlung werden insbesondere die künftige Arbeit der Europäischen Kommission zur Bekämpfung von Hassreden und Hasskriminalität unterstützen. Sie werden als Leitfaden dienen, der der EU und ihren Mitgliedstaaten helfen soll, sich von Hass und Spaltung zu lösen und sich auf die gemeinsamen europäischen Werte zu besinnen, wie sie im Vertrag der Europäischen Union verankert sind.

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